Ältere Arbeitnehmende: Wie kann die Schweiz diese wertvolle Ressource nutzen?

In zehn Jahren werden in der Schweiz mehr als 460'000 Beschäftigte fehlen. Angesichts des Arbeitskräftemangels ist die Beschäftigungsfähigkeit von Älteren bis zum Rentenalter und darüber hinaus ein Thema, das für die Unternehmen immer wichtiger wird.

Drei Kollegen sitzen an einem Tisch und lassen sich von einer Frau mit ergrautem Haar etwas erklären.

Die Ankunft neuer Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt wird nicht reichen, um den Renteneintritt der Baby-Boomer-Generation auszugleichen. Bis 2035 werden daher laut Schätzungen von economiesuisse mehr als 295'000 Vollzeitbeschäftigte fehlen, während weitere 163'000 nötig wären, um den Lebensstandard der letzten Jahre aufrechtzuerhalten.

Neben der Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte, die sich zum Beispiel im Gesundheitswesen bewährt hat, erkennt der Bund auch die Förderung inländischer Arbeitskräfte immer mehr als zentralen Hebel an, um diesen Mangel zu beheben. Zu diesem Ansatz gehört zum einen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmende, zum anderen die Arbeitsmarktfähigkeit der Schweizerinnen und Schweizer über das Rentenalter hinaus.

Veränderte Bedürfnisse anerkennen

Wenn der Renteneintritt näher rückt, geht dies oft mit Veränderungen bei den beruflichen Bedürfnissen oder Zielen einher. Die Unternehmen müssen proaktiv handeln und Gespräche zu diesen Themen aufnehmen. "Es geht darum, für das Wohlbefinden der Mitarbeiter im Alter von etwa 55 Jahren zu sorgen, indem man beispielsweise klärt, ob ihre Aufgaben immer noch zu ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten passen, und wie sie sich die verbleibenden Jahre bis zum Renteneintritt vorstellen", sagt Costantino Serafini, der bei Pro Senectute das Programm AvantAge für die Westschweiz leitet. Dieses Gespräch sollte anschliessend zu einer Anpassung der Arbeitszeit und der Arbeitsbedingungen oder zur Organisation von Weiterbildungen führen.

Aus Sicht des Experten kann es hilfreich sein, diesen Prozess auszulagern. "Das Programm AvantAge bietet zum Beispiel Treffen mit Arbeitspsychologen an. Den Arbeitnehmern fällt es oft leichter, ihre Wünsche einem Dritten gegenüber zu äussern als gegenüber ihrem Arbeitgeber." Mit dem Einverständnis des Mitarbeiters kann danach ein Bericht an die Personalabteilung geschickt werden.

Die Bedeutung der Weiterbildung

Zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit der älteren Mitarbeiter gehört auch, dass deren Weiterbildungsbedarf rechtzeitig erkannt wird. Die Arbeitgeber müssen die Entwicklungen ihrer Branche, insbesondere im Bereich Technologie, aufmerksam verfolgen, um geeignete Programme für diese Altersgruppe anbieten zu können. "Bestimmte Kompetenzen, gerade im Bereich der künstlichen Intelligenz, sind heute unverzichtbar", betont Béatrice Girod Lehmann, Weiterbildungskoordinatorin an der Hochschule für Wirtschaft der HES-SO Valais-Wallis.

Ein leichterer Zugang zu Weiterbildungen kann zudem einen bedeutenden Motivationsfaktor für ältere Mitarbeiter darstellen. "Es kann sein, dass ältere Beschäftigte das Bedürfnis nach neuen beruflichen Herausforderungen verspüren. Dafür müssen sie häufig neue Kompetenzen erwerben. Damit die Personalverantwortlichen ihnen neue Aufgaben oder neue Ziele zuweisen können, müssen sie in der Lage sein, diese Weiterbildungen zu planen und Zeit für diejenigen einzuräumen, die sich weiterbilden möchten", erklärt Béatrice Girod Lehmann weiter.

Unternehmen mit begrenzten zeitlichen und finanziellen Ressourcen können kurzen Weiterbildungen den Vorzug geben. "Die HES-SO bietet zum Beispiel ein- bis zweitägige Programme an, bei denen man bereits viele Kompetenzen erwerben kann." Das Pilotprogramm des Bundes "Supported Employment", das über 50-Jährigen, deren Aussteuerung bevorsteht, dabei hilft, eine neue Stelle zu finden, bietet den teilnehmenden Arbeitgebern zudem an, dass sie von einer Entschädigung oder von Weiterbildungsmassnahmen profitieren können. Instrumente wie Vali50+, das von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) entwickelt wurde, geben darüber hinaus Unternehmen und Mitarbeitern über 50 die Möglichkeit, die Bereiche ausfindig zu machen, in denen ihre Kompetenzen auf den neusten Stand gebracht werden müssten.

Kluge Ansprache der Rentner

Laut economiesuisse könnten geeignete Massnahmen bewirken, dass Stellen im Umfang von 37'000 Vollzeitäquivalenten mit Arbeitnehmenden zwischen 65 und 69 Jahren besetzt werden. Für die Unternehmen geht es darum, diese Arbeitskräfte behutsam und klug anzusprechen. "Der Beschäftigte muss aus dieser Arbeit, die in Teilzeit und teilweise sogar mit sehr geringem Stundenumfang geleistet wird, Freude und Zufriedenheit", macht Costantino Serafini deutlich.

Im Falle eines Mitarbeiters, der seinen Job über das Rentenalter hinaus ausüben will, kann beispielsweise dessen Erfahrung leicht zum Einsatz kommen. "Ein älterer Mitarbeiter, der die vom Unternehmen verkauften Produkte sehr gut kennt, könnte sich im After-Sales-Service sehr wohl fühlen. Zudem kann das Wissen der Älteren in Bezug auf die internen Abläufe des Unternehmens dabei helfen, mögliche Schwachstellen sehr rasch ausfindig zu machen und so das System zu verbessern."

Der Arbeitgeber als Schlüsselakteur

Arbeitgeber spielen eine entscheidende Rolle für die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeitender. Sie können geeignete Arbeitsbedingungen gestalten, Weiterbildung ermöglichen und eine Unternehmenskultur prägen, die die Einbindung dieser Gruppe fördert. Wer flexible Modelle, altersgerechte Aufgaben und Wissenstransfer aktiv fördert, trägt unter anderem dazu bei, die Motivation der Beschäftigten zu erhalten – auch über das Rentenalter hinaus.


Informationen

Zum Tema

Neue Chancen: Das Beispiel von Level+ aus Genf

In Zusammenarbeit mit dem SECO bietet der Kanton Genf über die Plattform Level+ Veranstaltungen zum Networking sowie zur Vermittlung zwischen über 50-jährigen Arbeitnehmenden und Unternehmen an. Die Firmen können unter anderem kostenlos und ohne Verpflichtung "ein Talent testen". Laut Caroll Singarella, Leiterin der Abteilung Beschäftigungsfähigkeit beim kantonalen Arbeitsamt Genf, scheint die Initiative Früchte zu tragen. "Zwischen 30% und 35% der Teilnehmenden finden während der Massnahme eine neue Stelle, was für ein Programm, das nur vier Monate dauert, ausgezeichnet ist." Die Initiative hilft zudem dabei, die Vorteile für die Unternehmen, die mit der Rekrutierung von älteren Arbeitnehmenden verbunden sind, zur Geltung zu bringen. "Bei einem von Level+ organisierten Hackathon erzählte mir ein junger Start-up-Chef, wie beeindruckt er von der Effizienz und der Relevanz der Ergebnisse war, die die Bewerber im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgabe produziert haben."

Andere Plattformen wie fokus50+ oder Seniors@work in Zürich haben ähnliche Angebote im Programm.

Letzte Änderung 04.06.2025

Zum Seitenanfang

News und nützliche Informationen für Gründer und Unternehmer
https://www.kmu.admin.ch/content/kmu/de/home/aktuell/monatsthema/2025/aeltere-arbeitnehmende-schweiz-ressource-nutzen.html