Im Jahr 2024 waren rund 100'000 Schweizer Unternehmen auf der Suche nach einem Nachfolger. Die Anlagestiftung Renaissance unter der Leitung von Christian Waldvogel investiert in besonders vielversprechende KMU, die als "reif" eingestuft werden und externes Kapital benötigen, um ihre Übergabe zu organisieren.
Von mehr als 600'000 KMU in der Schweiz gelten lediglich rund 10'000 als "reif". Es handelt sich dabei um seit langer Zeit etablierte Unternehmen oder familiengeführte KMU, die seit mehreren Jahrzehnten auf sehr spezifischen Märkten bzw. Nischenmärkten tätig sind und sich durch ihre stabile Position und ihr intaktes Wachstumspotenzial auszeichnen, das sich im Durchschnitt auf 3 bis 5% pro Jahr beläuft. Manchmal ist es für einige aber schwierig, einen Nachfolger zu finden, da sich die benötigten Summen auf Dutzende Millionen Franken belaufen. Die Anlagestiftung Renaissance ist die einzige Anlagestruktur, die ausschliesslich auf reife KMU in der Schweiz ausgerichtet ist. Sie bietet an, die Mehrheit der Unternehmensanteile zu kaufen, um potenziellen Käufern die Möglichkeit zu geben, selbst mit geringen Eigenmitteln in das Kapital einzusteigen. Dafür wird Geld aus den Schweizer Pensionskassen investiert, wie Christian Waldvogel, Managing Partner bei Renaissance erklärt.
In welche Art von Unternehmen investiert Renaissance?
Christian Waldvogel: Renaissance nimmt "reife" Schweizer Unternehmen in sämtlichen Wirtschaftszweigen ins Visier, die zwischen CHF 30 und 80 Millionen Umsatz machen. Die meisten zählen zwischen 50 und 200 Beschäftigte. Wir interessieren uns dabei für rentable Firmen mit einem durchschnittlichen Jahreswachstum zwischen 3% und 5%.
Unsere Kriterien führen oft dazu, dass wir Nischenmärkte bevorzugen, in denen das Wachstum robust und von Dauer ist. Unser Portfolio enthält vor allem Firmen mit sehr spezifischen Produkten, darunter Gelenkarme für Operationssäle, MRT-Kalibrierungssysteme oder Ultrahochspannungskondensatoren für die Stromnetze.
Warum haben Sie sich diese Kategorie von KMU ausgesucht?
Waldvogel: Wir zielen auf langfristig attraktive Investments ab. Es ist daher notwendig, dass das KMU über hinreichende finanzielle und betriebliche Ressourcen verfügt, um auf neue Herausforderungen wie die konjunkturellen Schwierigkeiten oder die sich verändernden Bedürfnisse des Marktes zu reagieren. Diese Voraussetzungen bringen kleine Unternehmen mit einigen Dutzend Beschäftigten nur selten mit. Ausserdem bietet der Markt in diesem Segment viele Möglichkeiten. Laut den Schätzungen des SECO zählt das Schweizer Wirtschaftsgeflecht etwa 10'000 sogenannte "reife" Firmen, von denen rund 50% bis 60% externes Kapital suchen, um ihre Nachfolge zu regeln.
Wie gestaltet sich das Aktionariat der Firma, wenn Renaissance in das Kapital einsteigt?
Waldvogel: In den meisten Fällen gehen 5% bis 10% der Anteile in die Hände des neuen Managements. Die Gründerfamilie bleibt drei bis fünf Jahre mit 20% bis 30% am Unternehmen beteiligt und ist weiterhin in die Geschäfte eingebunden, oftmals durch einen Sitz im Verwaltungsrat. In dieser Phase wird der Übergang so sanft wie möglich gestaltet, ohne die Abläufe in der Firma durcheinander zu bringen. Am Ende dieser Phase kauft Renaissance die übrigen Anteile und wird Mehrheitsaktionär mit 90% bis 95%. In einigen Fällen werden die Anteile der Familie teilweise vom Management übernommen, das auf diese Weise mehr Gewicht unter den Aktionären erhält.
Kommt es vor, dass das Management Renaissance von sich aus darum bittet, ihm zu helfen, die Firma zu übernehmen?
Waldvogel: Es gibt solche Fälle und auch um diese kümmern wir uns. Einige Manager kommen mit Eigenkapital und bitten uns um zusätzliche Mittel als Ergänzung. Wir versuchen immer, eine möglichst grosse Beteiligung des Managements zu erreichen, indem wir in der Regel beim ersten Schritt einen Anteil von 10% anstreben. Ausserdem bevorzugen wir Szenarien, in denen die Firma von insgesamt mehr als fünf Personen übernommen wird, anstatt nur von einer oder zwei. Grundsätzlich gilt, dass das Unternehmen umso besser geführt wird, je grösser die Interessengemeinschaft ist.
Was sind die Vorteile für die Firma und das Management?
Waldvogel: Die Beteiligung des Managements am Firmenkapital bringt eine ganz andere Dynamik mit sich. Die Personen sehen die Firma nicht mehr als Arbeitgeber, sondern auch als Teil ihres Vermögens.
Welchen Beitrag können Sie als Mehrheitsaktionär für die KMU mit Blick auf die Unternehmensführung leisten?
Waldvogel: Wir spornen die Manager zu herausragenden Leistungen in Bezug auf das Produkt und die Finanzen an, aber auch im Bereich der Arbeitsbedingungen. Es ist auch sehr wichtig geworden, die ESG-Kriterien zu berücksichtigen (Umwelt, Soziales und Governance, wodurch ein normativer ethischer Rahmen für die Unternehmen geschaffen werden soll, Anm. d. Red.). Zudem versuchen wir, Menschen in den Verwaltungsrat zu holen, die eine langfristige Vision haben und in der Lage sind, konjunkturelle Herausforderungen zu antizipieren. Dieser Aspekt hat sich beispielsweise 2015 während der Krise der Frankenstärke als sehr wichtig erwiesen, oder auch bei den Lieferkettenproblemen während der Covid-Pandemie. Aktuell lancieren wir ferner eine Aufklärungskampagne zu künstlicher Intelligenz. Einige KMU müssen sich das Potenzial dieser Instrumente noch bewusst machen, sei es auf dem Gebiet der Verwaltung, des operativen Managements oder der Wartung der Maschinen.
Welche Rendite können die Investoren von reifen KMU erwarten?
Waldvogel: In den letzten fünf Jahren haben die Investoren eine jährliche Netto-Dividende von 7% erzielt und ein Wachstum von 5%, also insgesamt eine Rendite von 12% pro Jahr. Die Gelder, die wir investieren, stammen ausschliesslich aus den Schweizer Pensionskassen. Es kann passieren, dass die Firmen mit strukturellen Herausforderungen zu kämpfen haben. Auf dem Informatik-Markt beispielsweise hat sich der Wettbewerb extrem verschärft, nicht nur im Hinblick auf die Preise, sondern auch bei der Rekrutierung von Talenten. In der Schweiz gibt es viele sehr attraktive grosse Arbeitgeber, was für ein KMU, selbst wenn es zu den reifen Firmen gehört, eine Herausforderung darstellen kann.

