Scale-up: Herausforderungen eines raschen Wachstums

Eine steil nach oben zeigende Expansionskurve, von der viele Unternehmer träumen, bringt grosse Herausforderungen mit sich. Muss man um jeden Preis wachsen oder sollte man ein kontrolliertes Wachstum bevorzugen? Analyse und Tipps von Experten.

Eine Hand hält eine kleine Rakete, die gerade abhebt

In der Unternehmenswelt wird die Wachstumsfrage häufig mit Blick auf das Einhorn-Phänomen beleuchtet. Der Begriff bezeichnet ein junges Unternehmen, das mehr als eine Milliarde Dollar wert ist, ein starkes Wachstum aufweist und mit Risikokapital finanziert wird. In der Schweiz sind in den letzten zwölf Jahren etwa fünfzig Unternehmen zu Einhörnern geworden, die Hälfte davon seit 2020, wie aus dem jüngsten Investitionsbericht des Swiss ICT Investor Club (Sictic) hervorgeht.

Doch um sich in ein Einhorn zu verwandeln, muss ein Start-up ein skalierbares Geschäftsmodell aufweisen, mit dem eine exponentielle Entwicklung der Geschäfte und der Organisation möglich ist. Um zu erklären, wie diese Skalierung gelingt, haben Forscher der Universität St. Gallen letztes Jahr das Buch "Scale Up Navigator" herausgegeben. "Es handelt sich um ein Handbuch für Unternehmer und Investoren, das Wege aufzeigt, wie man ein Scale-up strukturiert", erklärt Co-Autor Dietmar Grichnik, Professor für Entrepreneurship an der Universität St. Gallen.

Grundgerüst eines Scale-up

In vier entscheidenden Schritten kann man das Wachstum eines Unternehmens begreifen und den Erfolg eines Scale-up bestimmen.

Der erste Schritt umfasst die notwendige Analyse, um das Potenzial des Projekts vor einer Investition zu bewerten. "Viele Unternehmer erreichen den ‘Product-market fit’, also die Passung zwischen einem Produkt und seinem Zielmarkt. Um ein starkes Wachstum zu gewährleisten, ist die entscheidende Aufgabe jedoch, anhand von verschiedenen Indikatoren wie den Teamkompetenzen, dem Geschäftsmodell und den anvisierten Märkten zu bestimmen, ob das Produkt oder die Dienstleistung nachhaltig skalierbar ist. Das Unternehmen muss in diesem Stadium bereits einen klaren Wettbewerbsvorteil aufweisen, den es gegenüber der Konkurrenz verteidigen kann", erklärt Dietmar Grichnik.

Anschliessend geht es darum, den Wachstumsmotor mit Hilfe von strukturierten Prozessen in Gang zu bringen, indem man den Fokus auf die Kundenbeziehung, das Marketing und den Verkauf richtet.

Im dritten Schritt muss das Unternehmen seine Ressourcen und seine Prozesse ordnen, um sein Wachstum zu stützen. "Hier scheitern viele Scale-ups, da ihnen die Infrastruktur oder die Kapazitäten fehlen, um ihr Modell wirksam in grösserem Massstab zu reproduzieren. Sie haben zum Beispiel ausreichend Kunden, schaffen es aber nicht, schnell genug auf die Nachfrage zu reagieren."

Der letzte Schritt ist schliesslich das "Impact scaling", also die Strategie, um die langfristige Tragfähigkeit des Projekts durch neue Kapitalbeschaffungen, die Übernahme von Konkurrenten oder möglicherweise einen Börsengang sicherzustellen.

Nutzenversprechen

"Das zentrale Element eines jeden Geschäftsmodells betrifft die Value Proposition, also das Versprechen, welches Problem durch das Unternehmensprojekt gelöst wird", erklärt Kim Oliver Tokarski, Professor für Entrepreneurship, Strategie und Betriebswirtschaft an der Berner Fachhochschule (BFH). "Es ist nicht einfach nur eine Frage des Produkts, denn, wie es so schön heisst, ‘der Kunde will keine Bohrmaschine, sondern ein Loch in seiner Wand’."

Bevor man skaliere, müsse man sicherstellen, dass das Geschäftsmodell im kleinen Massstab funktioniert, betont der Experte. Gerade weil bei der Mehrheit der Modelle viele Anpassungen erforderlich sind, bevor sie lebensfähig sind. Zudem bleibt die Beherrschung von Bereichen wie Finanzen, Marketing und Organisation fundamental. "Wachstum bringt auch Spannungen und Diskrepanzen in den Teams mit sich, was eine angemessene Vorbereitung der Mitarbeitenden, solide Strukturen und eine gesicherte Finanzierung notwendig macht. Die Herausforderung besteht darin zu wachsen, ohne die Qualität und das anfängliche Versprechen zu gefährden."

Hürden auf dem Weg zu Scale-up

Eine Expansion anzustreben, ohne geprüft zu haben, wie robust das Geschäftsmodell ist, ist der häufigste Fehler, den Start-ups machen, die zu schnell wachsen wollen. "Viele unterschätzen auch die Investitionen, die nötig sind, um die Expansion zu stützen", erklärt Kim Oliver Tokarski.

Ein weiterer grosser Fehler besteht darin, die unverzichtbare Anpassung der Organisation und der Prozesse ausser Acht zu lassen, sodass es zu Ineffizienz und zu Engpässen kommen kann. "Zudem werden die Auswirkungen des Wachstums auf die Unternehmenskultur und die Teams häufig heruntergespielt, obwohl eine zu schnelle Expansion den internen Zusammenhalt schwächen kann. Und wenn man den Bedarf an Personal, Technologien und Finanzierung nicht antizipiert, kann das die Entwicklung des Unternehmens rasch ausbremsen oder gar gefährden."


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Entscheidung für ein moderates, nachhaltiges Wachstum

Einige Unternehmen entscheiden sich bewusst dafür, nicht zu wachsen, obwohl eine hohe Nachfrage besteht. Ein Fehler? "Nicht zu skalieren, kann eine vollkommen rationale Entscheidung sein. Man spricht viel über Scale-ups, aber das sind Ausnahmen", sagt Dietmar Grichnik, Professor für Entrepreneurship an der Universität St. Gallen. "Der Standard für ein Unternehmen ist ein moderates und nachhaltiges Wachstum. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist die Beständigkeit."

Er betont dabei, dass ihm das Bild eines Kamels besser gefalle als das eines Einhorns. "Es handelt sich um ein reales Tier, das schwierigen Situationen standhält und zugleich in der Lage ist, unter geeigneten Bedingungen schnell zu sein. Im Moment ist der Venture-Capital-Markt sehr verhalten, daher ist es wichtig, dass man sich auf ein nachhaltiges Wachstum mit Eigenfinanzierungskraft stützen kann."

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Letzte Änderung 05.03.2025

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