AG oder GmbH – was ist die richtige Wahl?

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer zögern mit der Umwandlung der Rechtsform ihres Unternehmens in eine Aktiengesellschaft (AG) ab dem Moment, in dem die erzielten Einnahmen oder das eingeworbene Kapital es erlauben würden. Dieser grosse Schritt bietet für die Anteilseigner und die Investoren einige Vorteile. Doch auch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) findet immer mehr Anhänger.

Ein Mann vor zwei Pfeilen, die in entgegengesetzte Richtungen weisen, und einem Fragezeichen.

Im Jahr 2019 bestand die Schweizer Firmenlandschaft aus 601'392 Unternehmen, von denen etwas mehr als die Hälfte Einzelunternehmen waren. Die übrigen Firmen waren grösstenteils als Aktiengesellschaft (AG – 118'191) oder als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH – 118'121) eingetragen. Während die AG wegen ihrer wenig restriktiven Form früher bei den Unternehmensführungen deutlich beliebter war, bekommt sie mittlerweile Konkurrenz von der GmbH. Dabei handelt es sich um eine neue Entwicklung, weiss Anne Mirjam Schneuwly, die in Gesellschaftsrecht promoviert hat und als Dozentin an der Universität Zürich tätig ist: "Traditionell ist die AG aus Sicht der Gläubiger und Investoren die sicherste Rechtsform". Für die Gründung einer AG ist schliesslich ein Kapital von mindestens CHF 100'000 erforderlich, während bei einer GmbH CHF 20'000 ausreichen.

Seit einigen Jahren nimmt jedoch das Interesse an der GmbH stetig zu. "Bis 2008 durfte das Stammkapital einer GmbH nicht mehr als zwei Millionen betragen. Die Abschaffung dieser Obergrenze hat die Attraktivität dieser Rechtsform für Gläubiger und Investoren erhöht. Heute ist mit einer GmbH nicht zwangsläufig wenig Kapital verbunden", erläutert Anne Mirjam Schneuwly. Die Organisation einer GmbH beinhaltet jedoch auch, dass die Anteilseigner, also die Gesellschafterinnen und Gesellschafter, in das Management des Unternehmens eingebunden werden. Im Rahmen einer AG begnügen sich die Aktionärinnen und Aktionäre damit, dass sie Kapital beisteuern.

Ziele definieren

Für ein Unternehmen, das grosse Mengen an Kapital benötigt oder sein Wachstum finanzieren will, scheint die AG die klügste Wahl zu sein. Denn diese Rechtsform punktet mit einer grösseren Flexibilität und gewährleistet zudem, dass die Aktionäre anonym bleiben und ihren Anteil ohne Probleme verkaufen können, wenn sie dies wünschen. "Für eine junge Firma, die Talente anwerben will, bietet diese Regelung auch die Möglichkeit, ihre Beschäftigten in Form von leicht übertragbaren Anteilen zu entlohnen", sagt Michele Vitali, Leiter der Abteilung Start-up-Finanzierung bei LEXR.

Die Freiheit, über die die Aktionäre dank der Form der AG verfügen, geht jedoch für die Firma mit einem gewissen Verlust ihrer Kontrolle über die eigenen Anteilseigner einher. "Ein Unternehmen, das einen Einfluss auf die Zahl seiner Gesellschafter behalten möchte oder wünscht, dass sich die Beteiligten in das Management und in den Alltag der Firma einbringen, ist mit der Rechtsform der GmbH besser bedient", ergänzt der Zürcher Rechtsexperte.

Durch die Aufhebung der Kapitalobergrenze passt die GmbH jetzt auch zu Firmen, die gegenüber künftigen Gläubigern ihre Zahlungsfähigkeit unter Beweis stellen wollen. "Die Gesellschafter können beschliessen, sich eine Pflicht zur Zahlung zusätzlicher Beträge aufzuerlegen, die dem Doppelten ihrer ursprünglichen Beteiligung entsprechen dürfen", erläutert Anne Mirjam Schneuwly. Ein Gesellschafter, der CHF 10'000 einbringt, kann also einwilligen, dass er bei Bedarf oder im Fall einer Insolvenz CHF 20'000 investieren wird, um das Vertrauen externer Gläubiger und Investoren zu stärken.

Schwieriger Übergang

Für eine GmbH, die sich in eine AG umwandeln will, besteht die grösste Aufgabe darin, das nötige Geld aufzubringen und dies gegenüber dem Notar und dann beim Handelsregister nachzuweisen. "Das Mindestkapital für die Umwandlung zu besorgen, bleibt die grösste Hürde, doch auch die Kosten können durch die administrativen Schritte – an denen verpflichtend ein Notar und ein Prüfer zu beteiligen sind – rasch auf rund CHF 4'000 bis CHF 5'000 steigen. Man muss jedoch wissen, dass dieser Betrag aus den benötigten CHF 100'000 Gesellschaftskapital entnommen werden kann", führt Michele Vitali aus.

Der Rechtsrahmen, durch den diese Statuten geregelt werden, könnte eventuell eine Reform vertragen. Dies betrifft vor allem die Freiheit für die Beteiligten und die Investoren, ihre Anteile zu übertragen. "Dieser Zwang ist ein Nachteil für die GmbH, die dadurch für Unternehmer, die frei über ihre Gesellschaftsanteile verfügen und sie ohne einstimmige Zustimmung der anderen Parteien übertragen wollen, weniger attraktiv ist", gibt Anne Mirjam Schneuwly zu bedenken.

Die Freiburger Juristin beschäftigt auch die Frage nach der Schaffung einer ganz neuen Rechtsform nach dem Vorbild der in Grossbritannien existierenden "Limited"-Gesellschaft, die nur ein symbolisches Stammkapital von CHF 1 erfordern würde. "CHF 20'000 aufzubringen, bleibt potenziell eine Hürde, vor allem für ein Mikro-Unternehmen, das nur aus einer Person besteht." Michele Vitali äussert diesbezüglich jedoch einige Bedenken: "Da das Stammkapital dazu dient, die finanzielle Stabilität gegenüber den Gläubigern zu versichern, wird ein nach diesem Modell gegründetes Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten haben, das nötige Kapital für den Betrieb zu beschaffen".


Informationen

Zum Thema

GmbH und AG – die wichtigsten Unterschiede

1.    Höhe des Kapitals: Für eine GmbH beläuft sich der Mindestbetrag auf CHF 20'000. Für eine AG sind mindestens CHF 100'000 erforderlich, aber nur ein Teil davon (CHF 50'000 oder 20%, der höhere dieser beiden Beträge) muss schon zum Zeitpunkt der Gründung der AG gedeckt sein.

2.    Anonymität der Anteilseigner: Die Eintragung im Handelsregister ist sowohl für die GmbH als auch die AG Pflicht. Im Fall einer GmbH müssen jedoch auch die Namen aller Gesellschafter im Handelsregister aufgeführt werden. Zudem muss jede Übertragung von Anteilen ein Genehmigungsverfahren mit Zustimmung sämtlicher Anteilseigner durchlaufen und den zuständigen Behörden mitgeteilt werden. Bei einer AG müssen dagegen lediglich die Namen der Mitglieder des Verwaltungsrates veröffentlicht werden. Die Anteilseigner können anonym bleiben und ihre Anteile frei übertragen.

3.    Haftung der Anteilseigner: Bei einer Überschuldung oder einem Konkurs der Firma haften die Aktionäre der AG nur bis zur Höhe ihrer Stammanteile mit ihrem persönlichen Vermögen. Bei einer GmbH haften die Gesellschafter ebenfalls in Höhe ihres Stammbeitrags (oder sogar in Höhe der obligatorischen Zusatzzahlungen, wenn dies im Unternehmen so vorgesehen ist). Das Privatvermögen darf grundsätzlich auch nicht herangezogen werden, um die Schulden der Firma zu begleichen, ausser in Fällen grober Fahrlässigkeit. Dies kann gerade bei einer GmbH durchaus vorkommen, da die Gesellschafter dort auch Aufgaben im Management übernehmen.

Letzte Änderung 03.05.2023

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