Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) Deutschland

Unternehmen ab einer bestimmten Grösse sind nun verpflichtet, bei Ihren Lieferanten genau hinzusehen. Kinderarbeit, ausbeuterische Arbeitszeiten oder Chemikalien, die in Abwässer und Flüsse gelangen: Berichte über Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette sind inzwischen ein grosses Risiko für deutsche Unternehmen und deren Zulieferer. Es wird daher immer wichtiger, sich präventiv mit den Herausforderungen der Lieferketten zu befassen. Der folgende Text zeigt auf, worauf insbesondere die Schweizer Unternehmen mit Bezug zu Lieferketten deutscher Unternehmen achten müssen.

Welche Unternehmen sind konkret betroffen?
Seit dem 1. Januar 2023 müssen alle Unternehmen, d.h. auch Schweizer Unternehmen mit Hauptsitz oder einem Standort in Deutschland und mindestens 3.000 Arbeitnehmern menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten umsetzen. Achtung: Ab dem 1. Januar 2024 wird das Gesetz auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern in Deutschland gelten. Auch für Schweizer Unternehmen ohne Standort in Deutschland, die ein vom Gesetz betroffenes Unternehmen in Deutschland beliefern gilt: mit der Lieferung nach Deutschland ist das Schweizer Unternehmen Teil der von dem deutschen Unternehmen zu kontrollierenden Lieferkette und damit ebenfalls in der Pflicht. Dies bedeutet konkret, dass betroffene deutsche Unternehmen ihre Schweizer Lieferanten auffordern werden, eine Zusicherung ihrer Zuverlässigkeit im Hinblick auf die Anforderungen des Gesetzes abzugeben.

Das Gesetz gilt in erster Linie für den unmittelbaren Zulieferer des betroffenen deutschen Unternehmens, d.h. unter anderem auch für Schweizer Unternehmen, die ein betroffenes deutsches Unternehmen beliefern. Der mittelbare Zulieferer, d.h. der Zulieferer des (Schweizer) Zulieferers ist nur in Ausnahmefällen einbezogen, und zwar immer nur dann, wenn tatsächliche, d.h. konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die auf eine Menschenrechtsverletzung etc. durch den mittelbaren Zulieferer schliessen lassen (z.B. durch Medienberichte, Zeitungsartikel o.ä.).

In der Praxis wird also in erster Linie der Schweizer Zulieferer eine Zusicherung seiner eigenen Zuverlässigkeit in Bezug auf das Gesetz abgeben müssen. Es ist allerdings nicht auszuschliessen, dass der deutsche Unternehmer darauf besteht, auch die mittelbaren Zulieferer einzubeziehen. In diesem Fall sollten auch Schweizer Unternehmer ohne Standort in Deutschland eine Liste ihrer Zulieferer ausserhalb der Schweiz erstellen und aktualisieren, um ihren Kunden in Deutschland zusichern zu können, dass diese die Voraussetzungen des Gesetzes einhalten. Die diesbezüglichen Anfragen der deutschen Vertragspartner wären bei dieser Variante an den mittelbaren Zulieferer (des Schweizer Unternehmens) weiterzureichen. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, zumindest hinsichtlich der länger anhaltenden Zulieferpartnerschaften eine eigene „Risikoanalyse“ zu erstellen, die sich an den Vorgaben des LkSG orientiert, um den deutschen Vertragspartnern eine valide Information geben zu können. Aus unserer Sicht ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass ein deutscher Unternehmer ohne konkrete Anhaltspunkte auch den mittelbaren Zulieferer einbezieht, denn auch hier ist man zweifellos bestrebt, unnötigen bürokratischen Aufwand zu vermeiden. 

Was genau regelt das Gesetz?
Grundsätzlich geht es um die Einhaltung von Sorgfaltspflichten, die sich auf den eigenen Geschäftsbereich, auf das Handeln eines Vertragspartners und, unter den bereits beschriebenen Umständen, auf das Handeln weiterer (auch mittelbarer) Zulieferer beziehen. Damit endet die Verantwortung der Unternehmen nicht länger am eigenen Werkstor, sondern besteht entlang der gesamten Lieferkette.

Das dem LkSG zugrundliegende Lieferkettengesetz enthält einen Katalog von elf international anerkannten Menschenrechtsübereinkommen. Aus den dort geschützten Rechtsgütern werden Verhaltensvorgaben bzw. Verbote für unternehmerisches Handeln abgeleitet, um eine Verletzung geschützter Rechte zu verhindern. Dazu zählen insbesondere die Verbote von Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit, die Missachtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns, die Missachtung des Rechts zur Bildung von Gewerkschaften bzw. Mitarbeiter-vertretungen, die Verwehrung des Zugangs zu Nahrung und Wasser sowie der widerrechtliche Entzug von Land und Lebensgrundlagen.

Welche konkreten Massnahmen müssen Unternehmen ergreifen, um die Sorgfaltspflichten einzuhalten?
Die folgenden Massnahmen sind für alle betroffenen Unternehmen zwingend. Sie gelten damit auch für alle Schweizer Unternehmen mit einem Standort in Deutschland, bei der oben angegebenen Anzahl von Mitarbeitern:

  • die Einrichtung oder Erweiterung eines Risikomanagements, das auch Nachhaltigkeitsgesichtspunkte in der Lieferkette erfasst,
  • die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit,
  • die Durchführung regelmässiger Risikoanalysen: Darlegung der Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte,
  • die Abgabe einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte,
  • die Verankerung von Präventionsmassnahmen im eigenen Geschäftsbereich, gegenüber unmittelbaren Zulieferern sowie - bei Anhaltspunkten für mögliche Verletzungen - bei mittelbaren Zulieferern,
  • das Ergreifen von Abhilfemassnahmen bei Verletzung einer geschützten Rechtsposition,
  • die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens bzw. eines Beschwerdemanagements,
  • die Dokumentation und die jährliche Berichterstattung.


Wie wird dies konkret in die unternehmerische Praxis umgesetzt?
Betriebsinterne Zuständigkeit:
Um ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen, müssen Unternehmen Verantwortlichkeiten innerhalb ihrer Organisation festlegen, etwa durch die Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten.

Risikoanalyse: Jedes Unternehmen im Anwendungsbereich ist ausserdem verpflichtet eine Risikoanalyse durchzuführen. Das bedeutet, dass Unternehmen sich zunächst um Transparenz bemühen und diejenigen Teile ihrer Produktions- und Lieferkette identifizieren müssen, die besonders hohe menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken bergen. Es ist ein Verzeichnis aller Zulieferer, kategorisiert nach den Ländern, in denen sie angesiedelt sind, anzulegen und deren Gefahrenpotentiale bzw. Risiken einzuschätzen.

Abhilfemassnahmen: Wurde das Risiko einer Menschenrechtsverletzung am eigenen Standort oder in der Lieferkette erkannt, müssen angemessene Massnahmen zur Beendigung oder Minimierung getroffen werden. Dies gilt erst recht, wenn die Menschenrechtsverletzung bereits erfolgt ist. Achtung: Wie bereits erwähnt, müssen auch Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d.h. bei den Zulieferern von Zulieferern einbezogen werden, wenn hier tatsächliche Anhaltspunkte für mögliche Menschenrechtsverletzungen bestehen.

Beschwerdemanagement: Unternehmen müssen ausserdem ein Beschwerdemanagement einrichten, das unmittelbar Betroffenen ebenso wie denjenigen, die Kenntnis von tatsächlichen Verstössen haben, ermöglicht, auf Risiken und Verletzungen hinzuweisen. Das Beschwerdeverfahren sollte unbedingt auf der Website kommuniziert werden und für betroffene Personen oder Unternehmen, Vertragspartner usw. leicht zugänglich sein.

Grundsatzerklärung: Darüber hinaus muss eine Grundsatzerklärung über die eigene Menschenrechtsstrategie verfasst werden. In der Erklärung müssen die für das Unternehmen im Rahmen der Risikoanalyse festgestellten, prioritären umweltbezogenen und menschenrechtlichen Risiken benannt sowie die bereits benannten Massnahmen zur Prävention und Abhilfe und das installierte Beschwerdeverfahren beschrieben werden. Dabei sind auch die Erwartungen an die eigenen Beschäftigten und Lieferanten in der Lieferkette zu adressieren. Die Grundsatzerklärung muss durch die Unternehmensleitung verabschiedet werden. Auch hier raten wir dringend dazu, diese Policy auf der Website des Unternehmens sowie den dauerhaften Vertragspartnern zu kommunizieren. Es können dabei die bereits in der Risikoanalyse festgestellten Punkte übernommen und entsprechend ergänzt werden.

Berichtspflicht: Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten muss unternehmensintern fortlaufend dokumentiert werden. Betroffene Unternehmen müssen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) jährlich einen Bericht vorlegen, der nachvollziehbar Auskunft gibt,

  • ob und welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken das Unternehmen identifiziert hat,
  • was das Unternehmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten unternommen hat,
  •  wie das Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Massnahmen bewertet und
  • welche Schlussfolgerungen es daraus für zukünftige Massnahmen zieht.


Schweizer Unternehmen ohne Standort in Deutschland sind nicht von der Berichtspflicht betroffen! Betroffen sind nur Schweizer Unternehmen mit Standort in Deutschland, und einer entsprechenden Anzahl von Mitarbeitern (bis 1. Januar 2024: 3.000 Mitarbeiter, ab 1. Januar 2024: 1.000 Mitarbeiter).

Achtung: Der Bericht muss spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahrs beim BAFA eingereicht und auf der Unternehmenswebseite veröffentlicht werden. Dort muss er für sieben Jahre verfügbar bleiben. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind dabei geschützt. Es wurde inzwischen vom BAFA ein elektronisches Berichtsformat erarbeitet, um den Aufwand für Unternehmen möglichst gering zu halten; das Formular kann über die Website des BAFA abgerufen werden. Die Einzelheiten zu den Anforderungen an den Bericht und den Hinweis auf das Online-Formular finden Sie hier: BAFA - Beitragspflicht. 

Einen Vorteil gibt es: Die betroffenen Unternehmen können die gemachten Angaben auch zur Erfüllung der CSR-Berichtspflicht (CSR = Corporate Social Responsibility) verwenden.

Exkurs: Die EU-Institutionen haben sich am 21. Juni 2022 auf eine neue Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (SRD) geeinigt. Ziel ist es, öffentlich zugängliche und vergleichbare Informationen über die Risiken und Chancen von Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten zur Verfügung zu stellen, Finanzströme hin zu nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten zu lenken, und somit letztlich den Übergang zu einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft im Sinne des EU-Green Deals zu fördern. Die Berichtspflicht gilt nicht mehr nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen, sondern für alle grossen Unternehmen, die zwei der drei folgenden Grössenkriterien erfüllen: Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Euro, Nettoumsatzerlöse von mindestens 40 Millionen Euro oder mindestens 250 Beschäftigte. Zusätzlich werden kleine und mittlere Unternehmen ab zehn Mitarbeitern zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet, sofern eine Kapitalmarktorientierung vorliegt. Welche konkreten Massnahmen braucht es nach der Risikoanalyse?

Werden im Rahmen der Risikoanalyse entsprechende Risiken innerhalb einer Lieferkette festgestellt, müssen Massnahmen zur Prävention getroffen werden. Auf Basis des Gesetzes sind folgende Massnahmen zu empfehlen:

  • Erstellung eines „Verhaltenskodex für Lieferanten“, mit dem das Unternehmen seine Erwartungen an die Zusammenarbeit verbindlich und schriftlich regelt. Dieser Verhaltenskodex sollte Vertragsbestandteil für alle Verträge mit den Lieferanten werden.
  • Schriftliche Verpflichtung des jeweiligen Lieferanten, diese Compliance-Standards auch in der eigenen nachgelagerten Lieferkette einzuhalten.
  • Regelmässige Überprüfungen der bestehenden und künftigen Lieferanten im Hinblick auf ihre Fähigkeiten, die Sorgfaltspflichten einzuhalten.
  • Einführung von Kontrollrechten und Durchführung von regelmässigen, risikobasierten Kontrollen.
  • Einforderung von Nachweisen des Lieferanten über durchgeführte Schulungen.
  • Erforderliche Abhilfemassnahmen bei Verdacht auf Verletzung der zu schützenden Rechtspositionen bei unmittelbaren Lieferanten bis hin zum
  • Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit denjenigen Vertragspartnern, die nicht bereit sind, sich an die Vorgaben zu halten, ergänzende Verträge zu unterzeichnen und/oder bei denen klare Verstösse gegen die gesetzlichen Vorgaben festgestellt wurden.


Was passiert bei Verstössen gegen das Gesetz und welche Behörde überprüft die Verstösse?
Wie bereits vorausgehend erwähnt, ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für die Kontrolle der betroffenen Unternehmen zuständig und überprüft, ob die gesetzlichen Sorgfaltspflichten einschliesslich der Berichtspflichten eingehalten werden. Bei sehr schweren Verstössen können Bussgelder von bis zu 8 Mio. EUR verhängt werden. Bei einem Jahresumsatz von über 400 Mio. EUR kann das Bussgeld bis zu 2 % des weltweiten Jahresumsatzes betragen. Auch diesbezüglich sind Schweizer Unternehmen ohne Standort in Deutschland nicht betroffen. Achtung: Bei einem verhängten Bussgeld ist es ab einer bestimmten Mindesthöhe möglich, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen zu werden.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Auch in anderen Ländern gibt es bereits gesetzliche Regelungen zur Sorgfaltspflicht. Zudem bringt die EU derzeit ebenfalls ein Gesetz auf den Weg, welches Unternehmen innerhalb der EU verpflichtet, menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Risiken in ihren Wertschöpfungsketten zu ermitteln, Präventions- und Abhilfemassnahmen zu ergreifen und darüber zu berichten. Die Europäische Lieferkettenrichtlinie "Corporate Sustainability Due Diligence" (CSDD) ist bereits vom EU-Parlament verabschiedet, d.h. nun muss sich das Parlament noch mit dem Ministerrat auf eine gemeinsame Position einigen.  

Auorinnen:
Gabriele Ochner, Rechtskonsulentin bei der Vereinigung Schweizerischer Unternehmen in Deutschland (VSUD),
Stefanie Luckert, Geschäftsführerin der Vereinigung Schweizerischer Unternehmen in Deutschland (VSUD)



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Letzte Änderung 31.10.2023

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