Der Börsengang: Ein Reifeprozess für Unternehmen

Die Schweiz präsentiert sich als guter Standort für Börsengänge. Welche Elemente sind für ein erfolgreiches IPO notwendig? Hier einige Tipps.

Dach des Eingangsportals der Schweizer Börse

Die Schweizer Börse verzeichnet etliche Neuzugänge. 2018 vollzogen zwölf neue Firmen ihr IPO (Initial Public Offering); das sind mehr als in den vorherigen Jahren. Eine von ihnen ist das Premium-Netzwerk aus Zürich A Small World, das 40 Mitarbeitende zählt (s. Kasten). Mit einer Kapitalbeschaffung in Höhe von CHF 2,3 Milliarden im vergangenen Jahr ist die SIX Group, die die Schweizer Börse betreibt, in Europa auf Platz zwei hinter London und weltweit auf Platz acht.

Ein langes Verfahren

Börsenkotierte Firmen sind nicht immer grosse Konzerne. Auch einige KMU und Start-ups sind diesen Schritt gegangen. Aber warum entscheiden sie sich dafür? "Das Hauptziel eines Börsengangs ist die Kapitalbeschaffung, die einem Unternehmen dabei hilft, sich weiterzuentwickeln", erklärt Julian Chan, Sprecher der SIX Group.

Für die Firmen ist der erste Tag an der Börse ein Meilenstein, aber um dorthin zu gelangen, muss zunächst ein langer Prozess durchlaufen werden. "Um sicherzustellen, dass es erfolgreich wird, sollte man vom Anfang bis zum Abschluss des Projekts zwei bis drei Jahre einplanen", gibt Tobias Meyer, Leiter Transaction Accounting und IPO bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst&Young (EY), zu bedenken. "Sollte eine Firma ihren Eintritt in die Finanzmärkte unbedingt beschleunigen wollen, kann auch eine Frist von drei bis vier Monaten bis zum ersten Tag an der Börse in Betracht kommen", ergänzt Julian Chan von SIX Group.

Es ist jedoch besser, sich Zeit zu nehmen, macht der Pressesprecher der Finanzgruppe deutlich. "Umso mehr, da es sehr zu empfehlen ist, den Investoren immer eine ‘Schweizer Perspektive’ zu präsentieren, damit der Börsengang Erfolg hat. Ohne irgendeine Verbindung zur Schweiz könnte ein Börsengang als etwas Ungewöhnliches angesehen werden."

Kraftvoller Start im Frühjahr

Einige Zeiten sind für ein IPO besser geeignet als andere. In der Regel ist der Jahresbeginn besonders beliebt. "Das erste Zeitfenster für einen Börsengang geht von Ende März, Anfang April bis Ostern", führt Julian Chan weiter aus. "Dann gibt es ein zweites über den ganzen Sommer und schliesslich das letzte im Herbst."

Aus Sicht von Tobias Meyer müssen die Firmen aber aufmerksam das wirtschaftliche Umfeld in den Blick nehmen, bevor sie sich für den Zeitpunkt ihres Börsengangs entscheiden. "Sie müssen flexibel sein und vor allem nach den optimalen Marktbedingungen suchen. Heute haben sich die Bedingungen mit den geopolitischen Spannungen, den konfliktreichen Beziehungen zwischen China und den USA und den Unwägbarkeiten rund um den Brexit verschlechtert."

Bleibt noch die Frage nach dem Preis für einen Börsengang. In der Vorbereitungsphase wird zwischen dem Geschäftsführer der Firma und der Investmentbank, die mit dem IPO befasst ist, gemeinsam eine Preisspanne festgelegt. Die Bank analysiert die Performance und die "Gesundheit" der Firma, um einen Preis sowie die Anzahl der auszugebenden Aktien zu definieren. Zudem kann man den Vorschlag für das IPO mit ähnlichen Firmen derselben Branche vergleichen, die bereits an der Börse kotiert sind.

"Man darf nicht vergessen, dass ein Börsengang auch mit Kosten verbunden ist", erklärt Julian Chan von SIX Group. Die Gesamtkosten eines IPO belaufen sich in der Regel auf 2% bis 5% der Transaktionssumme. Die grössten Ausgaben entfallen hierbei auf die Kosten für die beauftragten Investmentbanken sowie auf die Rechts- und Buchführungskosten. "Unsere Gruppe stellt dann noch CHF 19'000 für die Zulassung zu einem Börsengang mit einer Börsenkapitalisierung von CHF 100 Millionen in Rechnung."

Unerwartete Risiken

Beim Eintritt in den Finanzmarkt sind viele Vorsichtsmassnahmen zu treffen. "Ein überhöhter Preis, ein schlechtes Management oder ein zu früher Zeitpunkt für diesen Schritt sind Probleme, die am Tag der Aktienemission plötzlich sichtbar werden können", warnt Tobias Meyer von EY. Der IPO-Leiter nennt noch weitere mögliche Risiken wie den wachsenden Einfluss der neuen Aktionäre: "Sie können erheblich auf die Entscheidungsfindung und die Strategie einwirken.“ Der Druck, der durch die unternehmerischen Versprechen entsteht, oder die von den Finanzmärkten geforderte Transparenz können ebenfalls ein zusätzliches Risiko darstellen.


Informationen

Zum Thema

Die Alternative "Direct Public Offering"

A Small Word ist ein 2004 gegründetes soziales Netzwerk im Premium-Segment, das wohlhabende Menschen, mehrheitlich zwischen 25 und 45 Jahren, bei festlichen Anlässen zusammenbringen will. Die Plattform, auf der 30'000 Mitglieder angemeldet sind, ist im März 2018 an die Börse gegangen. Geschäftsführer Jan Lüscher wählte dafür das Direct Public Offering. Anders als beim IPO verkauft man bei diesem Modell die Aktien direkt an externe Investoren, ohne dafür eine zusätzliche externe Struktur zu benötigen.

Warum haben Sie sich für ein Direct Listing entschieden und nicht für einen gewöhnlichen Börsengang?

Wir wollten einen besseren Zugang zu den Finanzmärkten haben, für den Falls, dass wir Geld für allfällige Fusionen und Übernahmen brauchen. Zu dem Zeitpunkt, als wir an die Börse gingen, hatten wir aber keinen Bedarf an zusätzlichem Kapital.

Welche Risiken sind mit einem solchen Geschäft verbunden?

Viele meinen, dass diese System weniger attraktiv ist, da der Markt so keine Möglichkeit hat, den Emissionspreis mitzubestimmen, aber diese Ansicht teile ich nicht. In unserem Fall gab es am ersten Tag, an dem die Aktien gehandelt wurden, extreme Schwankungen, sodass der Markt durchaus den richtigen Emissionspreis finden konnte.

Welche Tipps würden Sie geben?

Beim Direct Listing ist es erforderlich, dass man Hauptinvestoren hat, die bereit sind, einen zu unterstützen. Grundsätzlich sollte man viel über die Firma berichten, damit der Markt weiss, worum es geht. Ausserdem müssen die Investoren einen kennen und es ist wichtig, dass man besonders im Hinblick auf juristische Fragen kompetente Leute an seiner Seite hat.

Letzte Änderung 02.10.2019

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