"Patente sind eine Investition in die Zukunft des Unternehmens"

Welche Methoden für den Schutz des geistigen Eigentums passen zu KMU und ihren finanziellen Mitteln? Erläuterungen von Hansueli Stamm, Chefökonom am Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum.

Technische Innovationen lassen sich beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) durch Patente schützen, die Form eines Gegenstands durch Designs und der Name oder das Logo eines Produkts oder einer Dienstleistung durch Marken. Aber wann und wie muss man aktiv werden, um das geistige Eigentum seines Unternehmens zu schützen? Hansueli Stamm, Chefökonom des IGE, fasst einige Grundlagen zu diesem Thema zusammen.

Welche Vorteile hat ein Unternehmen, wenn es seine Innovationen schützt?

Hansueli Stamm: Mit dem Schutz durch ein Patent kann man andere Firmen daran hindern, die eigene Erfindung zu nutzen. Das gilt zum Beispiel auch für das Muster eines Stoffes, das man entworfen hat: Für eine bestimmte Zeit darf es niemand kopieren, wenn man es durch ein eingetragenes Design schützt. Das System hat mehrere Vorteile. Einerseits kann man mit seiner Erfindung (Patent) oder seinem Design Geld verdienen. Andererseits verfügt das Unternehmen dann über ein Portfolio von Schutzrechten, das ihm bei potenziellen Investoren Glaubwürdigkeit verleiht. Die Rechte an geistigem Eigentum haben eine grosse Signalwirkung, besonders für junge Unternehmen.

Warum zögern einige KMU mit Investitionen in den Schutz ihres geistigen Eigentums?

Stamm: Wir haben vor einigen Jahren eine Erhebung durchgeführt, die zeigt, dass ein Drittel der KMU sich der Gefahren, denen sie sich ohne einen solchen Schutz aussetzen, nicht bewusst sind. Ein weiteres Drittel weiss zwar um das Problem, verdrängt es aber, und das letzte Drittel kümmert sich um den Schutz seiner Innovationen, Designs und Marken. Es ist also eine Mischung aus Unkenntnis und schlechter Prioritätensetzung. Man darf das nicht falsch verstehen: Sein geistiges Eigentum nicht zu schützen, ist auch eine Option. Aber nur, wenn das Unternehmen diese Entscheidung auf der Basis einer bestehenden Schutzstrategie bewusst trifft.

Zu welchem Zeitpunkt sollte ein junges Unternehmen in Erwägung ziehen, seine Erfindungen zu schützen?

Stamm: Hier sind drei Fragen zu beantworten: wie, wann und wo. Für Start-ups ist die sicherste Methode, um ihre Erfindung zu schützen, in der Regel das Patent. Eine andere – aber sehr anspruchsvolle – Möglichkeit ist die Geheimhaltung. Für die Frage nach dem Zeitpunkt gilt die Regel: so schnell wie möglich! Eine Erfindung muss neu sein, damit man sie patentieren kann. Neuheit ist dabei absolut zu verstehen: Sobald die Idee irgendwo veröffentlicht ist – da reichen schon ein paar Präsentationsfolien im Internet oder ein kurzes YouTube-Video –, kann sie nicht mehr durch ein Patent geschützt werden. Und dann ist ein Patent bis auf wenige Ausnahmen nur in dem Land gültig, in dem es eingereicht wurde (was auch für Marken und Designs gilt). Darum muss ein Unternehmen genau über seine aktuellen und eventuell künftigen Märkte nachdenken und seine Erfindung in diesen Gebieten zum Patent anmelden.

Haben Patente auch das Potenzial, zusätzliche Einnahmen zu generieren?

Stamm: Ein wichtiger Aspekt von Patenten, Marken und Ähnlichem ist die Möglichkeit, diese Schutzrechte in Form von Lizenzen gegen Bezahlung an andere abzutreten. Ein Beispiel sind Start-ups im pharmazeutischen Bereich, für die es unmöglich ist, eine Substanz, die sie selbst entwickelt haben, in grossen Mengen zu produzieren. Sie brauchen also ein etabliertes Unternehmen, das die Produktion für sie übernimmt. Man muss aber betonen, dass das keinesfalls nur für Start-ups im High-Tech-Sektor ein Thema ist.

Was würden Sie einem Unternehmen mit begrenztem Budget raten?

Stamm: Patentanmeldungen sind Investitionen in die Zukunft des Unternehmens, wofür eine strenge Schutzstrategie erforderlich ist: An welchem Punkt entwickelt sich die Technologiesparte besonders rasant? Wer sind meine Konkurrenten? Wo will ich mich durch ein Patent schützen? Die Patentanmeldung muss dann auf Basis dieser Strategie gezielt vorgenommen werden. Die Kosten für die Anmeldung, die Prüfung und die jährlich vom Staat erhobenen Gebühren sind relativ gering. In der Schweiz belaufen sie sich pro Patent auf CHF 700 für die Einreichung und Prüfung und CHF 1'180 für zehn Jahre Schutz. Man muss also mindestens CHF 2'000 ausgeben, um andere zehn Jahre lang daran hindern zu können, die eigene Erfindung zu nutzen.

Können Sie kurz das KMU-Angebot des IGE vorstellen?

Stamm: Die Bedürfnisse von KMU und Start-ups sind sehr unterschiedlich. Wir haben daher ganz verschiedene Unterstützungsangebote im Programm. Neben unserem speziell für KMU erstellten Informationsportal haben wir ein Contact Center, das Auskünfte in vier Sprachen erteilt oder die Fragen an die Expertinnen und Experten unserer Organisation weiterleitet. Im Bereich der Erfindungen bieten wird begleitete Patentrecherchen an, bei der mit einem Patentexperten untersucht wird, ob einen Erfindung tatsächlich neu und somit patentierbar ist. Ausserdem beraten die Anwältinnen und Anwälte aus dem IP-Beratungsnetzwerk KMU und Privatpersonen 45 Minuten lang kostenlos zum Schutz durch Patente und zum Schutz von Software durch das Urheberrecht. Wir stellen auch Checklisten für die Erarbeitung einer Schutzstrategie für ein Unternehmen und die relevanten Punkte bei der Vergabe von Lizenzen für Rechte des geistigen Eigentums zur Verfügung. Und schliesslich bieten wir Anfängerkurse im Rahmen der Ausbildung von Patentanwälten an.


Informationen

Zur Person/Firma

Hansueli Stamm, Chefökonom am Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE)

Dr. Hansueli Stamm ist Chefökonom am Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE). Sein Studium absolvierte er an der Universität Basel, wo er einen Abschluss als Ökonom und diplomierter Handelslehrer erhielt. Anschliessend promovierte er an der Universität Freiburg (Breisgau) im Bereich Wirtschaftswissenschaften. Er ist an verschiedenen Einrichtungen als Dozent tätig, unter anderem an der Universität St. Gallen als Lehrbeauftragter für Law & Economics of Intellectual Property.

Letzte Änderung 27.09.2023

Zum Seitenanfang

News und nützliche Informationen für Gründer und Unternehmer
https://www.kmu.admin.ch/content/kmu/de/home/aktuell/interviews/2023/patente-sind-eine-investition-in-die-zukunft-des-unternehmens.html