"Die Reduktion der CO2-Emissionen betrifft alle Unternehmen"

Wie wirken sich die Ziele des Pariser Klimaabkommens auf die KMU aus? Was bedeutet das "Netto-Null"-Ziel? Erläuterungen von Anne Le Duc, Geschäftsführerin der Swiss Climate Action Initiative (SCAI).

Bis 2050 soll die Schweiz den Ausstoss von Treibhausgasen auf die Menge begrenzt haben, die von den natürlichen und künstlichen Kohlenstoffsenken absorbiert werden kann. Damit auch die KMU wirksam und effizient ihren Beitrag leisten können, hat die Swiss Climate Action Initiative (SCAI) in Zusammenarbeit mit Unternehmen aller Grössen und Branchen eine Orientierungshilfe für KMU erarbeitet.

Können Sie uns noch einmal sagen, was die Pariser Klimaziele sind?

Anne le Duc: Es geht darum, den Klimawandel zu bekämpfen, in dem wir die Erderwärmung auf unter 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzen, möglichst sogar auf 1,5°C. Diese Ziele wurden im Dezember 2015 bei der COP21 in Paris beschlossen. Im Zentrum der Verpflichtungen, welche die 195 Unterzeichnerstaaten eingegangen sind, steht der Begriff "Netto Null". Zum einen sollen die CO2-Emissionen so weit wie möglich reduziert werden. Der Rest soll durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden.

Welche Unternehmen sind von diesen Zielen betroffen?

le Duc: Alle Unternehmen müssen sich dafür einsetzen, die CO2-Emissionen zu reduzieren und zu neutralisieren. Die Treibhausgasemissionen werden in drei Kategorien unterteilt: Scope 1 bezeichnet die direkten Emissionen einer Organisation, die beispielsweise durch eine Produktionsanlage oder durch industrielle Verfahren erzeugt werden. Unter Scope 2 werden Emissionen im Zusammenhang mit der Produktion von eingekaufter Energie wie Strom, Wärme oder Wasserdampf zusammengefasst. Und Scope 3 bezeichnet die indirekten Emissionen, die durch Prozesse entstehen, welche den Aktivitäten eines Unternehmens vor- oder nachgelagert sind. Scope 3 bei einer Bäckerei umfasst u.a. den CO2-Ausstoss bei der Mehlproduktion, bei ihrem Transport, aber auch die Auswirkungen der Entsorgung von nicht-verkauften Backwaren.

Was können KMU konkret tun?

le Duc: Bei den Emissionen von Scope 1 und 2 erfolgt das beispielsweise über den Einkauf von CO2-armen Strom, oder indem die Fahrzeugflotte auf Elektroautos umgestellt wird. Bei Scope 3 hängen die Massnahmen vom jeweiligen Wirtschaftszweig ab. Anstrengungen zur Reduktion der Scope 3 Emissionen umfassen Effizienzmassnahmen: zum Beispiel durch die Optimierung des Einkaufs oder des Rohstoffbedarfs, eine nachhaltigere Lieferantenauswahl (Lieferanten-Engagement) oder auch durch den Wechsel auf fossilfreie Antriebsstoffe im Warentransport und Geschäftsverkehr. Für einen Betrieb in der Gastronomie ist eine sinnvolle Massnahme, weniger Fleisch im Menüplan anzubieten und insgesamt auf CO₂-ärmere Zutaten umzustellen.

Wie können Unternehmen wirtschaftlich profitieren, wenn sie sich engagieren, ihre Treibhausgasemissionen zu senken?

le Duc: Die Beherrschung von Nachhaltigkeitsthemen wird immer mehr zu einem Wettbewerbsvorteil, zum Beispiel im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen. Um ihre gesetzten Ziele zu erreichen, achten ausserdem Grossunternehmen immer mehr auf die CO2-Emissionen ihrer Lieferanten, bei denen es sich häufig um KMU handelt. Die Positionierung des Unternehmens zu diesen Fragen hat auch immer mehr Einfluss auf sein Image, was sich wiederum auf die Rekrutierung von Nachwuchskräften der jüngeren Generationen auswirken kann, die besonders auf diese Themen achten.

Was ist die Swiss Climate Action Initiative (SCAI)?

le Duc: Auf der Plattform kommen Grossunternehmen, KMU und verschiedene andere Organisationen zusammen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, ihre CO2-Emissionen möglichst wirksam und effizient zu reduzieren. Zentrale Probleme werden gemeinsam besprochen, Know-How ausgetauscht und die erzielten Fortschritte transparent kommuniziert. So haben wir gemeinsam mit den Mitwirkenden das Klima-Cockpit entwickelt: Die Mitwirkenden informieren dort faktenorientiert, wo sie stehen, welche Massnahmen sie für das Erreichen des Netto-Null-Ziels einsetzen, und welche Herausforderungen sie dabei zu bewältigen haben.

Was enthält die Orientierungshilfe für KMU, die kürzlich von der SCAI veröffentlicht wurde?

le Duc: Es ist ein kurzes praktisches Dokument für die Geschäftsführung. Dort findet man konkrete Auskunft zu: Was bedeutet Netto-Null? Warum sind die Pariser Klimaziele für KMU relevant? Wie definiert man Ziele? Wann sollte man externe Hilfe in Anspruch nehmen? usw. Sie enthält auch nützliche Links und Hinweise, zum Beispiel für die Erstellung einer CO2-Bilanz des eigenen Unternehmens.

Sie organisieren auch das Swiss Green Economy Symposium (SGES), dessen nächste Ausgabe im August 2024 in Winterthur stattfinden wird. An wen richtet sich diese Veranstaltung?

le Duc: Das SGES ist seit 2013 die umfassendste Konferenz in der Schweiz für Wirtschaft und Nachhaltigkeit. Sie bringt Unternehmen aller Grössen und Branchen mit Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in einem neutralen Rahmen zusammen. Die Teilnehmenden vernetzen sich, tauschen Erfolgsrezepte und diskutieren Herausforderungen kritisch-konstruktiv, Im September 2023 kamen bei der elften Ausgabe dieser Konferenz mehr als 2'000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen. Das SGES richtet sich an Entscheider, Umsetzer und Innovatoren aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die Nachhaltigkeit in ihrem Verantwortungsbereich erfolgreich und wirksam vorantreiben und umsetzen wollen.


Informationen

Zur Person/Firma

Anne le Duc, CEO von Lifefair

Anne le Duc leitet Lifefair, neutrale Plattform für Wirtschaft und Nachhaltigkeit, die unter anderem  das Swiss Green Economy Symposium konzipiert und organisiert. Sie moderiert auch die Swiss Climate Action Initiative. In ihr arbeiten Unternehmen aller Branchen und Grössen und weitere Organisationen zusammen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen.

Letzte Änderung 06.12.2023

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