Wenn KMU ihre Türen für Touristen öffnen

Immer mehr Unternehmen eröffnen ein Museum, das sich an die breite Öffentlichkeit richtet. Warum investieren sie in solche Projekte und was kommt dabei heraus? Erklärungen und Erfahrungsberichte.

Zwei Frauen besuchen ein Museum.

Vom Geheimnis der Herstellung von Appenzeller Käse über die Fertigkeiten der Glasbläser bis zur Kunst der grossen Chocolatiers... In einem Museum lässt sich die Geschichte einer Firma auf ganz neue Weise entdecken. "Bei der Gründung eines Unternehmens passieren oft faszinierende Dinge", erklärt Adrienne Suvada, Leiterin des Kompetenzzentrums Communication & Branding an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). "Wenn man sie nacherzählt, indem man sie zu einem greifbaren Erlebnis macht, ist das eine hervorragende Möglichkeit, eine positive Markenkommunikation zu schaffen, vor allem vor dem Hintergrund, dass sich die Menschen über traditionelle Werbeanzeigen immer schwerer erreichen lassen."

Eine gute Geschichte reicht dafür allerdings nicht aus. Die Expertin macht deutlich, dass sich die Attraktivität der Marke umso besser vermitteln lässt, je interaktiver der Besuch ist. Dafür kann man zum Beispiel einen Blick hinter die Kulissen der Produktion gewähren und Kochworkshops oder andere Aktivitäten anbieten, die verschiedene Sinne ansprechen, oder auch Spiele und Verkostungen.

Attraktiver Treffpunkt

Genau so eine "Erlebniswelt" ist das im Juni 2020 in Sursee (LU) vom Getränkehersteller Ramseier nach zwei Jahren für Planung und Bau begonnene Projekt. Erwachsene und Kinder können dort auf mehr als 900 m2 die Geschichte der Marke entdecken, den Weg der Früchte bis in die Flasche verfolgen und natürlich viele Produkte probieren. In diesem Jahr haben die Besucher dort schon mehr als 27'000 Liter der verschiedenen Getränke der Marke gekostet. "Das Feedback ist extrem positiv", betont Christoph Richli, Geschäftsführer der Ramseier Suisse AG, die 250 Beschäftigte zählt. "Die Erlebniswelt ist für das Unternehmen ein attraktiver Treffpunkt, aber auch ein neues Ziel für einen Ausflug in die Region, das Gäste aus der ganzen Schweiz anlockt."

Der CEO von Ramseier teilt mit, dass sie durch das Projekt auf die vielen Anfragen für Besuche im Unternehmen reagieren können – die vorher aufgrund der Sicherheits- und Hygienevorschriften der Fabrik nicht möglich waren – und so die gesamte lokale Wertschöpfungskette gefördert wird. Die Planung und die Fristen waren die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts. "Wie bei jedem Bauvorhaben ist es ratsam, genügend Puffer einzuplanen. Ausserdem mussten wir uns mit Fragen beschäftigen, die über den üblichen Rahmen unserer Arbeit hinausgehen und sich zum Beispiel um die Entwicklung des Bistro-Angebots oder den Erwerb eines Wirtepatents drehen."

Bekanntheit und Sympathie

Das auf Backwaren spezialisierte Familienunternehmen Cornu hat ebenfalls einen Anbau für die Öffentlichkeit errichtet. Das 2016 in Champagne (VD) eingeweihte Gebäude "La Fabrique" vereint einen Laden, ein Café, Erlebnis-Workshops, ein Restaurant und ein Museum unter einem Dach. Im Museum erhält man mit Hilfe von Touch-Screens, interaktiven Spielen sowie direkter Sicht auf eine der Produktionslinien der Fabrik Einblicke in das Bäckerhandwerk. In den letzten zwölf Monaten empfing "La Fabrique" rund 70'000 Gäste. "Wir sind mit dem Projekt sehr zufrieden, auch wenn sich die Wirkung nur schwer in Zahlen messen lässt", erklärt Cyril Cornu, Mitglied der Geschäftsführung der Cornu SA. "Wahrscheinlich hat La Fabrique dem Unternehmen zu mehr Bekanntheit als Arbeitgeber und zu Sympathien in der Öffentlichkeit verholfen, denn sie vermittelt das Image eines Ortes, an dem man für wenig Geld eine schöne Zeit verbringen kann."

Der Manager betont, wie wichtig es ist, gleich zu Beginn die Richtung des Projekts und die langfristige Nutzung festzulegen. "Die Aufrechterhaltung solcher Anlagen ist eine echte Herausforderung. Man muss unbedingt darüber nachdenken, wie das Museum in fünf oder zehn Jahren mit Leben gefüllt werden kann. Ausserdem decken sich die Themen, die der Leiter eines KMU für interessant hält, nicht automatisch mit den Erwartungen der Besucher, weshalb man Fachleute hinzuziehen sollte, um seine Ideen in die Praxis umzusetzen."

Für Adrienne Suvada von der ZHAW ist das Wichtigste, dass das Projekt zum Image der Firma passt. "Es ist klar, dass es nur Unternehmen ab einer bestimmten Grösse schaffen werden, einzigartige Erlebniswelten zu erschaffen. Allerdings steht eine Firma, die ein kleines, aber authentisches Projekt auf die Beine stellt, am Ende nicht unbedingt schlechter da."


Informationen

Zum Thema

Touristen im Schoggihimmel

Die Museen der Schokoladenhersteller gehören zu den beliebtesten touristischen Attraktionen. Mittlerweile gibt es in der Schweiz etwa zehn davon. Das neueste, das Lindt Home of Chocolate, ist seit seiner Eröffnung im September 2020 zu einem echten Touristenmagnet aufgestiegen. In diesem Sommer empfing das Museum am Schokoladenplatz 1 in Kilchberg (ZH) seinen fünfhunderttausendsten Besucher. Seit Anfang des Jahres kommen durchschnittlich 1'000 Gäste pro Tag und an den Wochenenden können es bis zu 2'000 werden.

Letzte Änderung 07.12.2022

Zum Seitenanfang

News und nützliche Informationen für Gründer und Unternehmer
https://www.kmu.admin.ch/content/kmu/de/home/aktuell/monatsthema/2022/Wenn%20KMU%20ihre%20T%c3%bcren%20f%c3%bcr%20Touristen%20%c3%b6ffnen.html