Firmengründung in Teilzeit – eine gute Idee?

Ein Start-up zu gründen, ohne sein Angestelltenverhältnis zu beenden, bringt besonders in den ersten Phasen der selbstständigen Erwerbstätigkeit viele Vorteile mit sich. Zwei Aktivitäten unter einen Hut zu bringen, erfordert jedoch, dass man sich mit den richtigen Leuten umgibt und delegieren kann. Empfehlungen und Erfahrungsberichte.

Ein Mann sitzt am Computer und macht Notizen in einem Heft

"Der Berufstätigkeit wieder einen Sinn zu verleihen und die eigenständige Zeiteinteilung zu verbessern, sind häufige Gründe, aus denen sich eine Person für eine Firmengründung entscheidet. In einigen Branchen bedeutet die Arbeit als Angestellter, dass man Zeitvorgaben akzeptieren muss, die eine hohe Belastung bedeuten und manchmal nicht mit dem Familienleben vereinbar sind." Trotz dieser Feststellung von Melanie Kovacs, Gründerin von Joypreneurs, einer Firma von Olten für Unternehmenscoaching, bleiben die Schweizerinnen und Schweizer beim Unternehmertum sehr zurückhaltend: Nur 9,1% der erwerbstätigen Bevölkerung in der Schweiz üben eine selbstständige Tätigkeit aus. Schliesslich sind die Bedingungen für eine Beschäftigung häufig vorteilhaft und die mit dem Management eines Unternehmens verbundenen Risiken sind nicht gerade ein Anreiz für diesen Schritt. Im letzten Jahr sahen jedoch mehr als die Hälfte der Schweizer Erwerbstätigen (52,49%) gute Geschäftsgelegenheiten in ihrem Wirtschaftszweig und 45% meinten, dass sie zu einer Gründung in der Lage wären, wie aus dem Global Entrepreneurship Monitor hervorgeht.

Einige entscheiden sich dennoch für eine Firmengründung, allerdings in Teilzeit, neben ihrer Stelle als Arbeitnehmer. Cyril Déléaval, Coach im Verein GENILEM, der innovative Unternehmen in der Genferseeregion begleitet, sieht dies als eine Möglichkeit, das eigene Business Schritt für Schritt aufzubauen. "Der Aufbau eines neuen Unternehmens kann mehrere Jahre dauern und in den ersten Phasen besteht ein hohes Risiko, Fehler zu machen. Bevor man seine gesamten Ersparnisse und die 2. Säule investiert, kann es eine gute Idee sein, schrittweise vorzugehen und zunächst weiter angestellt zu bleiben. So kann sich der Unternehmer mit mehr Vorsicht einen Platz auf dem Markt erarbeiten. Letztlich wird durch diese Vorgehensweise nicht ausgeschlossen, dass man sich im Erfolgsfall ausschliesslich seinem Start-up widmet oder eben den Rückwärtsgang einlegt, wenn das Vorhaben scheitern sollte."

Partner mit ergänzenden Eigenschaften finden

Der Herausforderung, ein eigenes Business aufzubauen und gleichzeitig die Sicherheit eines festen Jobs beizubehalten, hat sich Lassana Dioum gestellt, der als Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei PBM in Genf tätig ist. 2015 gründete er die Plattform "iFluenz", die Kontakte zwischen den Marken und nicht weniger als 25'000 Influencern in den sozialen Netzwerken herstellt. "Durch Instagram sind neue Gelegenheiten entstanden, die es zu ergreifen galt."

Doch der Jurist hat sich nicht allein in das Abenteuer begeben. Er tat sich mit Yann Benichou zusammen, einem Informatiker, zu dem er volles Vertrauen hatte. "Wir konnten dadurch nicht nur unsere Kräfte vereinen, sondern auch einige Aufgaben so aufteilen, wie es zu unseren Kompetenzen passt. Da es sich um eine Plattform mit einem hohen Automatisierungsgrad handelt, hatte ich ausserdem die Möglichkeit, meine Tätigkeit als Fachanwalt für Steuerrecht weiterhin uneingeschränkt auszuüben."

Automatisierung und Outsourcing

Es ist nicht immer leicht, eine Mitgründerin oder einen Mitgründer zu finden. Obwohl es möglich ist, ein Unternehmen allein zu gründen und zu betreiben, sollten bestimmte Arbeiten lieber delegiert werden, indem man externe Firmen beauftragt oder sich mit digitalen Tools behilft. "Sogenannte No-code-Plattformen und generative KI sind für viele Aufgaben sehr nützlich, insbesondere für die Erstellung einer Website oder das schnelle Verfassen von guten Texten, sagt Melanie Kovacs. Ausserdem ist es manchmal unerlässlich, bestimme Aufgaben auszulagern, beispielsweise die Buchhaltung."

Gutes Zeitmanagement

Wer sich für eine selbstständige Erwerbstätigkeit entscheidet, wünscht sich häufig mehr Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitszeit. "Um zwei Aktivitäten, also eine selbstständige und eine unselbstständige, zu verbinden, braucht man jedoch ein ausgeprägtes Organisationsvermögen. Schlechtes Zeit- oder Aufgabenmanagement kann das Risiko von Überlastung oder Burnout mit sich bringen", warnt Cyril Déléaval.

Nach Ansicht von Melanie Kovacs, der Gründerin von Joypreneurs in Olten, geht es darum, die eigenen Ziele und den potenziellen Kundenkreis genau zu definieren: "Aus dem Wunsch heraus, ein breites Kundenspektrum zu bedienen, nehmen viele Unternehmende zu unterschiedliche und zu viele Aufträge an. Nein sagen zu können, ist manchmal der beste Weg, um langfristig zu bestehen."


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Treuepflicht und Konkurrenzverbot gegenüber dem Arbeitgeber

Die im Obligationenrecht verankerte Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber gilt selbst dann, wenn der Arbeitsvertrag keine Konkurrenzverbotsklausel enthält. "Grundsätzlich stellt sich diese Frage nicht für Personen, die ihre Selbstständigkeit in einer Branche aufbauen wollen, die sich von der ihres Arbeitgebers unterscheidet", erklärt Cyril Déléaval. "Der Arbeitgeber könnte sich aber als geschädigt ansehen, wenn ein Beschäftigter für sein eigenes Unternehmen dieselben Kompetenzen nutzt oder denselben Kundenkreis anspricht."

Unternehmerinnen und Unternehmer in der Belegschaft zu haben, kann sich allerdings für einige Arbeitgeber als vorteilhaft erweisen. "Das gilt besonders für Unternehmen, die regelmässig mit Geschäftsführungen zusammenarbeiten", berichtet Lassana Dioum, Gründer der Plattform iFluenz. "Mir persönlich hilft zum Beispiel meine Erfahrung als Unternehmer dabei, mich denjenigen, die ich als Anwalt berate, näher zu fühlen."

Letzte Änderung 03.04.2024

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