Selbstständigerwerbende: Die Kunst, durch Kommunikation bekannt zu werden

Wer unternehmerisch aktiv wird, muss sich einer Sache bewusst sein: Seine eigenen Dienstleistungen und Produkte zu verkaufen, erfordert die Fähigkeit, von sich reden zu machen. Im Zeitalter von Social Media steht eine riesige Bandbreite an Kommunikationsformen zur Auswahl und die Entwicklung nimmt kein Ende. Ein Überblick.

Eine Person schreibt auf einer Computertastatur, ringsum sind mehrere Piktogramme eingeblendet.

Sein eigener Chef zu sein, ist etwas, wovon viele Schweizerinnen und Schweizer träumen. Gemäss dem jüngsten Bericht des Global Entrepreneurship Monitor (GEM), der das Niveau der unternehmerischen Aktivität bewertet, nahm der Wunsch nach einer selbstständigen Tätigkeit 2021 um 6,1% gegenüber dem Vorjahr zu. Ein solches Abenteuer sollte jedoch akribisch vorbereitet werden. "Der erste Punkt, an dem man unbedingt arbeiten muss, ist die Bekanntheit", erklärt Julien Intartaglia, Dekan am Institut für Kommunikation und Erlebnismarketing an der Fachhochschule Arc in Neuenburg. "Es ist nahezu unmöglich, sich ein Unternehmen aufzubauen, wenn die Leute es nicht kennen."

Um bekannter zu werden, muss man ein zentrales Element in den Blick nehmen: die Zielgruppe. "Sein Marktpotenzial zu analysieren, bedeutet auch, dass man sich über die Gewohnheiten der Kunden, ihre wirtschaftliche Lage, ihr Verhältnis zu den vom Unternehmen angebotenen Dienstleistungen und Produkten informiert", führt Julien Intartaglia fort. "Es ist auch möglich, noch weiter zu forschen, indem man sich mit ihren Ängsten und Befürchtungen oder frustrierenden Umständen beschäftigt. Das Ziel ist dann die Entwicklung eines Produktes oder einer Dienstleistung, die auf diese Emotionen Bezug nimmt." Nach Meinung des Experten schenken viele Unternehmen diesem Schritt zu wenig Beachtung: "Das Phänomen nennt sich ‚Marketing-Myopie, also eine Form von Kurzsichtigkeit, was in etwa so ist, als würde man ein Flugzeug lenken müssen, ohne die Ruder in der Hand zu haben." So sieht es auch Emilie Hawlena, Gründerin des Unternehmerinnen-Netzwerks Genuine Women. "Wenn man ein Produkt entwickelt, ist die Teasing-Phase sehr wichtig und man braucht dafür ein bis drei Kunden-Avatare, die ideale Kunden repräsentieren. Dieser Probelauf hilft dabei, die Kommunikation richtig anzupassen", erklärt sie.

Einige Jungunternehmerinnen und ‑unternehmer wenden sich für die Durchführung einer Marktanalyse an eine Kommunikationsagentur, aber es gibt auch günstigere Lösungen. "Eine gute Gelegenheit ist es, Studierenden an der FH vorzuschlagen, den Fall zum Beispiel im Rahmen einer Bachelor-Arbeit zu untersuchen", rät Julien Intartaglia. "Diese Lösung kostet nichts und ist für beide Seiten von Nutzen." Ausserdem ist es durchaus möglich, seine potenziellen Kunden selbst ins Visier zu nehmen. "Eine andere Idee besteht darin, im eigenen Umfeld Befragungen durchzuführen, aus denen sich schon interessante Ansätze für weitere Überlegungen und Entwicklungen ergeben können."

Den richtigen Kanal wählen

Ein genaues Bild vom idealtypischen Kunden ist auch der Schlüssel für die Nutzung geeigneter Kommunikationskanäle. "Es bringt nichts, Werbung auf LinkedIn zu machen, wenn die Zielgruppe 15-jährige Jugendliche sind", macht Emilie Hawlena deutlich. Die sozialen Netzwerke haben im Hinblick auf die Art, ein Produkt zu bewerben, massive Veränderungen mit sich gebracht. "In Zeiten des ‚Personal Branding‘ ist es heute unumgänglich, etwas von sich selbst einzubringen und sich in Szene zu setzen", betont die Gründerin von Genuine Women. "Wichtig ist, etwas von sich zu erzählen. Über das Produkt hinaus interessieren sich die Leute für die Person hinter dem Projekt und bauen eine Bindung zu ihr auf." Zum Beispiel: "Ich denke da an eine Frau, die ihre eigene Marke für Periodenunterwäsche auf den Markt gebracht hat. Schon bevor es das Produkt überhaupt gab, hat sie in den sozialen Netzwerken darüber berichtet, wie sie arbeitet. Sie hat ihre Follower sogar in die Produktionsfabrik mitgenommen. Als sie dann ihre Crowdfunding-Kampagne gestartet hat, war ihr Ziel nach vier Stunden erreicht! Sie hatte sich eine dermassen engagierte Community aufgebaut, dass das Ergebnis all ihre Erwartungen übertraf."

Obwohl die sozialen Medien im Bereich der Kommunikation in den letzten Jahren einen wichtigen Platz eingenommen haben, sind auch klassischere Werbeträger und Medien weiter im Rennen. Der Dekan des Instituts für Kommunikation und Erlebnismarketing an der Fachhochschule Arc in Neuenburg ist davon überzeugt. "Man sollte keine Scheu haben, die Medien zu nutzen", lautet der Tipp von Julien Intartaglia. "Man kann sich an Journalisten wenden und von seinen Produkten oder Dienstleistungen erzählen, ohne dass es explizit um Werbung geht. Man bringt eher eine Dynamik von Austausch und Empfehlungen in Gang, um ausgewählte Personen zu erreichen." Auch aus Sicht von Emilie Hawlena sind die Medien ein hervorragendes Mittel, um Bekanntheit zu erlangen, und sie bieten noch einen weiteren Vorteil: "Die Presse hilft dabei, das Produkt solider zu machen, ihm Glaubwürdigkeit und sogar einer Form von Anerkennung zu verleihen."

Direkte Kommunikation bleibt also eine wichtige Säule bei der Lancierung eines Unternehmens. Und es reicht nicht, eine Facebook-Seite zu erstellen. "Die sozialen Netzwerke werden echte Begegnungen nie ersetzen können", warnt Emilie Hawlena. "Man muss sich trauen, auch wenn das Produkt noch nicht perfekt ist. Wichtig ist, dass man zum Gesprächsthema wird!"


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Ein Online-Auftritt ist für jedes KMU unverzichtbar. Um sich die Arbeit leichter zu machen, kann dieser Teil entweder Studierenden an Fachhochschulen oder einem darauf spezialisierten Unternehmen übertragen werden. Marc K. Peter, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), fasst es so zusammen: "Es gibt heutzutage unendlich viele Tools (z.B. in der Cloud), dank deren die KMU mit den Grossunternehmen mithalten können". Da es manchmal schwer zu wissen ist, wo man anfangen soll, empfiehlt der Herausgeber der Studie "Digitale Transformation KMU" sieben Handlungsfelder. "Es handelt sich um einen roten Faden, der den Unternehmen dabei hilft, ihre digitale Transformation zu planen und schrittweise umzusetzen. Entscheidend ist, nicht zu lange zu warten und verschiedenen Lösungen zu testen und dabei das Feedback der Beschäftigten und der Kunden zu berücksichtigen."

Letzte Änderung 07.09.2022

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