Digitalisierung stellt KMU auf die Probe

Mit den neuen Technologien können viele Aufgaben automatisiert und vereinfacht und die Produktivität der Unternehmen gesteigert werden. Der Digitalisierungsprozess bringt jedoch auch zahlreiche Herausforderungen mit sich.

Ein Rechenzentrum.

Die Covid-19-Pandemie hat das Interesse der KMU an der Digitalisierung erhöht: Gemäss dem DigiBarometer von 2021 erklärten 92%, dass sie ihren digitalen Wandel beschleunigen wollen. Allerdings hat eine Studie der Wirtschaftsberatung PwC hierbei grosse Unterschiede aufgedeckt. Während Wirtschaftszweige wie Medien und Telekommunikation erwartungsgemäss einen besonders hohen Grad an Digitalisierung aufweisen, sind die Bereiche Energie und Gesundheit etwas in Verzug. Zum anderen spielt auch das Durchschnittsalter der Geschäftsführung eine gewichtige Rolle: Je älter die Leitung, desto weniger fortgeschritten ist der Digitalisierungsprozess. Und schliesslich ist auch die Firmengrösse ein entscheidender Faktor, da Grossunternehmen in der Regel einen höheren digitalen Reifegrad aufweisen als KMU.

"Ich stelle fest, dass einige Geschäftsführungen die digitale Transformation als Kosten wahrnehmen und nicht als Investition", erklärt Sébastien Kulling, CEO der Stiftung Digitalswitzerland. "Eine Digitalisierungsstrategie erfordert in der Regel erhebliche zeitliche und personelle Ressourcen", ergänzt Bramwell Kaltenrieder, Co-Leiter der Fachgruppe "Digital Transformation Insights" bei SwissICT. "Die Gründe für diesen Rückstand sind auch auf Ebene der finanziellen und menschlichen Ressourcen zu suchen, über welche die KMU verfügen. Für ein KMU ist die Einführung einer neuen Initiative mit 10 Personen eine enorme Herausforderung, während dies für ein Grossunternehmen ein relativ einfaches Verfahren darstellen würde."

Eine langfristige Transformation

Wer Teil eines grösseren internationalen Netzwerks ist, kann sich vor riskanten Investitionen schützen, indem er sich an den Erfahrungen der Schwestergesellschaften orientiert. Thomas Hollinger, Geschäftsführer des KMU Elis Suisse, das einen Verleih- und Wäscheservice für Berufstextilien betreibt, hat sich für den digitalen Wandel entschieden. Der Zürcher gesteht jedoch ein, dass es bei der Umsetzung dieser Entwicklung ein erheblicher Vorteil ist, zu einer grösseren Gruppe zu gehören. "Wir können auf Prozesse zurückgreifen, die bereits von anderen Filialen im Ausland getestet und für gut befunden wurden, sodass die Qualität und der Nutzen eines neuen Tools gewährleistet sind." Das geht aber nicht, ohne dass sich das Tempo des Wandels verlangsamt. "Der Prozess nimmt viel Zeit in Anspruch und unsere Branche ist für entsprechende Fachkräfte, die für die Digitalisierung benötigt werden, nicht attraktiv genug, sodass die Rekrutierung auf Ebene eines KMU sehr schwierig ist."

"Die digitale Transformation besteht darin, seine Prozesse Schritt für Schritt zu verändern", führt Sébastien Kulling von Digitalswitzerland weiter aus. "Auch das kann mit zu einer gewissen Zurückhaltung beitragen, da die Schweizer Unternehmenskultur aus ihrem Perfektionismus heraus oft nach einer sofort perfekt funktionierenden Lösung sucht." Thomas Hollinger bestätigt, dass der digitale Wandel trotz des bei Elis Suisse zurückgelegten Weges noch nicht abgeschlossen ist. "Wir haben das Kundenerlebnis dank eines besseren Datenmanagements reibungsloser und personalisierter gemacht. Nun müssen wir uns um die logistischen Aspekte kümmern, indem wir ein System zum Tracking der geladenen Waren einführen, damit wir unsere Lieferungen besser organisieren können."

 

Ein neues Kompetenzfeld

Angesichts der Vielzahl an neuen Tools stellt sich die Frage der Anpassung des Personals in vielen Unternehmen, besonders in denen, die es nicht schaffen, die besten Kräfte für sich zu gewinnen. Es fehlt an digitalen Kompetenzen, die sehr viele unterschiedliche Fähigkeiten umfassen, deren einzige Gemeinsamkeit manchmal die Interaktion mit einem Computer ist, und die mangelnde Beherrschung dieser Tools durch das Personal bremst ihre Implementierung und ihre bewusste Nutzung.

Nach Meinung von Bramwell Kaltenrieder von SwissICT können die KMU jedoch mit Flexibilität punkten, wovon sie grundsätzlich mehr anbieten können als ihre grösseren Pendants. "Ihre Strategie kann darin bestehen, bei der Besetzung von bestehenden oder neuen Stellen speziell nach einer Person zu suchen, die über fortgeschrittene digitale Kompetenzen verfügt und so auf diesem Gebiet neue Impulse geben kann." Sébastien Kulling von Digitalswitzerland schlägt die Einführung einer Skala für die Bewertung digitaler Kompetenzen vor, angelehnt an die bereits existierende Einstufung im Bereich Fremdsprachen. "Cybersicherheit und Kommunikation in den sozialen Netzwerken sind beispielsweise zwei vollkommen verschiedene Themengebiete. Es empfiehlt sich, die Art und den Umfang der Kompetenzen, die das Unternehmen braucht, so genau wie möglich zu definieren."


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Corporate Digital Responsibility

Die digitale Transformation wirft auch einige ethische Fragen auf. Kleine wie grosse Unternehmen erheben und speichern immer mehr vertrauliche personenbezogene Daten. Zudem geht die Modernisierung der digitalen Verfahren häufig mit einer massenhaften Nutzung von Daten zu Effizienz- und Rentabilitätszwecken einher.

Um diese Entwicklung zu begleiten, hat die Hochschule für Wirtschaft (HEG) in Genf eine Weiterbildung für Unternehmerinnen und Unternehmer lanciert, die ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet vertiefen wollen. Darüber hinaus stellt die Institution ein Tool zur Messung der Digital Responsibility des eigenen Unternehmens nach mehreren Kriterien zur Verfügung. Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes über den Datenschutz am 1. September 2023 können sich die Unternehmenden mit Best Practices vertraut machen, die bewirken, dass die Nutzung der digitalen Ressourcen besser zu ihren Werten und den Anliegen ihrer Kunden passt.

ʺIm Zusammenhang mit der digitalen Transformation spielt die öffentliche Hand eine wichtige Rolle bei der Bewusstseinsbildung, erklärt Sébastien Kulling, CEO der Stiftung Digitalswitzerland. "Diese Best Practices sind absolut empfehlenswert, aber sie werden mehr Wirkung haben, wenn sie zunächst von den grossen Strukturen umgesetzt werden."

Letzte Änderung 01.02.2023

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