Die Bereitschaft zur Unternehmensgründung ist in der Schweiz weiterhin hoch: Im letzten Jahr wurden mehr als 50'000 neue Firmen eingetragen. Erläuterungen von Simon May, Co-CEO des Instituts für Jungunternehmen.
Als Partner des Online-Portals EasyGov begleitet das Institut für Jungunternehmen (IFJ) jedes Jahr Zehntausende Unternehmerinnen und Unternehmer. Nach einem leichten Rückgang zwischen 2014 und 2015 ist in der Schweiz seit fünf Jahren eine konstant positive Entwicklung zu verzeichnen. 2022 wurden bei den Handelsregisterämtern 50'015 Firmengründungen eingetragen, was gegenüber dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre einem Anstieg um 12,6% entspricht. Simon May, Co-CEO des IFJ, spricht über die Gründe für die hohe Anzahl an Firmengründungen und über deren Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes.
Gilt der Spruch "es gibt keinen schlechten Zeitpunkt, um zu gründen" immer noch?
Simon May: Ja, die Firmengründungen in den letzten drei Jahren spiegeln die Aussage wider, dass jede Krise auch eine Chance ist. Die hohe Anzahl an Neugründungen ist ein positives Signal für eine nachhaltig gut funktionierende Schweizer Volkswirtschaft. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten entstehen stets viele neue Unternehmen. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus einer manchmal notwendigen Neuorientierung und der Verwirklichung eigener Ideen.
Was erklärt diese Entwicklung?
May: Der Hauptantrieb für die Gründung einer eigenen Firma ist der Wunsch nach mehr Freiheit und Selbstbestimmung. Der Trend der letzten Jahre (vgl. die nationale Analyse des IFJ) zeigt deutlich, dass sich die Zahl neuer Unternehmen schon vor der Pandemie sehr positiv entwickelt hat.
Wir stellen auch eine höhere Anzahl an Unternehmensgründungen im Rahmen eines Nebenerwerbs fest. Laut unserer gemeinsam mit PostFinance durchgeführten jährlichen nationalen Studie sind 66% der Leute zum Zeitpunkt der Gründung noch in einem anderen Unternehmen tätig. Der Sicherheitsgedanke lässt sich ideal mit dem Wunsch nach mehr Freiheit kombinieren. Und heute ist dies dank den neuen Technologien noch leichter. Wir beobachten auch, dass mehr Menschen um das Pensionsalter herum eine Firma gründen – häufig, um für ihren noch aktiven Arbeitgeber mit reduziertem Pensum weiterzuarbeiten.
In welchen Branchen gibt es die meisten Firmengründungen?
May: In absoluten Zahlen zählen wir die meisten Gründungen in den Bereichen Handwerk, Immobilienwesen, Beratung und Detailhandel. Die grössten Zuwächse wurden 2022 in den Branchen Marketing und Kommunikation, Transport und Logistik sowie Gesundheitswesen verzeichnet.
Welche Unterschiede bestehen zwischen den Kantonen?
May: In absoluten Zahlen werden die meisten neuen Unternehmen in den bereits unternehmens- und personendemographisch starken Kantonen wie Zürich, Waadt und Genf, Bern, Aargau, Zug und St. Gallen gegründet. In unserer Analyse von 2022 haben wir zusätzlich die Zahl der Firmengründungen mit der Einwohnerzahl in Relation gesetzt: Der Kanton Zug steht dabei klar an der Spitze des Rankings mit 23,12 Firmengründungen pro 1'000 Einwohner, weit vor Schwyz (8,36), Genf (8,03), Appenzell Innerrhoden (7,64) und Nidwalden (6,96). Im Durchschnitt wurden im letzten Jahr in der Schweiz 5,74 Unternehmen pro 1'000 Einwohner gegründet.
Wer sind diese neuen Unternehmerinnen und Unternehmer?
May: Gründen ist definitiv nicht nur Männersache, 36,6% aller neuen Firmen wurden von Frauen gegründet. Darüber hinaus steht bei 9,5% ein Gründungsteam von Frauen und Männern dahinter. So waren insgesamt bei 46% der Neueintragungen im Handelsregister eine oder mehrere Frauen beteiligt. Ausserdem waren die Gründungspersonen im Durchschnitt zwischen 35 und 40 Jahre alt.
Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein Unternehmensprojekt?
May: Ich würde sagen, man braucht 10% Inspiration und 90% Transpiration! Unter anderem sind Fach- und Branchenkenntnisse sowie ein gutes Angebot mit relevantem Nutzen sehr wichtig. Ein starker Wille und Einsatzbereitschaft, Offenheit sowie ein gutes Flair für Verkauf und Kommunikation sind ebenfalls entscheidende Faktoren. Wenn dann noch eine ausgeprägte Kundenorientierung und ein disziplinierter Umgang mit den Finanzen hinzukommen, stehen die Erfolgschancen gut. Natürlich braucht es immer auch ein bisschen Glück. Aber nur wer am Glücksrad dreht, hat Chancen auf Gewinne.
Was sind umgekehrt die häufigsten Gründe, die zu einem Misserfolg führen?
May: Die Unternehmerinnen und Unternehmer unterschätzen häufig die Tatsache, dass alles länger dauert und mehr kostet als geplant. Das sehen wir branchen- und altersübergreifend als einen häufigen Grund für Misserfolge. Einige Stolpersteine können auch mit dem administrativen und rechtlichen Prozess der Firmengründung verbunden sein. In der Frühphase ist es ausserdem sehr wichtig, seine Angebote am Markt zu testen und Feedback einzuholen, um sein Projekt zu verbessern.
Wie sieht die Bilanz der Aktivitäten des IFJ im Jahr 2022 aus?
May: Unser 25-köpfiges Team hat im letzten Jahr so viel gearbeitet wie noch nie. Wir konnten dank unseres digitalen Angebots mehr als 4'000 Firmengründungen und Änderungen im Handelsregister durchführen, haben knapp 10'000 Unternehmerinnen und Unternehmer an Kursen und Events begrüsst und mehr als 16'000 Personen zu unternehmerischen Fragen beraten. Mit 380 Arbeitsplätzen ist unser Immobilienprojekt "startup space" zu einem der grössten Coworking-Spaces in der Schweiz geworden. All das ist nur möglich, weil wir Partner aus der Wirtschaft und der öffentlichen Hand wie die kantonalen Wirtschaftsförderungen, Swisscom oder Helvetia an unserer Seite haben.
Neben der umfassenden Unterstützung für Unternehmen investiert das IFJ viel in die Weiterentwicklung digitaler Services und stärkt die Zusammenarbeit mit seinen Partnern. Gerade haben wir unseren neuen Standort im Tessin eröffnet. So sind wir ergänzend zu unseren starken Online-Diensten mit Niederlassungen in St. Gallen, Schlieren, Lausanne und Lugano für die Gründerinnen und Gründern und die Partner in allen Landesteilen noch näher vor Ort.
Zur Person/Firma
Simon May ist Co-CEO des Instituts für Jungunternehmen (IFJ). Er hat an der Fachhochschule Ostschweiz St. Gallen (OST) studiert und an der Universität St. Gallen einen Executive MBA mit Spezialisierung Dienstleistungsmanagement erworben. Er unterrichtet regelmässig als Dozent an Fachhochschulen und engagiert sich als Mitglied von Verwaltungsräten und Vorständen für die Förderung von Unternehmens- und Sportprojekten.
Letzte Änderung 01.02.2023