"Vertrauen ist der Schlüssel zur Integration von KI"

Das Start-up Reshape Systems entwickelt ein KI-basiertes Risikoanalysetool, unter anderem für den Einsatz in der Raumfahrt oder der Kernforschung. Erläuterungen des CEO und Mitgründers Andrea Apollonio.

Das Unternehmen Reshape Systems will die Identifizierung von Risiken in Spitzenbranchen wie Luft- und Raumfahrt, Nukleartechnik oder Industriemaschinen effizienter und zuverlässiger machen. Dafür hat es einen KI-basierten Copiloten entwickelt, der in der Lage ist, bereits ab der Konzeptphase jedes Element zu analysieren, damit potenzielle Risiken sowie die Auswirkungen auf die Kosten und die Markteinführung der Produkte gemindert werden können. Ein innovativer Ansatz, der dem Start-up den ersten Preis der Ausgabe von 2025 des Schweizer Start-up-Acclerators Tech4Trust einbrachte, der sich auf den Bereich Digitales Vertrauen konzentriert. Der Wert dieses Marktes dürfte laut der Marktforschungsagentur Kings Research bis 2031 auf knapp 1200 Milliarden Dollar ansteigen.

Wie ist Reshape Systems entstanden?

Andrea Apollonio: Der Mitgründer des Start-ups, Thomas Cartier-Michaud, und ich haben lange an Systemen gearbeitet, die für die Sicherheit des Teilchenbeschleunigers des CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung in Genf, entscheidend sind. Diese faszinierende und einzigartige Umgebung hat deutlich gemacht, wie schwer eine Risikoanalyse zu sehr komplexen Systemen durchzuführen ist. Das Problem ist nicht auf Teilchenbeschleuniger beschränkt: Dieselben Herausforderungen gibt es bei Fahrzeugen, Smartphones oder Drohnen. In der Industrie macht der Druck, die Entwicklungszyklen zu verringern und die Markteinführung zu beschleunigen, die Sache noch komplizierter.

Was genau macht Ihr "Risikoanalyse-Copilot?

Apollonio: Es handelt sich um ein Instrument, mit dem sich die Risiken schon in der Konzeptphase eines Projekts minimieren lassen. Risikoanalysen werden im Entwicklungszyklus häufig erst zu einem späten Zeitpunkt vorgenommen, wenn die Lösung eines Problems zehnmal mehr kostet, als wenn man sich schon eine Phase früher darum gekümmert hätte. Unser Copilot kommt im Idealfall schon beim ersten Entwurf zum Einsatz. Er fängt damit an, automatisch eine grosse Menge an technischen Dokumenten – Texte, Schemata, Pläne – zu verarbeiten, unterteilt das System in Sub-Systeme, identifiziert das Material, die Risiken und die Massnahmen zu ihrer Minderung.

In jeder Phase werden die Vorschläge durch den Nutzer geprüft. Es ist ein kollaborativer Prozess, bei dem die KI transparent bleibt. Wir legen ihre Überlegungen offen, vergeben einen Score für die Vertrauenswürdigkeit ihrer Bewertungen und geben den Ingenieuren die Möglichkeit, ihr eigenes Wissen hinzuzufügen. Unser Ansatz beruht auf einer KI, die in der Lage ist, den Experten wirksam zu helfen. In unserem am CERN durchgeführten Pilotprojekt konnten wir die Verringerung der Ingenieurkosten mit mehr als 80% beziffern, wobei zugleich das langfristige Wissensmanagement für die involvierten Experten verbessert werden konnte, was der Zentralisierung der risikobezogenen Informationen in den KI-Modellen zu verdanken ist.

Inwiefern hat die KI den Ansatz der Risikoanalyse verändert?

Apollonio: Die traditionelle Analyse besteht darin, die potenziellen Schwachstellen eines Systems anhand technischer Dokumente manuell zu erkennen. Generative KI ist daher ein hervorragender Motor, um multimodale Daten zu verarbeiten und fortgeschrittene Analysen zu erstellen. Darüber hinaus produziert unser Tool "erklärbare" KI-Ergebnisse, womit gewährleistet ist, dass diese Ergebnisse verständlich und verifizierbar sind. Mit der generativen KI lässt sich eine grosse Menge komplexer Aufgaben erledigen, doch sie benötigt einen strengen Rahmen, um verlässliche Ergebnisse zu liefern. Wir haben daher ein Paket an Instrumenten entwickelt, um die Funktionsweise der KI zu kontrollieren und das Vertrauen in ihre Schlussfolgerungen zu stärken.

Was sind die grössten technischen Herausforderungen?

Apollonio: Die erste besteht darin, die generative KI reproduzierbar und vertrauenswürdig zu machen. Dann geht es darum, eine traditionell konservative Branche zu überzeugen: Die heute verwendeten Methoden der Risikoanalyse sind nahezu dieselben wie diejenigen der ersten Weltraummissionen. Wir stehen also vor der Herausforderung, KI in sensible Umgebungen zu integrieren und dabei die bestehenden Standards nicht zu gefährden, sondern im Gegenteil zu erhöhen.

Welche Branchen nehmen Sie vorrangig ins Visier?

Apollonio: Unser Ansatz ist in gewisser Weise "agnostisch", denn wir automatisieren eher eine Methode als einen technischen Bereich. Unsere ersten Nutzer kommen aus der Kernforschung und der Grossindustrie, aber wir arbeiten auch an Projekten im Zusammenhang mit Industriemaschinen und Drohnen in der Schweiz. Ausserdem ist es uns ein Anliegen, grüne Technologien zu fördern, und wir bauen diesbezüglich mehrere Partnerschaften auf.

Was sind die nächsten Schritte für das Unternehmen?

Apollonio: In den kommenden Monaten wollen wir unsere Partnerschaften mit unseren ersten Kunden, insbesondere im Bereich Nukleartechnik, vertiefen und unser erstes zertifiziertes Produkt auf den Markt bringen. Es ist unser Ziel, das Modell "Software-as-a-Service" in "Service-as-a-Software" umzuwandeln, also einen Copiloten zu schaffen, der automatisch einen vom Nutzer überwachten Service liefern kann. Und nicht zuletzt werden wir weiterhin für den zentralen Gedanken werben, dass Vertrauen der Schlüssel zur Integration von KI ist.


Zur Person/Firma

Andrea Apollonio ist CEO und Mitgründer des Unternehmens Reshape Systems. Das 2024 gegründete Unternehmen, das auf dem Unlimitrust-Campus in Prilly (VD) angesiedelt ist, zählt ein halbes Dutzend Beschäftigte. Apollonio machte seinen Abschluss als Elektroingenieur an der Universität La Sapienza in Rom. Nach seinem Doktorat erhielt er ein Marie-Curie-Stipendium und fing beim CERN in Genf an. Im Laufe seiner Karriere hatte Andrea mehrere Schlüsselpositionen inne, unter anderem war er Präsident des Komitees für Verfügbarkeit und Verlässlichkeit des CERN und Koordinator der Inbetriebnahme des LHC im Jahr 2021. Reshape Systems ist das erste Spin-off des CERN-Programms Venture Connect.

Letzte Änderung 05.11.2025

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