"In E-Mails vergessen wir manchmal das Einmaleins der Höflichkeit"

Eine E-Mail zu schreiben, erscheint einfach, doch man muss die Regeln für diese Art der Kommunikation kennen. Die Expertin Sandrine Mélé erklärt, welche Fehler man nicht begehen sollte. 

E-Mails sind praktisch und schnell und haben sich in den meisten Unternehmen als wichtigstes Kommunikationsmittel durchgesetzt. Dennoch wird zu oft aus Unkenntnis gegen die Regeln und Umgangsformen verstossen. Im Rahmen von Romandie Formation – einem Angebot des Arbeitgeberverbands Centre Patronal – bringt Sandrine Mélé den Angestellten und Chefs bei, worauf sie beim Schreiben von E-Mails achten müssen. Hier sind ihre Tipps. 

Welche wesentlichen Regeln gilt es beim Schreiben einer beruflichen E-Mail zu beachten? 

Sandrine Mélé: Man sollte im Hinterkopf haben, dass eine E-Mail keine WhatsApp-Nachricht ist. Es stimmt, dass E-Mails mehr Flexibilität im Hinblick auf den Schreibstil und den Ton erlauben als die sehr streng formalisierten Briefe. Das entbindet uns aber nicht davon, bestimmte Gepflogenheiten einzuhalten, selbst wenn wir einem Kollegen oder einer Kollegin schreiben, die wir gut kennen. Man weiss ja nie, an wen die Mail eventuell weitergeleitet wird. Sie kann leicht in Kreise geraten, für die sie nicht vorgesehen war. Deshalb ist es sehr wichtig, Abkürzungen, umgangssprachliche Wendungen sowie "Hi" oder "Na?" und Ähnliches zu vermeiden. Man muss professionell bleiben.

In E-Mails vergessen wir manchmal das Einmaleins der Höflichkeit. "Guten Tag", "danke" und "schönen Nachmittag" zu sagen, ist Pflicht. Heute werden zu viele E-Mails ohne solche Grussformeln verschickt. Das ist so, als würde jemand einfach in Ihr Büro platzen. Was würden Sie über jemanden denken, der direkt mit dem Satz "kannst du mir das kopieren" hereinkommt? Das ist respektlos. 

Was ist mit Smileys? Muss man sie verbannen? 

Mélé: In den sozialen Netzwerken sind sie total angesagt und so halten sie allmählich auch in E-Mails Einzug. Momentan ist es noch eine Grauzone. Ich denke, dass man es nicht übertreiben sollte. Dagegen sind Sätze in Grossbuchstaben, die so wirken, als würde man schreien, absolut tabu. Das ist sehr aggressiv. 

Welche Grussformeln sind in E-Mails angebracht? 

Mélé: Die traditionellen langen und blumigen Sätze, die vor allem in französischen Briefen üblich sind, werden vereinfacht. Häufig liest man einfach "Viele Grüsse" oder "Beste Grüsse" in Mails an einen Vorgesetzten, während bei einem Kollegen, zu dem man regelmässig Kontakt hat, auch ein "Liebe Grüsse" gut passt.

Interessant ist, dass viele bei dem französischen Ausdruck "Bien à vous" denken, er sei freundschaftlich gemeint und bedeute so viel wie "Alles Gute", sodass man ihn für Personen verwendet, zu denen man ein enges Verhältnis hat. Es handelt sich jedoch um eine sehr neutrale Formulierung, die aus dem Englischen übernommen wurde. Insofern kann man sich in fast allen Konstellationen auf diese Weise verabschieden. 

Gibt es Unterschiede zwischen französischen und deutschen Muttersprachlern? 

Mélé: Erstere neigen stärker dazu, ihre Nachrichten etwas "einzukleiden" und einen persönlichen Kontakt herzustellen über Formulierungen wie "Ich hoffe, dass es Ihnen gut geht". Letztere sind in der Regel direkter und weniger förmlich. Im Deutschen hat ein Wort oft nur einen einzigen Sinn, anders als das Französische, wo sich ein Wort in viele Richtungen "entfalten" kann. 

Ist es bei der täglichen E-Mail-Flut nicht gerade gut, schnell auf den Punkt zu kommen? 

Mélé: Natürlich. Nichts ist schlimmer, als drei oder vier Mal den Bildschirm runterzuscrollen, um den Anfang und das Ende zu lesen. Eine berufliche E-Mail muss effizient sein, also eine klare Information übermitteln. Man kann sich aber kurz fassen und trotzdem höflich sein. Dafür sollten Sie Verschachtelungen mit vielen Relativsätzen und Partizipien vermeiden. Ein guter Satz enthält höchstens 15 Wörter und präsentiert nur einen Gedanken. 

Welche typischen Fehler sollte man vermeiden? 

Mélé: Die E-Mail nicht noch einmal zu lesen, bevor man sie abschickt, gehört zu den häufigsten Fehlern. Eine E-Mail zu schreiben, ist so einfach im Vergleich zu einem Brief, den man unter anderem in einem Textverarbeitungsprogramm schreiben und formatieren muss. In der Vergangenheit hatten wir durch diesen langen Prozess die Chance, Abstand zum Text zu bekommen; nicht nur um Rechtschreibfehler zu finden, sondern auch um die Wortwahl abzuwägen.

Ein weiterer Fehler besteht darin, der "Kopierkrankheit" zu erliegen, von der immer mehr Mitarbeiter in einem Unternehmen betroffen sind. Bei so vielen Menschen wird das Postfach mit E-Mails vollgestopft, die sie gar nicht betreffen. 

Gibt es für den Versand und den Empfang von E-Mails implizite Regeln? Kann man zu jeder Tageszeit Mails verschicken? 

Mélé: Vor einigen Jahren war man von E-Mails, die ausserhalb der Arbeitszeiten verschickt wurden, noch schockiert. Heute hat sich das geändert, denn aufgrund der vielen verschobenen Arbeitszeiten und der Teilzeitmodelle werden die Mails unterschiedlich schnell gelesen... Sie können problemlos eine Mail um drei Uhr nachts oder am Wochenende versenden. Sie dürfen dann nur keine rasche Antwort von Ihrem Kollegen erwarten.

Es ist wichtig, solche Erwartungen vorher zu klären. Man kann auch in der Nachricht schreiben, dass man nicht mit einer sofortigen Antwort rechnet, um den anderen zu beruhigen. 

Ist es in dringenden Fällen nicht besser, zum Telefon zu greifen? 

Mélé: Nein. Bei mir ist es so: Wenn Sie mich erreichen wollen, rate ich Ihnen, mich per Mail zu kontaktieren. Ich gebe sehr häufig Seminare und da kann ich leichter auf E-Mails antworten, als ans Telefon zu gehen.

Es gibt aber Fälle, in denen der Anruf eindeutig die bessere Wahl ist. Zum Beispiel, wenn man jemanden zurechtweisen oder ihm eine schwierige Aufgabe übertragen will. So kann man sicherstellen, dass die Botschaft auch wirklich verstanden wurde.


Informationen 

Zur Person/Firma

Porträt von Sandrine Mélé, Kommunikationstrainerin

Sandrine Mélé arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Bereich Kommunikation. Sie war zunächst Marketingleiterin bei einem Telekommunikationsunternehmen, dann Kommunikationsleiterin bei der FNAC Schweiz und hat sich anschliessend auf Weiterbildungen spezialisiert. Die ehemalige Professorin an der IPAC Design Schule in Genf unterrichtet heute in verschiedenen Bildungszentren wie Romandie Formation, VOXEA sowie beim Kanton Genf.

Letzte Änderung 03.01.2019

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