"Unsere Zielgruppe sind echte Fleischliebhaber und Flexitarier"

Die Grande Boucherie du Molard in Genf existiert unter diesem Namen schon seit 100 Jahren. Das Geschäft konnte die Jahrzehnte überdauern und hat dabei immer wieder Neuheiten eingeführt: emissionsfreie Lieferung, vegetarische Gerichte zum Mitnehmen oder auch Feinkostartikel.

Wie lässt sich eine jahrhundertealte Branche wie die Metzgerei modernisieren? Diese Frage beschäftigt viele KMU in der Schweiz, die auch jüngere Kunden ansprechen wollen und Lehrlinge suchen. Serge Belime, seit 2000 Geschäftsführer der Grande Boucherie du Molard und seit 2007 auch Miteigentümer, will sein hundertjähriges Unternehmens für die Zukunft rüsten. Er spricht über die Herausforderungen der Branche und seine Leidenschaft für den Beruf.

Wie positionieren Sie Ihre Metzgerei in Konkurrenz zu Direktvertrieb und Handelsketten?

Serge Belime: Unsere Zielgruppe sind echte Fleischliebhaber, die bei uns zwar 20% mehr Geld bezahlen als im Supermarkt, aber dafür auch besondere, hochwertige und von erfahrenen Metzgern verarbeitete Lebensmittel bekommen. Eine der Spezialitäten der Grande Boucherie du Molard ist ein Nischenprodukt: ein rotes, fettes, knochengereiftes Fleisch. Im Gegensatz zu unseren Konkurrenten haben wir nur ein kleines Angebot an Schweinefleisch (weniger als 5% unseres Umsatzes) und verkaufen vor allem Rind und Lamm. Das Geschäftssegment der Metzgerei, das den Grossteil unseres Umsatzes ausmacht, wird durch die Herstellung von Wurstwaren und die Zubereitung von fertigen Gerichten ergänzt. Wir haben auch eine kleine Feinkostabteilung, die Erlesenes wie Lachs, Trüffel und Kaviar umfasst sowie alles, was gut zu einem Fleischgericht passt (Wein, Chutney, Öl, Senf, Gemüse usw.). Unsere Lieferanten kommen überwiegend aus der Schweiz, aber es sind auch einige exotischere dabei. Auch dieses Angebot richtet sich an Gourmets, die sich zum Beispiel französisches Sisteron-Lamm gönnen wollen oder Wagyu, also japanisches Rind.

Ihre Branche leidet unter einem Mangel an Lehrlingen und generell an Fachkräften – wie finden Sie Personal?

Belime: Unser Geschäft hat seit Langem den guten Ruf als Qualitäts-Metzgerei nach französischer Tradition. Schon mein Vorgänger Albert Koch hatte sich damit einen Namen gemacht und gerade dadurch wurde auch mein Interesse an dem Geschäft geweckt. Dieses Streben nach Exzellenz und eine ausgefeilte Beherrschung des Metzgerhandwerks vom Ausbeinen bis zur Reifung sind etwas, das auch junge Leute begeistert. Sie bewerben sich meistens initiativ bei uns. Die Menge an Fleisch, die wir verarbeiten, ist relativ hoch, und unser Team besteht aus 27 Mitarbeitern. Dadurch können die Lehrlinge wirklich selbst üben und von ihren Kollegen lernen.

Sie sind in einer Branche tätig, die heute unter Druck steht. Tierrechtsaktivisten haben 2018 Ihr Geschäft verwüstet. Modernisieren Sie Ihr Unternehmen, um auf die aktuellen ökologischen Belange zu reagieren?

Belime: Mit diesen Überlegungen habe ich schon vor vier oder fünf Jahren begonnen. Und ich habe mich mit Umweltschützern zu Gesprächen getroffen, gerade nachdem unser Geschäft Opfer von Vandalismus geworden war. Wir versuchen, unseren CO2-Abdruck zu verringern, indem wir unsere Lieferanten entsprechend auswählen. Unser Rindfleisch kommt zum Beispiel überwiegend aus der Schweiz (Simmentaler Rind) und von Mischnutzungsrassen, die auch Milch produzieren und sich von Heu oder frischem Gras ernähren. Für unsere Lieferungen nutzen wir ein Erdgas-Fahrzeug und wir entwickeln biologisch abbaubare Behältnisse. Wir versuchen, uns auf "Flexitarier" einzustellen, also umweltbewusste Menschen, die ihren Fleischkonsum reduziert haben. Wir bieten ihnen vegetarische Gerichte an. Und wir erklären ihnen auch, dass man, wenn man weniger Fleisch isst, umso mehr auf Qualität setzen kann.

Sie sind nicht weit von der Grenze zu Frankreich entfernt, wo Fleischprodukte billiger sind. Wie schaffen Sie es, dass Ihre Kunden Ihnen die Treue halten?

Belime: Wir legen grossen Wert auf den Service. Unsere Metzger arbeiten direkt vor den Augen der Kunden, was für Transparenz sorgt. Sie nehmen die Bestellungen persönlich entgegen, beantworten Fragen zur Herkunft der Produkte, zur besten Zubereitungsart für das gewählte Fleisch usw. Dieser Kontakt ist sehr wichtig, vor allem in einer Zeit, in der die Menschen wenig Gelegenheit für Interaktionen und Entspannungsmomente haben. Die Kassiererin im Laden hat für jeden ein freundliches Wort.

Inwiefern ist Ihr Unternehmen von der Covid-19-Pandemie betroffen?

Belime: Wir haben Infektionsschutzmassnahmen getroffen und beschäftigen für die Stosszeiten eine Person, die den Zugang zur Metzgerei reguliert. Wir beobachten, dass die Nachfrage steigt, und haben für die Zeit rund um die Feiertage bis zu sieben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Die Genfer wollen trotz der Schliessung der Restaurants nicht auf gutes Essen verzichten und kaufen mehr ein, um selbst für ihre Gäste zu kochen. Ausserdem bestellen sie mehr frisch zubereitete Gerichte zum Mitnehmen.

Was würden Sie jungen Unternehmerinnen und Unternehmern raten, die die Geschäftsführung eines Ladens übernehmen oder ihn kaufen wollen, so wie Sie es getan haben?

Belime: Als ich gemeinsam mit einigen Kollegen 2007 das Geschäft gekauft habe, hatten wir das Glück, dass wir uns mit einem Partner zusammentun konnten, der sich in der Fleischereibranche gut auskannte: Walter Gfeller. Sein Anteil am Unternehmen beträgt 50 Prozent und er verfügt in der Deutschschweiz über die nötige Struktur für das "Back Office", also alle administrativen und finanziellen Belange der Metzgerei. So kann ich mich auf das konzentrieren, was ich gut kann: die Weiterentwicklung unserer Positionierung und unserer Produkte. Was grundsätzlich zählt, ist die Motivation. Wenn man begeistert und motiviert ist, spürt man das, und man findet immer Hilfe, um seine Projekte umzusetzen. Nach dieser Motivation suche ich auch bei den Lehrlingen, die ich rekrutiere.


Informationen

Zur Person/Firma

Serge Belime, Geschäftsführer der Grande Boucherie du Molard

Als Enkel eines Metzgers und Sohn eines Viehhändlers aus der Auvergne (Zentralfrankreich) schlug Serge Belime einen vorgezeichneten Weg ein und absolvierte eine Metzgerlehre. Nach einer Zeit als Manager bei der Bell-Gruppe in der Westschweiz übernahm er 2000 die Geschäftsführung der Grande Boucherie du Molard in Genf, die er 2007 gemeinsam mit anderen Aktionären kaufte.

Letzte Änderung 17.03.2021

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