Bei der Gründung eines Unternehmens wird der Schritt der Marktanalyse oft vernachlässigt, doch sie ist essenziell, wenn man etwas über sein Umfeld, die eigenen Stärken und die Konkurrenz erfahren will. Pascal Bourgier, Unternehmer und Coach beim Westschweizer Verein Genilem, gibt einen Überblick.
Daten zu sammeln und nützliche Informationen zusammenzustellen, um seine Strategie zu verfeinern und seinen Produkten oder Dienstleistungen den letzten Schliff zu verleihen, ist bei der Lancierung eines KMU ein wesentlicher Schritt. Ein Verständnis von den Bedürfnissen der Kunden und die Definition des Angebots sind zwei zentrale Elemente jeder Marktanalyse, aber ein dritter Aspekt, der ebenso wichtig ist, fällt bei den Unternehmern zuweilen unter den Tisch: die Konkurrenzanalyse. Wie geht man vor, wo fängt man an und wie vermeidet man blinde Flecken? Erläuterungen von Pascal Bourgier.
Wie lässt sich die Konkurrenzanalyse definieren?
Pascal Bourgier: Sie besteht darin, alle Mitbewerber unter die Lupe zu nehmen, die potenziell eine Bedrohung für das eigene Geschäft darstellen könnten. Viele Firmengründer sind überzeugt, dass sie eine neue Dienstleistung oder ein neues Produkt anbieten und deshalb keine Konkurrenten haben werden. Das ist insofern fast immer falsch, als es nicht nur direkten, sondern auch indirekten Wettbewerb gibt. Ersterer bezeichnet Angebote, die mit dem eigenen vergleichbar sind, zum Beispiel wenn zwei Strassen von einer Bäckerei entfernt eine weitere Bäckerei aufmacht: Da wird derselbe Bedarf auf identische Weise gedeckt. Die indirekte Konkurrenz ist schwerer zu analysieren, weil sie gleichwertige Erwartungen bedient, aber auf unterschiedliche Art und Weise. So ist es keine Erfolgsgarantie, wenn man in einer bestimmten Region der einzige Anbieter von Escape Games ist. Restaurants, Sporthallen, Kinos: Alle, die Freizeitbeschäftigungen und Aktivitäten für eine schöne Zeit mit Freunden anbieten, besetzen dieselbe Nische. Konkurrenzanalyse bedeutet, alles zu beobachten, wodurch Ihnen Marktanteile entgehen könnten.
Wie geht man vor und womit fängt man an?
Bourgier: Die Konkurrenzanalyse ist eine Forschungsarbeit. Seine direkten Mitbewerber genau zu studieren, ist ein erster hilfreicher Ansatz, der auch territoriale Aspekte berücksichtigt: Ein Bäcker in Genf macht seinem Kollegen in Lausanne in der Regel keine Konkurrenz. Die Analyse der indirekten Mitbewerber erfolgt eher in einem zweiten Schritt. Bei der eigentlichen Analyse werden mehrere Ansätze verbunden, unabdingbar ist aber eine Phase der Beobachtung vor Ort. Ein weiteres Element ist eine Phase der Informationsbeschaffung bei vielen verschiedenen Gesprächspartnern, die ein Firmengründer fragen kann und sollte, indem er sein Netzwerk nutzt, zum Beispiel um zu erfahren, ob der eine oder andere von einem Unternehmen gehört hat, dessen Angebot eine Konkurrenz zum eigenen darstellen könnte.
Wo findet man die Informationen? Können die Daten, die im Internet verfügbar sind, ausreichen?
Bourgier: Das Netz kann ein guter Ausgangspunkt sein, aber es hängt alles von der jeweiligen Aktivität ab. Wenn es sich um eine App oder einen Online-Service handelt, kann das Internet reichen, um den Grossteil der benötigten Informationen zu sammeln, aber meistens muss man beide Ansätze verbinden. Man sollte versuchen, so umfassend wie möglich vorzugehen und seine Konkurrenten genau unter die Lupe zu nehmen: Geschäftsvolumen, Preispolitik, Vermarktungsstrategie usw. Man muss sich auch mit ihren Kunden beschäftigen, um zu verstehen, was genau sie bei diesen Anbietern suchen, ihre Erwartungen zu kennen und auch mögliche Gründe für Unzufriedenheit... Es gibt viele verschiedene Informationsquellen: öffentliche Daten, Websites der Konkurrenten, Ladengeschäfte, soziale Netzwerke, allgemeine oder Fachzeitschriften, Fachleute der jeweiligen Branche. Das Wichtigste ist, diese Daten gut zu sortieren und zu priorisieren.
Kann man das allein machen oder braucht man Begleitung?
Bourgier: Ein Firmengründer fängt häufig allein an und kann sich noch nicht auf einen Partner oder auf Angestellte stützen, die ihm helfen können. Zum Glück gibt es Coaching-Organisationen wie Genilem, wo man erfahrene Unternehmer finden kann, die aufmerksam zuhören und hilfreiche Antworten geben. Wer möglichst früh ein Coaching in Anspruch nimmt, kann sich mit einer neutraleren und objektiveren Sichtweise auseinandersetzen, wohingegen Freunde und Angehörige oder Geschäftspartner oft einseitig beeinflusst sind. Der Blick von aussen macht es möglich, Details zu erkennen oder die Aufmerksamkeit eines Projektträgers auf allfällige blinde Flecken zu lenken. Es geht auf keinen Fall darum, die Relevanz des unternehmerischen Projekts zu beurteilen oder Entscheidungen an der Stelle des Unternehmers zu treffen, sondern ihm nützliche Elemente zur Verfügung zu stellen, um sein Entwicklungsmodell zu präzisieren, seine Finanzplanung zu erstellen und die Wirtschaftlichkeit seiner Aktivität realistisch einzuschätzen. Wir geben ihm eine Methode und Empfehlungen an die Hand, die ihm helfen können, bei den wichtigsten Punkten keine Fehler zu machen.
Wenn das Unternehmen schliesslich auf den Weg gebracht ist, muss man dann regelmässig eine neue Analyse durchführen?
Bourgier: Sobald das KMU gut etabliert ist, folgt auf die erste Analyse in Form der Marktstudie eine Phase der kontinuierlichen Beobachtung. In diesem Stadium geht es darum, neu auf den Markt strebende Konkurrenten ausfindig zu machen oder mitzubekommen, wenn andere etablierte Firmen versuchen, Marktanteile abzugreifen, indem sie ihre Aktivität diversifizieren. Diese Arbeit fällt weitestgehend in den Zuständigkeitsbereich des CEO, der auch künftig mit dem realen Geschehen vor Ort in Kontakt bleiben muss.