Die Zahl der insolventen Unternehmen in der Schweiz steigt seit drei Jahren stark an. Was sind die Gründe dafür und wie lässt sich der Konkurs verhindern? Experten geben Tipps.

Im Jahr 2023 zählte das Bundesamt für Statistik 15'447 Konkurse, was gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme um 2,9% entspricht. "Die steigenden Produktionskosten und der zunehmende Zahlungsverzug, die Rekrutierungsschwierigkeiten und die veränderte Nachfrage tragen dazu bei, dass die Zahl der Insolvenzen steigt", meint Cyril Knellwolf, Partner bei der Treuhandgesellschaft BDO.
Darüber hinaus bewirkten die während der Pandemie gewährten Covid-19-Kredite, dass einige Konkurse aufgeschoben wurden. Diese zu relativ tiefen Zinsen aufgenommenen Kreditsummen ermöglichten Unternehmen, die teilweise kurz vor der Geschäftsaufgabe standen, ihre Kasse wieder zu füllen, aber nur für eine gewisse Zeit. Welche Anzeichen deuten auf ein Konkursrisiko hin und wie reagiert man am besten darauf? Tipps von zwei Experten.
Gutes Cashflow-Management
Die Konjunkturschwankungen üben bei vielen Unternehmen Druck auf den Cashflow aus, sodass einige manchmal Schwierigkeiten haben, ihre kurzfristigen Schulden zu begleichen. Ein Mangel an Liquidität kann aber ein hohes Insolvenzrisiko nach sich ziehen, selbst bei rentabel wirtschaftenden Unternehmen.
Um solchen Situationen vorzubeugen, sollte man rasch reagieren. "Einige Massnahmen wie ein proaktiveres Inkasso-Management können dabei helfen, den Zahlungsverzug zu verringern. Man sollte zum Beispiel nicht zögern, ausstehende Zahlungen einzufordern", empfiehlt Cyril Knellwolf.
Ausserdem haben viele Arbeitgeber Probleme damit, ihre Beschäftigten an sich zu binden, was zu hoher Fluktuation führt und die Finanzen belasten kann. "Um diese Kosten zu begrenzen, müssen die Unternehmen ihre Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt absichern, indem sie Arbeitsbedingungen bieten, die an die aktuellen Erwartungen angepasst sind: Teilzeit, flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten."
Darüber hinaus muss man die Buchführung und das Controlling stets genau im Blick haben. "Die finanziellen Probleme fördern häufig die Schwächen einer Firma zutage. Es geht dann darum, mögliche Verlustgeschäfte oder überflüssige Ausgaben ausfindig zu machen. Wenn bestimmte Leistungen weniger einbringen, als sie kosten, sollte man in Betracht ziehen, darauf zu verzichten."
Auf die Gläubiger zugehen oder einen Vergleich anstreben
In dem Fall, dass es schon so sehr an Liquidität mangelt, dass die Fähigkeit des Unternehmens, seine kurzfristigen Schulden zu begleichen, beeinträchtigt ist, besteht die Lösung am häufigsten darin, sich an die Gläubiger zu wenden. "Man muss einen Weg finden, den Partnern transparent, aber ohne Alarmismus zu verstehen zu geben, dass das Unternehmen eine schlechte Phase durchmacht und eine Ratenzahlung oder eine Nachfrist benötigt", rät Cyril Knellwolf. "In den meisten Fällen ist diese Methode ausreichend, um eine Einigung zu erzielen. Die Gläubiger haben kein Interesse daran, dass ein Schuldner Konkurs anmelden muss, da in diesem Fall meistens jede Hoffnung schwindet, dass man die betreffenden Summen zurückbekommen könnte."
Eugen Fritschi, Experte für Insolvenzrecht, erinnert daran, dass das Gesetz bei Bedarf Massnahmen vorsieht, um die Gesellschaft zu sanieren. "Wenn bereits eine Überschuldung vorliegt oder der Cashflow negativ ist, sollte man ein Nachlassstundungsverfahren anstreben. Während des Aufschubs im Rahmen einer Nachlassstundung sind nach Genehmigung des zuständigen Gerichts Massnahmen möglich, insbesondere der Verkauf von Vermögenswerten oder Unternehmensanteilen (s. Kasten). Insgesamt gibt diese Lösung dem Unternehmen Luft, um Sanierungsmassnahmen zu treffen und den Gläubigern einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten", erklärt der Anwalt.
Insolvenzantrag
In einigen Fällen ist ein Insolvenzantrag unumgänglich und sogar gesetzlich vorgeschrieben. "Wenn eine Firma überschuldet ist und keine Vereinbarungen mit ihren Gläubigern treffen oder einen Aufschub im Rahmen des Nachlassstundungsverfahrens beantragen kann, ist sie verpflichtet, bei dem zuständigen Gericht Konkurs anzumelden", macht Eugen Fritschi deutlich.
Diese Anmeldung muss unverzüglich erfolgen. Der Rechtsanwalt warnt: "Wenn eine Firma bereits überschuldet ist und keinen Insolvenzantrag und auch keinen Antrag auf ein Nachlassstundungsverfahren stellt, kommt es bereits zur Insolvenzverschleppung. Das kann Folgen im Bereich der zivilrechtlichen Haftung haben, aber auch eine Strafanzeige wegen Betrugs, Misswirtschaft, Unterlassung der Buchführung etc. nach sich ziehen."
Um sich gegen einen drohenden Konkurs zu wappnen, sollte man lieber ständig aufmerksam auf alle Vorzeichen achten und vor allem seinen Cashflow im Blick haben. Das Ziel ist, gegebenenfalls noch genügend Zeit zu haben, um proaktiv zu handeln und das Ruder herumzureissen.
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Verkauf der eigenen Firma an einen Grosskonzern
Im Falle einer Überschuldung sieht das Nachlassstundungsverfahren vor, dass man das Unternehmen oder Teile davon verkaufen kann. Diese Transaktionen müssen im Vorfeld durch das zuständige Gericht genehmigt werden und können das Unternehmen gegebenenfalls vor einem vollständigen Konkurs bewahren. "Grosse Konzerne sind häufig an der Übernahme kleinerer Firmen interessiert, denn so können sie kostengünstig wachsen. Für den Verkäufer ist die Eingliederung in ein grösseres Unternehmensnetzwerk eine Möglichkeit, Verwaltungskosten zu sparen, die dann zentral vom Hauptsitz des Konzerns übernommen werden", erkärt Cyril Knellwolf, Partner bei der Treuhandgesellschaft BDO.
Diese Operation kann jedoch schwerwiegende Folgen für die Beschäftigten und die Leitung des Unternehmens haben. "Es ist wichtig, gut mit dem Käufer zu verhandeln, vor allem wenn das Ziel darin besteht, das Unternehmen weiterhin selbst zu führen oder die Beschäftigten zu behalten. Man kann zum Beispiel einem Zeitraum von zwei Jahren vereinbaren, in denen bei dem verkauften Unternehmen keine grössere Veränderung in der Organisation vorgenommen wird."
Letzte Änderung 02.10.2024