"Es interessieren sich immer noch zu wenige KMU ernsthaft für das Generationenmanagement"

Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Altersgruppen in einem Unternehmen zu fördern und zu nutzen, ist das Ziel des generationenübergreifenden Managements. Anina Hille, Dozentin an der Hochschule Luzern und Leiterin des Projekts "Generationenbarometer", erklärt, worum es dabei geht.

In der Schweiz findet ein erheblicher demographischer Wandel statt, der den Arbeitsmarkt transformiert. Der Renteneintritt der Babyboomer führt zu einem wachsenden Mangel an Fachkräften. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen KMU rechtzeitig auf diese Entwicklung reagieren. Die Aufnahme eines generationenübergreifenden Managements in die Unternehmensstrategie hat zum Ziel, dass alle Mitarbeitenden gut miteinander auskommen, aber auch, dass ältere Beschäftigte länger im Unternehmen bleiben und der Wissenstransfer gewährleistet ist. Die von der Hochschule Luzern (HSLU) durchgeführte Studie "Generationenbarometer" gibt Aufschluss darüber, wie die Schweizer Unternehmen die Diversität der Generationen konkret nutzen, um den zahlreichen Herausforderungen zu begegnen, vor denen sie im Hinblick auf das Personal stehen. Anina Hille, Dozentin an der HSLU und Leiterin des Forschungsprojekts, spricht über die Herausforderungen, die für KMU mit dieser Art des Managements verbunden sind.

Was heisst generationenübergreifendes Management?

Anina Hille: Ich spreche lieber von "integrativem Generationenmanagement", also von einer Praxis, die den Altersaspekt in das Management des Unternehmens integriert. Das Ziel besteht darin, die Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten verschiedener Generationen zu verbessern und einen wechselseitigen Kompetenztransfer zu ermöglichen. Allgemein geht es darum, das Wohlbefinden im Unternehmen zu stärken, indem für alle Beschäftigten optimale Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Welchen Nutzen kann ein KMU daraus ziehen?

Hille: Der Wissenstransfer ist der grösste und offensichtlichste Vorteil. Er bringt einen doppelten Nutzen: Es wird nicht nur der Verlust an Erfahrung, der mit einem Renteneintritt verbunden sein kann, reduziert, sondern die Älteren können auch von den Kompetenzen der neuen Generationen profitieren, besonders im Bereich der Digitalisierung. Der andere Vorteil ist, dass die älteren Arbeitnehmenden länger im Job bleiben können, wenn die Aufgaben an ihre Bedürfnisse angepasst werden und man ihnen einen schrittweisen und flexiblen Renteneintritt ermöglicht. Mittelfristig kann dieser Prozess dazu beitragen, die Folgen des sich in der Schweiz abzeichnenden Fachkräftemangels abzumildern. Obwohl das Problem immer wichtiger wird, beschäftigen sich noch zu wenige KMU ernsthaft damit.

Was ist konkret zu tun, wenn man in einem KMU ein integratives Generationenmanagement einführen will?

Hille: Die Hochschule Luzern (HSLU) bietet kostenlose Seminare und Beratungen an, durch die man etwas über das Thema lernen kann. Wir erstellen auch kostenpflichtige Evaluationen zur Situation der Unternehmen, die uns damit beauftragen. Mit diesen Analysen und ihren Ergebnissen können wir eine Managementstrategie auf einer soliden Grundlage entwickeln.

Um den Wissenstransfer zu fördern, empfehle ich, eine Politik der systematischen Vorausplanung der Nachfolge einzuführen. Es geht darum, die Altersverteilung im Unternehmen genau im Blick zu haben und die Renteneintritte vorherzusehen. Dann versucht man zum Beispiel, intergenerationelle Arbeitstandems zu bilden, in denen immer paarweise am selben Projekt gearbeitet wird.

Es kann auch interessant sein, den Beschäftigten, die kurz vor der Rente stehen, eine schrittweise Verringerung ihres Arbeitspensums oder eine Teilzeitstelle anzubieten. Solche Massnahmen sollen es den Firmen ermöglichen, so lange wie möglich von der Expertise der Älteren zu profitieren und genügend Zeit für die Schulung der Nachwuchskräfte einräumen.

Anstatt sich auf die Besonderheiten jeder Altersgruppe zu konzentrieren, sollte man zudem lieber seine Managementstrategie an den Werten ausrichten, die alle Generationen teilen: eine offene Kommunikationskultur, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Vorgesetzten oder auch Zugang zu Weiterbildungen.

Ist das auch mit einem kleinen Budget möglich?

Hille: Vor allem KMU denken oft, dass sie weder die Ressourcen noch das Personal haben, um einen intergenerationellen Ansatz in ihrem Betrieb umzusetzen. Tatsächlich braucht man dafür aber nicht viele Mittel. Der Grossteil des Dialogs zwischen den Generationen findet bereits informell statt; mit einem integrativen Generationenmanagement wird ihm lediglich ein fruchtbarer Boden geboten. Die intergenerationellen Arbeitstandems sind eine wirksame und günstige Lösung, um den Wissensaustausch zu erleichtern.

Haben Sie Beispiele für Unternehmen, denen es gelungen ist, eine effektive Strategie für das Generationenmanagement einzuführen?

Hille: Im Rahmen meiner Forschungstätigkeit habe ich mir ein Hotel im Engadin angeschaut. Dieses Familienunternehmen, das nun schon in fünfter Generation von Mitgliedern der Gründerfamilie geführt wird, bietet seinen älteren Arbeitnehmenden Weiterbildungen und personalisierte Umschulungen an. Einige Jobs in der Hotellerie erfordern das Tragen schwerer Lasten, was ein Problem werden kann, wenn man älter als 40 oder 50 ist. Dank der Einführung eines aktiven Generationenmanagements kann das Hotel seine Mitarbeitenden so lange wie möglich im Unternehmen halten.

Wie werden sich Ihrer Meinung nach die Beziehungen zwischen den Generationen im Unternehmen künftig entwickeln?

Hille: Sie werden immer wichtiger werden. Mit der steigenden Lebenserwartung verbringen die Generationen längere Zeit miteinander. Im privaten Bereich sieht man, dass Familien heute viel diverser sind als vor hundert Jahren, was sich auf die Arbeitswelt auswirkt, sodass mehr Flexibilität vonnöten ist, insbesondere beim Thema Elternzeit oder Pflege von Angehörigen. Im Zuge des demographischen Wandels wird es auch darum gehen, dafür zu sorgen, dass die Menschen länger erwerbstätig sein können.


Zur Persona / Tema

Anina Hille, Projektleiterin "Generationenbarometer"

Anina Hille hat an der Fakultät für Wirtschaft der Universität Basel promoviert und ist Dozentin an der Hochschule Luzern (HSLU), wo sie im Bereich Wirtschaft lehrt. Ihre Forschung konzentriert sich auf aktuelle Wirtschaftsthemen wie die Dynamik zwischen den Generationen im Unternehmen. Zudem leitet sie seit 2019 das "Generationenbarometer" der HSLU, mit dem Unternehmen eine Analyse und ein Benchmarking in Bezug auf den Zustand ihres Generationenmanagements angeboten wird.

Letzte Änderung 06.11.2024

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