Knapp die Hälfte der Schweizer Beherbergungsbetriebe hat Schwierigkeiten bei der Rekrutierung. Angesichts dieser Krise entwickelt die Branche immer mehr Initiativen, um ihre Berufe attraktiver zu machen, erklärt Martin von Moos, Präsident von HotellerieSuisse.
Im Mai 2022 haben die beiden Zürcher Hotels von 25Hours ihre Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden reduziert und auf vier statt fünf Tage verteilt. Das Ergebnis: Die Bewerbungen nahmen um 30% zu. In der Schweiz haben 44% der Hoteliers Rekrutierungsprobleme, wie aus einer Umfrage von HotellerieSuisse aus dem Jahr 2023 hervorgeht. Laut dem Bundesamt für Statistik waren im ersten Quartal 2025 in der Branche 5'700 Stellen vakant, was gegenüber Ende 2024 ein Plus von 7% bedeutet. Die Bergregionen sind wegen des geringen Angebots an Wohnungen besonders betroffen. Daher gehen viele Akteure der Branche neue Wege, indem sie mehr Flexibilität anbieten, aber auch finanzielle Anreize wie Lohnerhöhungen oder Treueprämien schaffen. Im Juli 2024 sind die Verhandlungen über eine Anpassung der Mindestlöhne in der Branche für 2025 jedoch gescheitert. Martin von Moos, Präsident von HotellerieSuisse, spricht über die Herausforderungen im Umgang mit dem Arbeitskräftemangel.
Was sind die Gründe für diese grosse Personalkrise? Sind bestimmte Betriebe stärker betroffen als andere?
Martin von Moos: Der Mangel ist hauptsächlich auf den Renteneintritt der Baby Boomer zurückzuführen, da nicht genügend junge Leute nachkommen, um sie zu ersetzen. Davon sind alle Branchen betroffen, aber diejenigen, die viel Personal brauchen, wie die Hotellerie, sind es in besonderem Masse. Die Beschäftigten haben auch neue Erwartungen: mehr Flexibilität, eine bessere Work-Life-Balance und eine sinnstiftende Tätigkeit. Die Situation betrifft alle Betriebe, aber einige haben mehr Schwierigkeiten bei der Rekrutierung. In den Bergen macht der Mangel an Wohnungen für die Mitarbeitenden die Aufgabe noch einmal komplizierter.
Was macht der Sektor, um auf diese Herausforderungen zu reagieren?
von Moos: Die Branche setzt auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und stützt sich dabei auf die Sozialpartnerschaft. Durch diesen Rahmen können die Unternehmen ihren Beschäftigten Weiterbildungen anbieten, die durch den Landes-Gesamtarbeitsvertrag (L‑GAV) finanziert werden. Das ist ein Schlüsselinstrument, um Talente zu halten und ihre Entwicklung zu fördern.
Die Verhandlungen über eine Anpassung der Mindestlöhne in der Branche für 2025 hatten jedoch keinen Erfolg...
von Moos: Mangels einer Einigung zwischen den Sozialpartnern hat das Schiedsgericht die Mindestlöhne im Gastgewerbe für 2025 im Januar festgesetzt. Trotz intensiver Gespräche war nicht rechtzeitig ein Kompromiss gefunden worden. Nun wendet sich die Branche der Zukunft zu. Ab dem vierten Quartal 2025 beginnen neue Verhandlungen, um einen moderneren L-GAV zu schaffen, der dann bis zum 1. Januar 2028 verabschiedet werden muss. Das Ziel besteht darin, die Arbeitsbedingungen an die aktuellen Bedürfnisse der Branche anzupassen und deren Attraktivität zu erhöhen. Über die Mindestlöhne für die Jahre 2026 und 2027 wurde bereits eine Einigung erzielt. Die Verhandlungsführer werden sich also auf die vollständige Überarbeitung des Gesamtarbeitsvertrags konzentrieren können. HotellerieSuisse freut sich, dass GastroSuisse nach mehreren Jahren Abwesenheit nun wieder in diesem Rahmen dabei ist.
Wie unterstützt HotellerieSuisse die Unternehmen angesichts dieser Krise?
von Moos: Der Verband setzt auf die Attraktivität der Branche. Im letzten Jahr lancierte er die Kampagne #lovetohost in den sozialen Netzwerken, die die Pluspunkte und die einzelnen Berufe des Hotelgewerbes zur Geltung bringen sollte. Er hat auch das Label "TOP-Ausbildungsbetrieb" für alle Mitgliedsunternehmen eingeführt, um durch eine Begleitung vor Ort die Qualität der Ausbildung zu erhöhen.
In Bezug auf finanzielle Vorteile bietet das Projekt "Staffdeals" den Mitarbeitenden der Hotels, die bei HotellerieSuisse Mitglied sind, die Möglichkeit, nicht-monetäre Zusatzleistungen wie Rabatte oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Und die Initiative Berufe Hotel Gastro, die gemeinsam mit GastroSuisse umgesetzt wird, wurde im vergangenen Jahr mit einem neuen Markenauftritt aufgefrischt. Das Ziel ist, die zehn Ausbildungsberufe der Branche landesweit bei Jugendlichen, Eltern, Lehrpersonen und allen Interessierten besser bekannt zu machen.
Einige Betriebe setzen auf eine 4-Tage-Woche oder finanzielle Anreize, um Talente anzuwerben. Sind das wirksame Lösungen?
von Moos: Die 4-Tage-Woche macht den Arbeitgeber attraktiver und hilft den Beschäftigten dabei, ihre Work-Life-Balance zu verbessern. Allerdings kann sich dieses Modell je nach Grösse, Art, Lage oder Funktionsweise des Unternehmens (Saison- oder Dauerbetrieb) als komplex erweisen. Die Probleme sind unterschiedlich, hängen aber oft mit der Arbeitsorganisation, der Beschäftigtenzahl, den Öffnungszeiten und den angebotenen Leistungen zusammen. Ausserdem muss man die arbeitsrechtlichen Regelungen berücksichtigen. Es gibt Beschränkungen in Bezug auf Nachtarbeit, Überstunden und Ruhezeiten.
Prämien und andere finanzielle Anreize können Teil einer Strategie für eine attraktive Arbeitgebermarke sein. Sie sind jedoch kein Ersatz für eine umfassende Personalpolitik, sondern eine Ergänzung. Die langfristig entscheidenden Faktoren sind die Unternehmenskultur, der Sinn, das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit sowie die Führungsstrukturen.
Konnten diese Initiativen und Entwicklungen die Situation seit 2023 verbessern?
von Moos: Seit dem Ende der Pandemie hat sich die Lage verbessert, aber es gibt immer noch viele Herausforderungen und der Konkurrenzkampf um Nachwuchskräfte ist weiterhin hart. Was die neuen Formen der Arbeitsorganisation angeht, so muss jeder Betrieb die Massnahmen an seine individuelle Situation anpassen, die Bedürfnisse des Personals berücksichtigen und Veränderungen im Gespräch mit der Belegschaft entwickeln.