Der Verkauf oder die Niederlassung im Ausland sind ein entscheidender Wachstumsmotor für die Schweizer Wirtschaft. Drei Experten beschreiben die Strategien, die den KMU für ihre Internationalisierung zur Verfügung stehen.

In der Schweiz, wo hochspezialisierte Bereiche einen grossen Teil der Wertschöpfung ausmachen, internationalisieren sich selbst die kleinsten Unternehmen. "Dies gilt insbesondere für Dienstleistungen mit sehr hoher Wertschöpfung. Kleinstunternehmen, die in zukunftsträchtigen Bereichen wie Kryptowährungen oder FinTech tätig sind, finden problemlos interessante Geschäftsmöglichkeiten in weit entfernten Volkswirtschaften wie den Vereinigten Staaten oder Singapur", beobachtet Pascal Wild, Direktor der Hochschule für Wirtschaft in Freiburg.
Um ihre Internationalisierung erfolgreich zu gestalten, müssen produzierende Unternehmen zunächst anhand von Marktstudien verstehen, wie ihr Segment im Zielland funktioniert. "Anschliessend können die Hersteller eine oder mehrere der drei Exportstrategien verfolgen", erklärt Johan Lindeque, Forscher an der Fachhochschule Nordwestschweiz. "Sie können sich für die Aggregation entscheiden, bei der dasselbe Produkt auf ähnlichen Märkten verkauft wird, um das Volumen zu steigern." Ein Unternehmen kann beispielsweise beschliessen, seine Schweizer Schokolade auf dem deutschen oder österreichischen Markt zu verkaufen. "Wenn diese Option nicht in Frage kommt, kann das Unternehmen die Strategie der Anpassung wählen", fährt der Experte fort. "Bei dieser Methode muss das Produkt auf die Bedürfnisse des Zielmarktes abgestimmt werden." So muss beispielsweise eine Maschine an die Sicherheitsstandards in den USA angepasst werden, die sich von denen in der Schweiz unterscheiden. "Schliesslich gibt es noch die Arbitrage, bei der die Unterschiede zwischen inländischen und ausländischen Kundensegmenten ausgenutzt werden, beispielsweise der Ruf der Schweizer Qualität." Das Ziel besteht darin, im Ausland höhere Preise festzulegen.
Zuerst Europa
In den meisten Fällen beginnt die Internationalisierung mit Märkten, die dem Herkunftsland des Unternehmens geografisch, kulturell, wirtschaftlich und administrativ nahe stehen: 84% der exportierenden KMU aus der Schweiz sind in West- und Südeuropa präsent, 37% in Nordamerika und 26% in China (gemäss der Swiss International Entrepreneurship Survey 2023-2024). Als nächstes wählen Unternehmen am liebsten Märkte, in denen bereits eine Nachfrage nach ihren Produkten besteht. "Die Erschliessung eines neuen Marktes ex nihilo (Entwicklung eines Marktes, ohne dass bereits eine Nachfrage oder ein Zugang besteht, Anm. d. Red.) ist ein komplexer Prozess, der viele Ressourcen erfordert", sagt Professor Pascal Wild.
Internationale Messen, auf denen Akteure derselben Branche an einem Ort zusammenkommen, sind ein idealer Einstieg für Unternehmer, die exportieren oder sich in einem neuen Markt etablieren möchten. "Diese Veranstaltungen ermöglichen es Exporteuren, Kontakte zu potenziellen Partnern oder Vertriebsfirmen zu knüpfen, die unbestreitbare Vorteile für die Schaffung fruchtbarer Synergien darstellen", betont Pascal Wild.
Vom Online-Handel zur Tochtergesellschaft
Der Online-Handel ermöglicht es einer wachsenden Zahl von Unternehmen zu exportieren. "Das ist unter anderem eine hilfreiche Methode, um bei geringen Kosten die Reaktionsfähigkeit entfernter Märkte zu testen", sagt der Forscher Johan Lindeque. "Wenn sich das Interesse an dem Produkt bestätigt, kann das Unternehmen grössere Exporte in Betracht ziehen." "Der Online-Handel eignet sich vor allem für Marken, die direkt an Verbraucher liefern (B2C)", ergänzt Alain Graf, Seniorberater Asien-Pazifik bei Switzerland Global Enterprise und Experte für China. "Industrieunternehmen, die mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten, können sich damit kaum zufrieden geben. Sie müssen sich mit lokalen Händlern zusammentun und ihre Partnerschaft pflegen. Für weit entfernte Märkte bedeutet dies oft, dass Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, die sich speziell mit den Geschäften in einem bestimmten Markt oder einer bestimmten Region befassen, mit häufigen Reisen, um Kunden und Partner zu treffen."
In den meisten Fällen beginnen Unternehmen damit, ihre Waren über einen Vertriebspartner zu exportieren, und lassen sich später im Zielland nieder, indem sie eine Tochtergesellschaft gründen, wenn die Verkaufsmengen ausreichend sind.
Diversifizierung der Absatzmärkte
Der Welthandel ist manchmal volatil. Deshalb fordern Experten eine Diversifizierung der Zielmärkte. Aber ist es denkbar, einen Absatzmarkt durch einen anderen zu ersetzen, wenn beispielsweise einer von ihnen sehr hohe Zölle einführt? "Das ist kein Parameter, den man je nach Konjunkturlage anpassen kann. Ausserdem kann ein Unternehmen, das stark von einem einzigen Markt abhängig ist, nicht unbedingt seinen gesamten Umsatz durch einen anderen ersetzen", fährt Alain Graf fort.
Um die Auswirkungen möglicher Zölle abzufedern, rät der Experte exportierenden Unternehmen, ihre Waren nicht zu verkaufen, sondern zu vermieten. "Das Unternehmen kann beispielsweise eine Maschine in das betreffende Land schicken. Es muss dann einmalig die Zollgebühren entrichten, kann die Maschine anschliessend aber an mehrere Kunden vermieten. Da es sich bei der Vermietung um eine Dienstleistung handelt, unterliegt diese keinen Zöllen. Dadurch lassen sich die Zollgebühren begrenzen, sobald sich die Maschine im Importland befindet. Es sei jedoch daran erinnert, dass diese Methode strengen Bedingungen unterliegt und keinesfalls eine schnelle oder punktuelle Lösung darstellt."
Zum Thema
Herausforderung Geistiges Eigentum
Jedes Unternehmen, das international tätig werden möchte, muss darauf achten, sein geistiges Eigentum durch Patente oder Markenrechte zu schützen. Nach Einschätzung von Professor Pascal Wild ist "die Nichtbeachtung des geistigen Eigentums bis heute ein grosses Risiko für Exporteure". In Europa und Nordamerika gibt es Schutzregelungen, und die Gesetze werden im Allgemeinen auch durchgesetzt, beobachtet Alain Graf von Switzerland Global Enterprise. "Auch in Japan, Südkorea und Singapur herrscht Rechtssicherheit, was jedoch auf andere asiatische Länder nicht unbedingt zutrifft. Aber die Situation ändert sich. Insbesondere China verfügt seit einigen Jahren über eigene Gerichte, die sich speziell mit Fragen des geistigen Eigentums befassen." Dennoch bleibt der Schutz in diesem Land wie auch in anderen Märkten eine Herausforderung, insbesondere für hochspezialisierte KMU, deren Wettbewerbsvorteil oft direkt von ihrem Know-how abhängt.
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Letzte Änderung 01.10.2025