"Das Büro ist zu einem Ort der Begegnung geworden"

In Zeiten neuer Arbeitsmodelle und angesichts des Arbeitskräftemangels müssen die Unternehmen die Gestaltung ihrer Arbeitsräume überdenken, um weiterhin die besten Talente für sich zu gewinnen.

Homeoffice und hybride Arbeitsmodelle scheinen sich dauerhaft zu etablieren. Eine 2021 von Deloitte durchgeführte Umfrage ergab, dass 88% der Befragten Telearbeit zumindest teilweise in ihren Berufsalltag integrieren wollen. Darüber hinaus haben sich die Gründe verändert, aus denen die Beschäftigten in die Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers kommen. Laut der Beratungsagentur Gallup sind der Austausch mit anderen und die Nutzung von Technologien, die zu Hause nicht verfügbar sind, mittlerweile die Hauptgründe für den Gang ins Büro. Über diese Entwicklungen spricht Samuel Dumelin, Mitgründer von Novu Office, einem Zürcher Unternehmen, das massgeschneiderte Lösungen für die Ausstattung und Gestaltung von Büroräumen anbietet, die an die neuen Realitäten der Arbeitswelt angepasst sind.

Inwiefern profitiert ein Unternehmen davon, die Gestaltung seiner Arbeitsräume anzupassen?

Samuel Dumelin: In vielen Branchen hat sich Homeoffice durchgesetzt und viele Aufgaben können heute von zu Hause aus erledigt werden. Früher wurden die Büros so eingerichtet, dass sich die Angestellten auf ihre Arbeit konzentrieren konnten. Doch angesichts der aktuellen Veränderungen ist der Hauptgrund für die Anwesenheit im Büro heute die Pflege des Austauschs mit den Kolleginnen und Kollegen und den Kunden. Das Büro ist zu einem Ort der Begegnung geworden und die Unternehmen tun gut daran, sich an diese neue Realität anzupassen, um die Motivation ihrer Beschäftigten zu gewährleisten und auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was sind die grössten Herausforderungen für Unternehmen, deren Beschäftigte im Homeoffice arbeiten?

Dumelin: Die zentrale Herausforderung ist wohl, Telearbeit zu ermöglichen und gleichzeitig das Interesse der Mitarbeitenden an ihrem Arbeitsplatz aufrechtzuerhalten, damit weiterhin ein Gefühl von Gemeinschaft und sozialem Rückhalt entsteht, das Innovationen begünstigt. Neue Ideen kommen nämlich nur mit Mühe auf, wenn die Interaktion zwischen den Beschäftigten auf Videokonferenzen beschränkt ist. Wenn aber ein Mitarbeiter beschliesst, ins Büro zu fahren, und dort niemanden aus seinem Team antrifft, ist dieser soziale Aspekt nicht mehr gewährleistet. Hier kann man Abhilfe schaffen, indem man zum Beispiel für jedes Team gemeinsame Präsenzzeiten festlegt. Eine andere Lösung besteht darin, die Büroräume zu Orten zu machen, an denen soziale Interaktionen durch eine aufgelockerte Gestaltung erleichtert werden. Zusätzliche Anreize für die Anwesenheit der Mitarbeitenden sind beispielsweise Sachleistungen wie ein kostenloses Frühstück für diejenigen, die morgens als erste im Büro sind.

Wie sieht das perfekte Büro für hybride Arbeitsformen aus?

Dumelin: Wichtig sind eine gewisse Modularität und Flexibilität. Man sollte offenen Räumen mit weniger Wänden den Vorzug geben, dabei aber geschlossene Räume nicht vergessen, in die man sich zurückziehen kann, um sich besser auf seine Arbeit zu konzentrieren. Die Meetingräume sollten ebenfalls so gestaltet und ausgestattet sein, dass hybride Sitzungen möglich sind: Alle, die im Büro sind, müssen die Möglichkeit haben, sich an einen Tisch zu setzen und sich direkt auszutauschen, während die anderen im Homeoffice die Diskussionen verfolgen und sich ungezwungen beteiligen können. Möglich ist auch, dass man die Nutzung der Firmenräume für nichtberufliche Zwecke in Betracht zieht, indem man sie beispielsweise für einen Filmabend zur Verfügung stellt.

Sollten die Unternehmen ihren Beschäftigten für die Arbeit im Homeoffice das nötige Material stellen?

Dumelin: Einige Arbeitgeber entscheiden sich dafür, sich mit CHF 50 oder 100 an den Kosten für die Arbeit im Homeoffice (Möbel, Strom, Internet, Heizung usw.) zu beteiligen. Auf diese Weise müssen die Beschäftigten Kosten, die im Büro vom Unternehmen getragen würden, nicht aus eigener Tasche zahlen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus. Die Ergonomie des Arbeitsplatzes zu Hause ist entscheidend, denn sie bietet den Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre Aufgaben unter optimalen Bedingungen zu erledigen. Es kommt zu oft vor, dass Angestellte zu Hause acht Stunden am Tag am Wohnzimmertisch arbeiten, was langfristig zu einer Verringerung der Produktivität führen kann. Einen Homeoffice-Arbeitsplatz vollständig auszustatten und einzurichten, bewirkt nicht nur, dass der Mitarbeiter daran erinnert wird, dass sich die Firma um sein Wohlergehen sorgt, sondern führt auch beim Arbeitgeber zu mehr Zufriedenheit.

Wie kann man Mitarbeitende unterstützen, die nicht von zu Hause arbeiten wollen oder können?

Dumelin: Die Herausforderung besteht darin, die Bedürfnisse seiner Beschäftigten richtig zu verstehen. Bei Personen, die vier- oder fünfmal pro Woche ins Büro kommen, ist es keine Lösung, den festen Arbeitsplatz abzuschaffen. Eine Idee wäre es beispielsweise, ein System mit verschiedenen Kategorien einzuführen, das zwischen einem Modell mit fast 100 Prozent Präsenz, einem hybriden Modell und einem Modell mit fast 100 Prozent Homeoffice unterscheidet. Bei denjenigen, die ihre Arbeit nicht von zu Hause erledigen können, zum Beispiel Verkäufer, können Lösungen wie die Aufteilung der Wochenarbeitszeit auf vier Tage oder die Möglichkeit, in einer anderen Filiale zu arbeiten, um näher bei der Familie und dem sozialen Umfeld zu sein, besonders interessant sein.


Informationen

Zur Person/Firma

Samuel Dumelin, Mitgründer des Zürcher Unternehmens Novu Office

Nach seinem Abschluss an der Universität St. Gallen sammelte Samuel Dumelin zunächst Erfahrungen im Bereich Projektmanagement und Consulting, bevor er an die London Business School ging, wo er 2017 einen Master in Management absolvierte. Als 2020 überall auf der Welt drastische Lockdown-Massnahmen verhängt wurden, erkannte er, dass sich die Arbeitsmodelle tiefgreifend verändern würden, und entwickelte daraus eine Geschäftsidee. Mit seinem Geschäftspartner Falk Weber, den er noch aus der Universität St. Gallen kannte, gründete er die Firma Novu Office, die ihren Sitz in Zürich hat.

Letzte Änderung 04.01.2023

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