Wie gelingt eine gute Liquiditätsplanung?

Knapp neun von zehn Konkursen werden dadurch verursacht, dass der Cashflow zum Erliegen kommt. Von diesem Phänomen sind sowohl Unternehmen betroffen, die in Schwierigkeiten stecken, als auch solche, deren Geschäfte durchweg rentabel sind. Wie kann man sich davor schützen? Tipps von drei Experten.

Wie gelingt eine gute Liquiditätsplanung?

Verteuerung der Schulden, schlechtes Management der Rohstofflager oder auch zu spät bezahlte Rechnungen: Es gibt viele Faktoren, die in einer Firma zu einem Mangel an Liquidität führen können. In einigen Fällen kann dieses Defizit sogar das Überleben der Organisation gefährden. "Viele Unternehmen verschicken ihre Rechnungen zu spät und verfügen damit nicht über ihr gesamtes Liquiditätspotenzial. So eine Situation führt bereits zu kurzfristigen Liquiditätsproblemen", erklärt Andreas Schweizer, Leiter des Studiengangs MAS Corporate Finance an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Da keine Firma vor Kunden mit schlechter Zahlungsmoral geschützt ist, geht es auch darum, die Rechnung systematisch direkt nach der Leistungserbringung zu verschicken. "Im Grunde bedeutet die gängige Praxis, dass man einem Kunden oder Geschäftspartner, den das Unternehmen nicht unbedingt kennt, einen Kredit gibt. Es wäre daher manchmal besser, zumindest für einen Teil der vereinbarten Summe Vorkasse zu verlangen", erklärt Thomas Rautenstrauch, Professor für Accounting und Corporate Finance an der Fachhochschule Ostschweiz in St. Gallen (OST).

In der Schweiz ist diese Praxis jedoch nicht sehr verbreitet und könnte der Wettbewerbsfähigkeit einer Firma schaden. "Eine Lösung besteht darin, dem Kunden, der im Voraus zahlt oder seine Rechnung nur wenige Tage nach der Leistungserbringung begleicht, einen Rabatt anzubieten", meint Thomas Rautenstrauch. Indem man einen Teil der Zahlung im Voraus oder innerhalb einer kürzeren Frist als den üblichen 30 Tagen verlangt, kann man auch die Zuverlässigkeit eines neuen Kunden prüfen. "Wenn die erste Zahlung nicht innerhalb der vereinbarten Frist erfolgt, muss man mit weiteren Verspätungen rechnen und sein Cashflow-Management entsprechend anpassen", so Andreas Schweizer.

Liquidität unterschiedlich berechnen

Die Liquidität eines Unternehmens kann mit verschiedenen Methoden berechnet werden, was sich erheblich auf den realen Wert des Ergebnisses auswirkt. "Die Current Ratio schliesst die Lagerbestände und die Forderungen ein. Bei dieser Berechnung wird jedoch nicht berücksichtigt, ob das Unternehmen in der Lage ist, seine Lagerbestände zu verkaufen oder seine Forderungen einzutreiben", gibt Thomas Rautenstrauch zu bedenken. Es ist daher häufig sinnvoll, auf die Quick Ratio zurückzugreifen, die nur die liquiden Mittel und kurzfristige Verbindlichkeiten umfasst.

Die Verpflichtungen gegenüber externen Akteuren sind zudem nicht die einzigen Kosten, für die eine Firma aufkommen muss. Im tertiären Sektor stellt die Lohnmasse häufig den grössten Posten bei den Ausgaben dar. In der Industrie und im Baugewerbe kann sie bis zu einem Drittel der Kosten ausmachen. "In der Theorie muss die Quick Ratio bei Unternehmen im sekundären Sektor mindestens 100% betragen. Aber da die Lohnmasse nicht in diese Berechnung einfliesst, müsste diese Quote tatsächlich idealerweise bei rund 130% oder sogar 140% liegen. Und bei Dienstleistungsfirmen ist dieser Wert noch höher", sagt Jürg Rösti, ordentlicher Professor an der Hochschule für Wirtschaft Freiburg.

Darüber hinaus sollte man das Management der Buchhaltung Experten anvertrauen, die im Unternehmen selbst beschäftigt sind. "Jemand, der das Kerngeschäft des Unternehmens kennt, versteht besser als ein Berater, wie der Cashflow funktioniert, und kann Liquiditätsprobleme besser vorhersehen", erklärt Thomas Rautenstrauch.

Bei schwindender Liquidität Ausgaben einschränken

Im Fall stetig zunehmender Lagerbestände oder wenn die Quick Ratio schrumpft, muss das Unternehmen sofort reagieren, um das akute Risiko eines Konkurses abzuwenden. Als sofortige Priorität müssen Zahlungen vermieden werden. Thomas Rautenstrauch erläutert: "Ausgaben, die nicht unbedingt notwendig sind, wie zum Beispiel Geschäftsreisen oder Weiterbildungen, müssen eingestellt werden."

Auch bei den übrigen Ausgaben müssen Anpassungen vorgenommen werden. "Es geht beispielsweise darum zu versuchen, die Miete für die Geschäftsräume neu zu verhandeln oder gestaffelte Teilzahlungen mit den Lieferanten zu vereinbaren", ergänzt Jürg Rösti von der Hochschule für Wirtschaft Freiburg. "Bei einer Inflation der Rohstoffpreise ist es auch möglich, die Produktionsmenge zu reduzieren, um den Abfluss von Liquidität zu begrenzen."

Einen Bankkredit aufnehmen

Unter der Voraussetzung, dass sie bestimmte Kriterien erfüllen, können wirtschaftlich tragfähige KMU, die Liquiditätsprobleme haben, ein Bankdarlehen in Anspruch nehmen. "Die Unternehmen müssen ihre Rentabilität nachweisen können, Garantien bieten, über eine gute Kredithistorie verfügen und ein als solide bewertetes Geschäftsmodell vorlegen. In der Regel sind Banken bereit, kurzfristige Kredite zu gewähren, vor allem wenn die Unternehmen darlegen können, dass das Geld die kurzfristigen Liquiditätsprobleme lösen und längerfristig zu nachhaltigen Geschäftsprozessen führen wird", betont Thomas Rautenstrauch.


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Digitale Buchhaltungs-Tools

Banana, Bexio Tresio – in den letzten Jahren sind zahlreiche Programme für Buchhaltung und Liquiditätsmanagement auf den Markt gekommen. Sie nehmen es einem jedoch nicht ab, seine Liquidität aktiv und aufmerksam zu managen. "Diese Lösungen können ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln. Bevor man sie für die Kassenführung nutzt, sollte man zunächst lieber einzelne Prozesse wie den Versand der Rechnungen automatisieren. Dadurch können personelle und finanzielle Ressourcen für wichtige Aufgaben wie die Buchhaltung mobilisiert werden", erläutert Andreas Schweizer, Leiter des Studiengangs MAS Corporate Finance an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Letzte Änderung 05.06.2024

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