In der Schweiz gibt es vier Bürgschaftsorganisationen, die wirtschaftlich tragfähigen KMU mit Entwicklungspotenzial dabei helfen, einen Bankkredit zu erhalten. Um diese Unterstützung noch weiter auszubauen, wurde die Obergrenze für die verbürgte Summe per 1. Juli 2019 von CHF 500'000 auf 1 Million erhöht.
"Wir werden aktiv, wenn die Banken einem Unternehmer sagen: ‘Ihr Projekt ist langfristig tragfähig, aber uns fehlen einige finanzielle Garantien’ ", erklärt Christian Wenger, Direktor von Cautionnement romand (Bürgschaft Westschweiz). Seine Organisation ist eine der vier in der Schweiz bestehenden Bürgschaftsorganisationen, neben BG Mitte, BG Ost/CF Sud und BG SAFFA*. Im Jahr 2017 leisteten diese Einrichtungen für 421 KMU im Rahmen der Kreditvergabe Bürgschaften für Kredite in Höhe von insgesamt CHF 84 Millionen.
Eine dieser Firmen, die von einer Bürgschaft profitieren, ist Flyability mit Sitz in Paudex (VD). Das KMU mit 80 Beschäftigten bringt Drohnen zum Erkunden von Innenräumen auf den Markt, für Räume, die anders nur schwer zugänglich oder für den Menschen gefährlich sind. Die fliegenden Roboter werden von der Industrie eingesetzt – zum Beispiel in Minen, Raffinerien oder auf Schiffen – und können so die Kosten für das Unternehmen sowie die Gefahren für die Mitarbeitenden senken. Um seine Expansion in diesem Segment fortzusetzen, beschloss das 2014 gegründete Start-up im Jahr 2018, seine Produktlinie weiterzuentwickeln und Kapital in Höhe von CHF 10 Millionen zu beschaffen. "Bis dahin hatten wir uns nur an Risikokapitalgeber gewandt", erläutert der CEO Patrick Thévoz. "Für diese Finanzierungsrunde wollten wir auch bei Banken anfragen."
Neben der Beteiligung von Investoren wie Swisscom erhielt das Unternehmen so eine Kreditlinie von CHF 2 Millionen bei einer Bank, wobei die Organisation Cautionnement romand für einen Teil des Kredits bürgte. "Auch wenn sich die Banken in der Schweiz der Start-up-Finanzierung gegenüber immer offener zeigen, war die Höhe des Kredits, den wir erhielten, eindeutig von der Unterstützung durch Cautionnement romand beeinflusst. Ohne diese Hilfe wäre die gewährte Summe kleiner gewesen."
Voraussetzungen für eine Bürgschaft
Ähnlich wie bei der Investition der Firma Flyability werden nur langfristig lebensfähige und kohärente Projekte von den Schweizer Bürgschaftsorganisationen geprüft. Ausserdem dürfen sie keine weiteren staatlichen Subventionen erhalten und der Betrag des verbürgten Bankkredits darf nicht über CHF 1'000'000 liegen. Diese Obergrenze wurde zum 1. Juli 2019 angehoben, als auch die Revision des Gesetzes über die Finanzhilfen an Bürgschaftsorganisationen für KMU in Kraft trat.
Mit Ausnahme des Landwirtschaftssektors kommen alle Branchen in Frage. "In der Westschweiz machen beispielsweise das Verarbeitende Gewerbe und der Handel die Hälfte der Bürgschaftsaktivität aus", ergänzt Christian Wenger.
KMU in sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadien und mit verschiedenen Bedürfnissen können eine Bankgarantie beantragen. Die 2017 in der Schweiz gewährten Bürgschaften dienten folgenden Zwecken: Erhalt von Betriebskapital (40% der Fälle), Übernahme eines bestehenden Unternehmens (19%), Firmengründung (17%), Investition (13%) und Immobilienkäufe (11%).
Welche Kriterien legen die Ausschüsse der Bürgschaftsorganisationen bei der Prüfung der Gesuche zu Grunde? "Unsere Analyse verläuft ähnlich wie diejenige einer Bank; wir achten auf die Rentabilität des Unternehmens, die Fähigkeit, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen, sowie auf die unternehmerischen Fähigkeiten der Geschäftsführung", erläutert Christian Wenger. "Wir berücksichtigen aber auch Kriterien wie den Erhalt von Know-how und Arbeitsplätzen. So haben wir für Investitionen des Waadtländer Spieluhrfabrikanten Reuge gebürgt, dessen Know-how in der ganzen Welt anerkannt ist."
Kosten für eine Bürgschaft
Wird das Gesuch bewilligt, gibt es den Kredit nicht umsonst. Da die Bank das Risiko nicht mehr selbst trägt, liegen die angebotenen Zinsen in der Regel unter denjenigen für einen Bankkredit ohne Garantie. Hinzu kommt eine jährliche Risikoprämie von 1,25%, die das KMU zu tragen hat. Das Hauptziel besteht jedoch nicht darin, den KMU möglichst tiefe Zinssätze zu verschaffen, sondern Unternehmen, die keinen Bankkredit erhalten, den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern.
Grundsätzlich bürgen die Bürgschaftsorganisationen nur für Kredite, die über eine Laufzeit von höchstens zehn Jahren abgezahlt werden, wie Christian Wenger berichtet, der die Bürgschaftsorganisation Cautionnement romand leitet. "Und wenn es das Unternehmen nicht schafft, den Kredit fristgemäss zurückzuzahlen – was nur in etwa 7 von 100 Fällen vorkommt –, verlängern wir den Kredit für eine Dauer von fünf Jahren."
* Die 4 Bürgschaftsorganisationen
- BG Mitte / CC Centre: zuständig für KMU in den Kantonen BE, JU, SO, BS, BL, LU, OW, NW.
- BG Ost / CF Sud: zuständig für KMU in den Kantonen SG, AG, AI, AR, GL, GR, SH, SZ, TI, TG, UR, ZG, ZH.
- Cautionnement romand: zuständig für KMU in den Kantonen GE, VD, NE, FR, VS.
- BG SAFFA: für unternehmerische Projekte von Frauen in der gesamten Schweiz
Informationen
Zum Thema
Die Rolle des SECO
Der Bund hat das SECO damit beauftragt, das Vorgehen der Bürgschaftsorganisationen in der Schweiz zu vereinheitlichen. Seit 2007 wurde ihre Zahl daher auf vier Organisationen reduziert, die den KMU schweizweit dieselben Dienste anbieten. Erläuterungen des Ökonomen Samuel Turcati, der beim SECO für dieses Thema zuständig ist.
Welche Rolle spielt der Bund im Bürgschaftswesen?
Samuel Turcati: Das SECO übernimmt im Auftrag des Bundesrates die Rolle der Steuerung und Überwachung der Bürgschaftsorganisationen in der Schweiz. Alle vier Jahre schliesst es mit ihnen einen Vertrag über Finanzbeihilfen. So wird die Aktivität der Organisationen regelmässig evaluiert und dem Parlament wird ein Bericht über ihre Tätigkeit vorgelegt. Der Bund trägt mit CHF 3 Millionen pro Jahr zur Deckung der Verwaltungskosten der Organisationen bei und finanziert 65% der Rückzahlungen von Krediten, die nicht von den Unternehmen geleistet wurden (der Rest wird von den Bürgschaftsorganisationen finanziert).
Warum ist es sinnvoll, dass der Staat in diesem Bereich eingreift?
Es handelt sich um ein Nischeninstrument, das für KMU gedacht ist, die Probleme bei der Bewilligung eines Bankkredits haben. Der Nutzen für die KMU und das Wirtschaftsgeflecht der Schweiz liegt auf der Hand. KMU können auf diese Weise Kredite erhalten, die ihnen die Banken sonst nicht gewährt hätten. So werden die Gründung und die Nachfolge von Unternehmen gefördert oder KMU wird ein Wachstum ermöglicht. Das System ist in erster Linie ein Mechanismus zur Förderung von KMU und besonders stark in den ländlichen Gebieten vertreten. Ende 2017 profitierten mehr als 1'800 Unternehmen von einer Bürgschaft. Diese Unternehmen stellen mehr als 22'000 Arbeitsplätze und bilden rund 1'800 Lehrlinge aus. Das Bürgschaftssystem zugunsten von KMU leistet also auch einen Beitrag zur Berufsbildung.
Wurde das Gesetz über das Bürgschaftswesen geändert?
2016 hat das Parlament eine Motion angenommen, die eine Erhöhung der Obergrenze für verbürgte Kredite von CHF 500'000 auf 1 Million vorsah. Die Befürworter dieser Änderung wollten damit insbesondere die Übernahme von KMU erleichtern, bei der sehr hohe Kosten entstehen können. Am 14. Dezember 2018 verabschiedete das Parlament schliesslich die Revision des Gesetzes über die Finanzhilfen an Bürgschaftsorganisationen für KMU, die vom Bundesrat eingebracht wurde. Diese ist am 1. Juli 2019 in Kraft getreten.
Letzte Änderung 03.07.2019