Nachdem Nabil Francis zwanzig Jahre lang in verschiedenen Regionen der Welt in Führungspositionen tätig war, übernahm er 2021 die Geschäftsführung von Felco. Nicht zuletzt durch den neuen Hobbygärtner-Boom verzeichnete das Unternehmen in dem Jahr ein kräftiges Wachstum.
In Les Geneveys-sur-Coffrane (NE) produziert das Unternehmen Felco seit 1945 Gartenscheren und andere Schneidwerkzeuge für den Weinbau, Gartenbau und Obstbau sowie Kabelscheren für den professionellen Gebrauch. Im letzten Jahr stiegen seine Umsätze um 30%. Das sind die Rahmenbedingungen, unter denen Nabil Francis als Mehrheitsaktionär neuer Geschäftsführer des Betriebs wurde. Nun bestimmt er den Kurs, mit dem Felco die anstehenden Herausforderungen meistern soll: Erhalt der Produktion in der Schweiz, Digitalisierung des Vertriebs, Entwicklung vernetzter Geräte. Auf Basis des derzeitigen Wachstums strebt das KMU an, seine Produktionskapazitäten in den kommenden Jahren zu verdoppeln. Eine Begegnung.
Wie lässt sich der Umsatzboom bei Felco SA im letzten Jahr erklären?
Nabil Francis: Die Pandemie hat dazu geführt, dass viele Menschen Gärtnern wieder als Hobby für sich entdeckt haben. So finden sich in der Kundschaft von Felco immer mehr begeisterte Gartenfreunde, die professionelles Werkzeug suchen. Neben dem konkreten Werkzeug kaufen sie dabei auch ein entsprechendes Gefühl. Denn das Beschneiden ist etwas Wichtiges: Mit der Gartenschere geben Sie der Natur eine Form.
Ein weiterer Grund ist, dass viele unserer Mitbewerber sich aus Asien beliefern lassen und durch den Rohstoffmangel ausgebremst wurden. Wir stellen unsere Scheren in der Schweiz her und waren in dieser Hinsicht kaum beeinträchtigt. Wir sind stolz auf unsere kurzen Lieferketten, auch wenn das wegen der hohen Lohnkosten in der Schweiz und wegen des starken Franken eine grosse Herausforderung darstellt.
Nur 7% ihrer Werkzeuge werden in der Schweiz verkauft, 93% gehen ins Ausland. Wie heben Sie sich von Ihren Konkurrenten ab?
Francis: Wir verkaufen unsere Produkte in 120 Länder auf der ganzen Welt. Die Schweizer Qualität und die Leistungsfähigkeit unserer Werkzeuge bewirken, dass wir in mehreren Weinbauregionen, zum Beispiel in Kalifornien, Marktführer sind. Daher haben wir weltweit sieben Tochtergesellschaften, die uns beim Vertrieb unserer Produkte behilflich sind. Unsere Besonderheit ist, dass wir im oberen Preissegment angesiedelt sind, was in diesem Bereich weiterhin eine Nische ist. Und wir haben ein einzigartiges Konzept, nämlich die Austauschbarkeit aller Einzelteile. Einige Leute kommen mit der Gartenschere ihres Grossvaters zu uns, die sie im Gartenhäuschen gefunden haben. Wir können sie reparieren, weil die Ersatzteile, die wir vor 75 Jahren gefertigt haben, auch heute noch produziert werden.
Sie haben 2021 die Leitung des Unternehmens übernommen. Was war der Grund für Ihre Entscheidung?
Francis: Meine Frau ist die Enkeltochter des Gründers von Felco, Felix Flisch. Als ich sie vor 20 Jahren in Sri Lanka kennenlernte, begann ich gerade meine Karriere im Bereich Baumaterialien, wo ich bis letztes Jahr in verschiedenen Ländern Asiens und Europas tätig war. Als sich die Gelegenheit bot, Felco zu übernehmen, haben wir gemeinsam darüber nachgedacht. Ich habe mir den Betrieb angesehen. Ich war schon im Verwaltungsrat, aber das bedeutet nicht automatisch einen vollständigen direkten Einblick in die Tätigkeit des Unternehmens. Mir wurde klar, dass ich von dieser legendären Marke, deren Werkzeuge man überall auf der Welt findet, wirklich begeistert war. Ich sagte mir, dass es Potenzial und ein paar schöne Herausforderungen gibt. Und dann machte ich mich ans Werk.
Welche Herausforderungen sind das?
Francis: Wenn wir weiter in der Schweiz produzieren wollen, müssen wir über sehr gute Produktionsprozesse verfügen. Wir machen schon viel im Bereich Automatisierung, aber dafür braucht es Investitionen. Felco hat heute mehr als 320 Beschäftigte, 280 in der Schweiz und 40 bei unseren ausländischen Tochtergesellschaften. Wir haben im letzten Jahr viel neues Personal eingestellt. Auch das erfordert Investitionen. Wichtig ist, dass Felco ein Familienunternehmen mit der entsprechenden Firmenkultur bleibt. Dazu gehört die Tradition eines guten Miteinanders, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht.
Eine weitere Herausforderung ist die Digitalisierung, insbesondere der Online-Vertrieb. Wir müssen uns unaufhörlich anpassen, auch in unserer Kommunikation. Unsere Website ist zum Beispiel noch sehr auf die professionelle Kundschaft ausgerichtet und bietet hauptsächlich fachliche Informationen. Wir müssen sie an ein breiteres Publikum anpassen.
Worauf beruht Ihrer Meinung nach ein erfolgreicher Wechsel in der Geschäftsführung?
Francis: Ich glaube, er beruht auf einer klugen Mischung aus Kontinuität und Wandel. Was funktioniert, sollte man erhalten, in der Tradition der Firmenwerte. Dabei darf man aber nicht vergessen, sich an Veränderungen anzupassen, denn die Welt entwickelt sich ständig weiter.
Welche Neuerungen wollten Sie bei Felco einführen?
Francis: Aus meiner Sicht ist Wachstum für die Gesundheit eines Unternehmens unverzichtbar. Es bietet auch die Möglichkeit, sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Ich wollte mich daher im Hinblick auf die Wachstumsziele etwas aggressiver zeigen. Und bei Innovationen ist mir der Optimismus des Handelns lieber als der Pessimismus des Denkens. In der Schweiz mag man Dinge, die gut gemacht sind, man will oft perfekt sein. Aber dadurch hat man auch Angst zu scheitern, wenn man vor einer Neuerung steht. Um Erfolg mit Innovationen zu haben, darf man keine Angst vor dem Scheitern haben. Wenn man zehn Innovationsprojekte startet und nur zwei davon Erfolg haben, ist das gut. Man darf nicht erwarten, dass alle zehn auf Anhieb funktionieren.
Worin bestehen diese Innovationen bei Felco?
Francis: Wir entwickeln beispielsweise Innovationen auf dem Gebiet elektrischer Gartenscheren: Auf Knopfdruck lassen sich damit trockene Eichenäste mit einem Durchmesser von bis zu 45 mm durchtrennen. Wir bringen auch digitale Tools auf den Markt, um Leute zu begleiten, die in den Weinbergen arbeiten. Sie können damit eine Parzelle per Geomapping erfassen und zum Beispiel einen kranken Rebstock kennzeichnen.