Für Schweizer KMU, die auf Produkte rund ums Fest spezialisiert sind, beginnt die Weihnachtszeit deutlich früher. Um mit Engpässen und der hohen Nachfrage zurechtzukommen, arbeiten sie schon seit Oktober auf Hochtouren, damit Spielzeug, Bücher, Kleidung, Feinkost und Schaumwein wohlbehalten unter dem Baum oder auf dem Tisch landen.
Viele kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz erzielen einen Grossteil ihres Umsatzes in den letzten Monaten des Jahres. Bei Franz Carl Weber in Zürich schätzt man, dass der Verkauf von Spielwaren im November und Dezember knapp 40% des Jahresumsatzes ausmacht. Bei dem Schaumweinproduzenten Mauler&Cie in Môtiers (NE) erreicht dieser Anteil für das letzte Quartal 60%. Und Serge Jaunin, Gründer von "L'éclat du foie gras", einem waadtländischen Einzelunternehmen, das Foie Gras herstellt, beziffert den rund um die Feiertage erzielten Umsatz sogar mit bis zu 80%.
Arbeitsintensive Zeiten
"In den letzten drei Monaten des Jahres sind alle Mitarbeiter im Einsatz und bis zum 31. Dezember nimmt niemand Urlaub", erklärt Jean-Marie Mauler, Präsident und CEO von Mauler, einem Betrieb mit 30 Festangestellten. "Alle wissen das und ziehen mit. Das Management des Weihnachtsgeschäfts ist schwierig. Es gibt Spannungen, Reklamationen, einige Kunden werden nicht zeitnah bedient. Das kostet Energie, aber den Preis muss man zahlen, wenn man gute Geschäfte machen will."
Die Beschäftigung von Saisonkräften ist daher in dieser Zeit sehr verbreitet. Der Experte für Schaumweine stellt zwei zusätzliche Personen ein, um die Logistik zu bewerkstelligen, und greift auf ein Dutzend Verkäuferinnen und Verkäufer zurück, um bei Märkten, Degustationen, Messen und Salons vertreten zu sein. Bei Franz Carl Weber sind es seinerseits 50 bis 60 zusätzliche Beschäftigte, die auf die 22 Filialen verteilt sind. Sie dienen als Verstärkung für die 200 festen Mitarbeitenden des Unternehmens.
Vorausschauend auf Engpässe eingehen
Die Versorgungsengpässe der letzten Monate haben die gesamte Lieferkette des Weihnachtsgeschäfts beeinträchtigt. "Wir wurden schon sehr früh darüber informiert, dass China Probleme mit der Produktion und dem Transport hat", erklärt Jacques Reinhard, Verkaufsleiter Schweiz bei Franz Carl Weber. "Daraufhin haben wir schneller und in grösseren Mengen bestellt. Das konnte aber nicht verhindern, dass einige Produkte nicht in der geplanten Menge eingetroffen sind."
Wie der Spielwarenhändler sind auch viele andere KMU, die in der Weihnachtszeit besonders aktiv sind, auf den reibungslosen Ablauf der Importe angewiesen. "Die Unternehmen sind gut vorbereitet und konnten rechtzeitig auf die Versorgungsprobleme eingehen", beobachtet Mathieu Grobéty, Direktor des Instituts CREA der Universität Lausanne (Institut für angewandte Wirtschaftswissenschaften). "Sie haben die Situation analysiert und erkannt, dass die Engpässe im Strassen- und Schiffstransport andauern werden, sodass es nötig ist zu handeln."
Von dieser Situation sind auch kleinere Betriebe wie Mauler betroffen. "Im Moment gibt es einen erheblichen Mangel an Holzpaletten, die wir für unsere Lieferungen nutzen. Der Preis ist innert weniger Monate stark gestiegen", beklagt Jean-Marie Mauler. "Wir versuchen, unsere Preise anzupassen, damit wir genügend Marge haben, um den Betrieb aufrechtzuerhalten."
Ein Jahr wie kein anderes
"Was dieses Jahr besonders macht, ist die Unsicherheit in Bezug auf die Preiserhöhungen angesichts der Versorgungsprobleme", meint der Direktor des Instituts CREA. "Auch im Hinblick auf das Einkaufsverhalten der Konsumenten besteht Ungewissheit. Die makroökonomischen Analysen lassen jedoch für den Arbeitsmarkt recht gute Zahlen erwarten." Laut Daten des SECO liegt die Arbeitslosenquote im Oktober bei 2,5%, gegenüber 3,7% im Januar und sie sinkt weiter. Das Bundesamt für Statistik (BFS) gibt für 2020 eine Erhöhung der Nominallöhne um 0,8% und der Reallöhne um 1,5% bekannt. Der Experte für prognostische Wirtschaftsanalysen sieht darin Schlüsselzahlen für den Detailhandel: "Wir sind in einer Phase des Wirtschaftsaufschwungs, wir haben einen Impfstoff. All das spricht für eine hohe Nachfrage der Konsumenten nach Produkten zum Fest."
Der Verkaufsleiter bei Franz Carl Weber meint: "Die Weihnachtswoche ist eindeutig die umsatzstärkste Woche, aber wir haben auch im November eine höhere Kundenfrequenz verzeichnet als in den anderen Jahren. Weil auch die Kunden über die Lieferprobleme informiert sind, scheinen sie ihre Einkäufe früher zu erledigen." Eine Unbekannte gibt es laut Mathieu Grobéty dennoch: den Faktor Einkaufstourismus. Werden die Schweizerinnen und Schweizer dieses Jahr im Inland oder verstärkt im Ausland konsumieren?
Informationen
Zum Thema
Was ist mit dem Online-Handel?
Um eine Vorstellung von den diesjährigen Zahlen zu bekommen, ist es interessant, sich die Vorweihnachtszeit 2020 anzuschauen. Laut dem Kreditkartenanbieter Swisscard hatten die Einkäufe per Kreditkarte zwischen dem 1. Dezember und Weihnachten gegenüber 2019 um 8% zugenommen. Damals war man mitten in der Pandemie und der Verkauf im Geschäft (+1%) war im Vergleich zum Online-Verkauf (+33%) der grosse Verlierer. "Die grundsätzliche Tendenz geht in Richtung Online-Handel, aber es kann sein, dass das Wachstum dort weniger stark ausfällt als 2020", erklärt Mathieu Grobéty (CREA).
Letzte Änderung 01.12.2021