Vielen Führungskräften fällt es schwer, bestimmte Aufgaben abzugeben. Dabei kann strukturiertes, auf Vertrauen und Klarheit basierendes Delegieren wertvolle Zeit sparen und die Motivation der Mitarbeitenden steigern. Praktische Tipps.

"Das erfolgreiche Delegieren von Aufgaben und Zuständigkeiten ist ein wesentlicher Hebel für die Entwicklung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens", weiss Oliver Mattmann, Geschäftsführer der Peter Beglinger Training AG, die sich auf Führungs- und Verkaufstrainings spezialisiert hat. In vielen KMU fällt dies den Führungskräften jedoch schwer, sodass sie unter Arbeitsüberlastung und Verzögerungen bei den Projekten leiden, wie eine aktuelle Studie der Lausanner Marktforschungsagentur Qualinsight zeigt.
Der Experte stellt fest, dass Unternehmende noch zu oft denken, sie würden Aufgaben besser selbst erledigen oder das Delegieren würde zu viel Zeit kosten. "Aber bestimmte Aufgaben an Mitarbeiter zu übertragen, ist eine lohnende Investition. Es geht darum, sich von allem zu entlasten, was nicht zum Kerngeschäft einer Führungskraft gehört. Meine persönliche Assistentin kümmert sich beispielsweise um die Organisation der Trainings, die Buchhaltung, die Gläubiger, die Jahresabschlüsse und die Terminplanung und bearbeitet sogar 80% meiner E-Mails. So kann ich mich auf meine Hauptaufgabe konzentrieren, nämlich qualitativ hochwertige Trainings anzubieten und unsere Kunden zu treffen."
Oliver Mattmann nennt drei grundlegende Punkte für eine effiziente Arbeitsverteilung. "Die Führungskraft muss loslassen können und akzeptieren, dass andere bestimmte Aufgaben genauso gut erledigen wie sie selbst, wenn auch auf andere Weise. Zweitens geht es um das Vertrauen in die Mitarbeiter, das sich mit der Zeit aufbaut. Und drittens ist es wichtig, dass eine Aufgabe bei dem jeweiligen Mitarbeiter bleibt, wenn sie einmal delegiert worden ist. Man darf sie nicht wieder an sich reissen wollen, es sei denn, es liegt ein grösseres Problem vor."
Autonomie ohne Mikromanagement
"Delegieren bedeutet, sich gemeinsam auf einen Arbeitsrahmen zu einigen, und nicht, eine Aufgabe loszuwerden", ergänzt André Hefti, Coach im Bereich Leadership. "Die Herausforderung besteht darin, eine klare und gesunde Grundlage zu schaffen, um die persönliche Verantwortung jedes Einzelnen zu fördern."
Der Experte schlägt vor, sich auf sechs Punkte zu stützen, um die Mitarbeitenden zur Selbstständigkeit zu führen: "Zunächst erinnert man an das Ziel der Aufgabe und ihre Bedeutung. Man muss festlegen, welche Erwartungen an das Ergebnis und die Qualität gestellt werden, wo insbesondere bei Zeitmangel die Prioritäten liegen, welche Regeln und Prozesse zu beachten sind, wie der Projektfortschritt mitgeteilt wird und welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Sobald dieser Rahmen steht, muss der Mitarbeiter jedem Punkt zustimmen. Andernfalls sollte man sich austauschen, um Unklarheiten zu beseitigen."
Wer die Ziele und den Grad an Autonomie im Vorfeld festlegt, kann seine Mitarbeitenden begleiten, ohne in Mikromanagement zu verfallen. "Sobald die Aufgabe zugewiesen ist, sollte sich die Führungskraft nicht mehr einmischen. Daher ist es wichtig, von Anfang an zu definieren, was verhandelbar ist (Methode, Arbeitsablauf usw.) und was nicht (z.B. Frist, Budget oder erwartete Qualität). Auf diese Weise lässt sich unterscheiden, was in den jeweiligen Aufgabenbereich der Führungskraft und des Mitarbeiters fällt."
Die richtigen Mitarbeiter auswählen
Aber nach welchen Kriterien sollen die Mitarbeitenden ausgewählt werden, denen diese Aufgaben anvertraut werden? "Man muss sich auf die Stärken der Teammitglieder stützen", betont Oliver Mattmann. "Viele Führungskräfte fragen ihre Mitarbeiter fast nie nach ihren wichtigsten Qualitäten. Deshalb empfehle ich, mindestens einmal im Jahr ein Gespräch über die aktuellen und sich entwickelnden Stärken jedes Einzelnen zu führen."
Delegieren kann übrigens auch als Hebel für die Motivation und die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden wirken. "Mitwirken, sich einbringen und seine Meinung sagen zu können, gibt der Arbeit einen Sinn, was im heutigen beruflichen Umfeld eine enorme Motivationsquelle darstellt", sagt André Hefti.
Und was tun, wenn die delegierte Aufgabe nicht wie geplant verläuft? "Es ist wichtig, sich den Rahmen noch einmal anzusehen und herauszufinden, was nicht funktioniert hat", meint der Führungskräfte-Coach. "Es geht nicht darum, einen Schuldigen zu suchen, sondern Lösungen zu finden. Eine gesunde Fehlerkultur ist ein starker Hebel für Verbesserungen. Der Mitarbeiter sollte zwei oder drei mögliche Lösungen einbringen können. Viele Führungskräfte möchten die Lösung selbst vorschlagen, aber das kann entmutigend wirken. Indem man dem Mitarbeiter die Möglichkeit gibt, Optionen zur Lösung der Situation vorzuschlagen, kann er sich weiterentwickeln und seine Kompetenzen ausbauen."
Zum Thema
Motivieren, um Misserfolge zu vermeiden
Ein häufiger Grund für Misserfolge ist mangelnde Klarheit bei der Übergabe. "Man kann seine Aufgaben nicht zwischen Tür und Angel, mit einem einfachen Briefing oder einer E-Mail delegieren", erklärt Oliver Mattmann, Geschäftsführer des Unternehmens Peter Beglinger Training. Der Schlüssel zum erfolgreichen Delegieren liegt vor allem in einem ersten strukturierten Gespräch. "Es geht darum, den Mitarbeiter zu motivieren, angefangen bei einer herzlichen Begrüssung." Nachdem das Ziel geklärt und der Mitarbeiter diesem zugestimmt hat, besteht der nächste Schritt darin, ihn zu fragen, wie er die Aufgabe angehen wird. "Damit fördert der Vorgesetzte das Nachdenken, anstatt seine eigene Sicht aufzuzwingen. Anschliessend wird eine konkrete Vereinbarung über die Details, Fristen und Ressourcen getroffen, wobei der Mitarbeiter idealerweise seinen eigenen Zeitplan vorschlagen kann. Das Gespräch sollte mit einem Dank enden, der das Engagement und die Beziehung stärkt."
Letzte Änderung 03.12.2025