Was passiert im Ernstfall, wenn man ein KMU leitet oder selbstständig ist? Unter welchen Voraussetzungen sind Unternehmende über die Arbeitslosenversicherung abgesichert? Erläuterungen und Tipps.

Während Selbstständige mit einer Einzelfirma nicht an die Arbeitslosenversicherung angeschlossen sind, zahlen sich viele Unternehmende an der Spitze einer GmbH oder einer AG einen Lohn aus, mit dem Gedanken, dass sie damit Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung erwerben. Dieser Gedanke erscheint logisch: Wenn sie Beiträge leisten wie jeder normale Angestellte, sind sie im Fall eines Konkurses oder der Einstellung der Geschäftstätigkeit abgesichert, so ihre Hoffnung.
Die juristische Realität ist hier jedoch differenzierter. Die Arbeitslosenversicherung (ALV) beruht auf einem Hierarchieverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dieses Verhältnis gibt es nicht mehr, wenn beide Rollen von derselben Person wahrgenommen werden. Wenn eine versicherte Person ihre Stelle als Arbeitnehmer verliert, aber weiterhin eine einflussreiche Position in der Firma innehat (z.B. als Gesellschafter oder Geschäftsführer), hat sie keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, solange sie diese Stellung nicht endgültig aufgibt, denn das Gesetz geht davon aus, dass sie sonst weiterhin ein Einkommen aus der Firma beziehen könnte, beispielsweise in Form von Dividenden.
Entscheidender Einfluss
"Die Arbeitslosenversicherung verlangt eine klare Trennung von der Möglichkeit, die Entscheidungen des Unternehmens zu beeinflussen" erklärt Thierry Rossier, Gründer der Freiburger Firma Delegis, die auf Beratungen und Schulungen in den Bereichen Sozialversicherungen und Planung der Altersvorsorge spezialisiert ist. "Das kann durch eine Auflösung, einen Konkurs, einen Verkauf oder jede andere Form des Ausscheidens erfolgen. Der beste Nachweis für diese Trennung ist, dass die Person nicht mehr im Handelsregister auftaucht und bei der Entscheidungsfindung keine Rolle mehr spielt."
Die Arbeitslosenversicherung wird prüfen, ob die betroffene Person de facto weiterhin Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der Firma ausübt, sei es durch eine Stimmenmehrheit in der Generalversammlung, durch wirtschaftliche Abhängigkeiten oder durch informelle Kräfteverhältnisse. Wenn jemand seine Entscheidungsrolle in einem Unternehmen verschleiert, hat das die Pflicht zur Rückzahlung aller zu Unrecht erhaltenen Entschädigungen zur Folge.
Selbstständige und Arbeitslosenversicherung
Wer eine Firma als Einzelunternehmen betreibt, zahlt nicht in die Arbeitslosenversicherung ein und kann daher keine Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigung geltend machen. Wenn sich jemand allerdings vor weniger als drei Jahren selbstständig gemacht hat und nachweisen kann, dass er vor Beginn dieser Tätigkeit über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten Beiträge als Arbeitnehmer geleistet hat, kann noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen. "Die anfängliche Rahmenfrist von zwei Jahren verlängert sich um die Anzahl der Monate, in denen der Versicherte selbstständig tätig war, ist aber auf maximal vier Jahre beschränkt", erklärt Thierry Rossier. "Bei Zweifeln an der Beständigkeit des Geschäfts muss man daher vor Ablauf des dritten Jahres eine weitreichende Entscheidung treffen. Nach dieser Frist wäre der Anspruch auf Arbeitslosengeld erloschen."
"Die Arbeitslosenversicherung prüft sehr genau, wie viel Zeit und finanzielle Ressourcen investiert werden", ergänzt Pierre-Yves Carnal, Experte für Sozialversicherungen, der in den Kantonen Bern und Jura tätig ist. "Sobald die selbstständige Tätigkeit zu viel Gewicht hat, kann die Vermittlungsfähigkeit in Frage gestellt werden." Denn vermittlungsfähig ist nur, wer dem Arbeitsmarkt in vollem Umfang zur Verfügung steht. Wenn eine selbstständige Tätigkeit fortbesteht – zum Beispiel aufgrund von bestehenden Verträgen mit Kunden, einer eigenen Website oder laufenden Verpflichtungen –, wird diese Fähigkeit von der Arbeitslosenversicherung kritisch geprüft.
Deshalb kann es vorteilhaft sein, parallel zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit eine Teilzeitstelle zu behalten, sofern dies möglich ist. "Man muss auch wissen, dass Einnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit als Zwischenverdienst zulässig sein können", fügt Thierry Rossier hinzu. "So dauert es länger, bis die Entschädigungszahlungen aufgebraucht sind, und die Bezahlung fällt insgesamt potenziell höher aus."
Der Experte betont, dass viele Unternehmende eine GmbH gründen, in der Annahme, damit wären sie abgesichert. "Je nach Art der geplanten Tätigkeit kann es aber interessant sein, zunächst als Selbstständigerwerbender anzufangen. Das kostet weniger und man kann trotzdem Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Ganz abgesehen von weiteren möglichen Vorteilen in Bezug auf Altersvorsorge und Steuern, von denen man profitieren kann, wenn man in dieser Form anfängt und später, wenn die Geschäfte gut laufen, zur Form der GmbH wechselt."
Zum Thema
Auf dem Weg zu einer Weiterentwicklung des Rechts?
Unternehmende und ihre Ehegatten, welche Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlen, sollen auch gegen Arbeitslosigkeit versichert sein. Das ist das Ziel der Parlamentarischen Initiative 20.406, die vom Nationalrat Andri Silberschmidt eingebracht wurde. In der Initiative wird hervorgehoben, dass die derzeit herrschende Rechtslage dem Gedanken einer Versicherung widerspreche, wonach eine Kongruenz zwischen der Zahlung von Beiträgen und dem Zugang zu Leistungen bestehe. Die Vorlage wird derzeit in der zuständigen Kommission des Ständerats geprüft. Der Bundesrat empfiehlt dem Parlament, nicht auf die Vorlage einzutreten, da er die aktuelle Regelung für einen akzeptablen Kompromiss zwischen der Stellung dieser Personen und dem Missbrauchsrisiko hält.
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Letzte Änderung 06.08.2025