"So legt man eine solide Grundlage für einen erfolgreichen Börsengang"

Fabian Gerber, verantwortlich für die Gewinnung und Begleitung potenzieller Börsenkandidaten bei der Schweizer Börse, erklärt, wie man einen Börsengang vorbereitet, bestmöglich davon profitiert und das Wachstum eines Unternehmens beschleunigt.

In der Schweiz beläuft sich die Zahl der Börsengänge (IPO) auf durchschnittlich fünf pro Jahr. Start-ups entscheiden sich häufig für eine private Finanzierung anstelle eines Börsengangs. Ein IPO kann jedoch frisches Kapital, Glaubwürdigkeit und erhöhte Sichtbarkeit bieten. Im Gegenzug ist eine sorgfältige Vorbereitung erforderlich, besonders in den Bereichen Governance, Finanzen und Kommunikation. Fabian Gerber, Head Origination bei der SIX Swiss Exchange, erläutert die entscheidenden Schritte für einen erfolgreichen Einstieg in die Kapitalmärkte.

Warum gehen Schweizer Start-ups im Vergleich zu anderen Ländern generell langsamer an die Börse?

Fabian Gerber: Ein Grund dafür ist die ausgeprägte private Finanzierungskultur in der Schweiz: Viele Unternehmen können langfristig durch Family Offices, Venture Capital oder andere private Investoren unterstützt werden und haben so die Möglichkeit, zunächst privat zu wachsen. Hinzu kommen hohe Anforderungen an Qualität, Governance und Transparenz, die eine gründliche Vorbereitung auf einen Börsengang erfordern.

Was sind die wichtigsten Schritte eines Börsengangs?

Gerber: Die Vorbereitung auf einen Börsengang gliedert sich im Kern in drei Bereiche: Zunächst müssen Finanzen, Governance und interne Kontrollen auf ein börsentaugliches Niveau gebracht werden – saubere Abschlüsse, belastbare Prozesse und ein professionell aufgestellter Verwaltungsrat sind Grundvoraussetzungen. Parallel dazu gilt es, eine überzeugende und klare Argumentations- und Kommunikationsstrategie für Investoren, Analysten und Medien aufzubauen. Schliesslich braucht es Strukturen und Reporting-Systeme, die den regulatorischen Anforderungen und erhöhten Transparenzpflichten genügen.

Welche Anforderungen sind am schwierigsten zu erfüllen?

Gerber: Die grössten Herausforderungen liegen oft nicht in einzelnen Vorschriften, sondern in der Gesamtheit der Anforderungen. Besonders anspruchsvoll sind die Umstellung auf halbjährliche oder quartalsweise Berichterstattung, die Stärkung der Corporate Governance und die Veränderung der Unternehmenskultur hin zu mehr Transparenz und Disziplin. All dies erfordert Zeit, klare Prozesse und ein starkes Commitment auf allen Ebenen.

Wie verändert ein solcher Vorgang die Rolle der Gründer?

Gerber: Für die Gründer bedeutet dieser Schritt einen tiefgreifenden Rollenwechsel. Sie treten stärker aus dem operativen Tagesgeschäft heraus und agieren vermehrt als strategische Unternehmenslenker. Gleichzeitig rücken sie stärker in die Öffentlichkeit: Analysten, Medien und Investoren beobachten ihre Entscheidungen und ihre Kommunikation sehr genau. Das erfordert nicht nur höhere Disziplin bei der Berichterstattung, sondern auch Routine im Umgang mit Investor-Relations-Themen, Roadshows (Veranstaltungsreihen, bei denen das Unternehmen den Investoren die Geschäftsentwicklung vorstellen, Anm. d. Red.) und öffentlichen Auftritten. Zudem müssen sie lernen, mit der erhöhten Volatilität des Aktienkurses zu leben und Erwartungen des Kapitalmarkts aktiv zu steuern – etwa durch transparente Guidance und konsistentes Messaging. Auch der Dialog mit einem diversifizierten Aktionariat und die enge Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat gewinnen an Bedeutung.

Wie kann die IPO Academy bei diesem Schritt helfen?

Gerber: Das Programm vermittelt praxisnah, was ein Börsengang konkret bedeutet – von regulatorischen Anforderungen bis zur Kapitalmarktkommunikation. Gründer und CFOs erhalten direkte Einblicke von Fachleuten, Investoren und erfahrenen Praktikern, die IPO-Prozesse bereits erfolgreich begleitet haben. Pro Durchgang nehmen maximal 15 Unternehmen teil, und alle Teilnehmenden gehören dem obersten Management an. Das Programm bietet zudem eine wertvolle Networking-Plattform. Für den neuen Durchgang können sich interessierte Unternehmen bis Ende des 1. Quartals 2026 anmelden.

Welche Ratschläge würden Sie Start-ups geben, die einen Börsengang anstreben?

Gerber: Zunächst ist es wichtig, frühzeitig zu beginnen: Mindestens 18 bis 24 Monate Vorlaufzeit sollten eingeplant werden, um die nötigen Strukturen sowie Reporting und Governance zu etablieren. Parallel dazu gilt es, das richtige Team aufzubauen. Es braucht erfahrene CFO- und Investor-Relations-Ressourcen, um die komplexen Anforderungen eines IPOs professionell zu steuern und den Dialog mit Investoren, Analysten und Medien zu führen. Nicht zuletzt sollte die Equity Story sorgfältig geschärft werden: Es muss klar und überzeugend dargelegt werden, wie das Unternehmen nachhaltig wächst, profitabel ist oder werden kann und wie es langfristigen Mehrwert für Investoren schafft. Wer diese Punkte frühzeitig angeht, legt eine solide Grundlage für einen erfolgreichen Börsengang.


Zur Person/Firma

Fabian Gerber, Leiter der IPO Academy bei der Schweizer Börse SIX

Fabian Gerber ist seit dem 1. Februar 2025 als Head Origination der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange tätig. Er verantwortet den Aufbau und die Weiterentwicklung von Beziehungen zu IPO-Kandidaten sowie Initiativen und Business-Development-Aktivitäten von SIX im Pre-IPO-Bereich. Vor seinem Einstieg bei SIX als Senior Relationship Manager im September 2017 war Fabian Gerber mehrere Jahre im Banking tätig und spezialisierte sich auf Vertrieb, Akquisition sowie Relationship Management im Finanz- und Kapitalmarktumfeld. Er verfügt über einen Abschluss in Betriebsökonomie und absolvierte ein Studium in Corporate Finance an der Hochschule Luzern.

Im Gespräch

Letzte Änderung 15.10.2025

Zum Seitenanfang

News und nützliche Informationen für Gründer und Unternehmer
https://www.kmu.admin.ch/content/kmu/de/home/aktuell/interviews/2025/solide-grundlage-erfolgreichen-boersengang.html