"Das Global Trade Helpdesk ist eine Plattform, die den Handel in Gang bringt"

Das Global Trade Helpdesk (GTH), das sich an KMU in der ganzen Welt richtet, wurde 2020 von Grund auf erneuert. Pamela Coke-Hamilton, Exekutiv-Direktorin des Internationalen Handelszentrums (ITC) in Genf, erklärt, wie die Plattform funktioniert und wie KMU davon profitieren können.

Das Global Trade Helpdesk ist eine gemeinsam vom ITC, der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) und der Welthandelsorganisation (WTO) agenturübergreifend geführte Initiative. Die Plattform wurde gegründet, um Marktanalysen für Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen (KKMU) zu vereinfachen, indem Handels- und Geschäftsinformationen in einem einzigen Online-Portal kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Gemäss einigen ITC-Studien zu nicht-tarifären Massnahmen in 38 Ländern fehlt es der Hälfte der befragten Unternehmen an geeigneten Handelsinformationen, wodurch ihre Fähigkeit, neue Geschäftsgelegenheiten zu ergreifen, eingeschränkt wird.

Das GTH, das vom SECO gefördert wird, bietet kleinen Firmen Zugang zu wichtigen Handels- und Marktinformationen, die aus verschiedenen Datenbanken agenturübergreifend zusammengefügt werden. Mit diesen Daten sind Firmen besser gerüstet, um Entscheidungen auf der Basis von Informationen zu treffen, und sie können sich in unsicheren Zeiten und vor dem Hintergrund rascher Verschiebungen auf dem Markt anpassen.

Welche konkreten Dienstleistungen bietet das GTH den kleinen und mittleren Unternehmen an und was macht es so einzigartig?

Pamela Coke-Hamilton: Das GTH ist ein One-Stop-Shop. Unternehmende beziehungsweise Inhaber kleiner Firmen haben einfach nicht die Zeit und die Ressourcen, um in lauter verschiedenen Portalen und Datenbanken nach den Informationen zu suchen, die sie brauchen. Das GTH bringt über mehrere Partneragenturen die umfassendsten und aktuellsten verfügbaren Informationen zusammen, was dabei hilft, Geschäftsgelegenheiten in neuen Märkten zu finden und zu vergleichen.

Auf die Schweiz bezogen: Welche Schlüsselbranchen sind vertreten und wie profitieren sie vom GTH im Hinblick auf Importe und auf Exporte in die ganze Welt?

Coke-Hamilton: Das GTH ist eine wahrhaft globale Plattform. Sie liefert detaillierte Informationen zu mehr als 5'000 Produkten und für mehr als 210 Volkswirtschaften rund um den Globus in sechs Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch, Russisch und Portugiesisch). Sie deckt zentrale Exportzweige der Schweiz ab, beispielsweise Pharma, Maschinenindustrie, Uhren und Juwelierwaren.

Können Sie uns ein konkretes Anwendungsbeispiel geben?

Coke-Hamilton: Nehmen wir einen Schweizer Exporteur von Kosmetikprodukten, der nach neuen Geschäftsgelegenheiten sucht. Die Schweiz hat für diese Branche auf dem Weltmarkt ein geschätztes Exportwachstumspotenzial von mehr als $ 1 Milliarde. Das Schweizer KMU kann einfach die GTH Website aufrufen, eine Suche durchführen und die 10 Märkte mit dem besten Exportpotenzial für dieses aus der Schweiz exportierte Produkt sehen (s. Screenshot 1, auf Englisch (PNG, 80 kB, 17.05.2022)).

Wenn dieses Schweizer KMU nach Singapur, also in einen der 10 Märkte mit dem höchsten Potenzial, exportieren will, erhält es sofort die Informationen, die ihm im Rahmen dieser tiefgreifenden betrieblichen Entscheidung behilflich sind, indem Marktgrösse und wirtschaftliche Attraktivität eingeschätzt und die jüngste Entwicklung der Schweizer Firmen auf diesem Markt beurteilt werden. Es wird sehen, dass die Schweiz 2020 Waren im Wert von mehr als $ 32 Millionen nach Singapur exportiert hat, aber dort noch ein zusätzliches Exportpotenzial von schätzungsweise $ 151,5 Millionen bis 2026 besteht (s. Screenshot 2, auf Englisch (JPG, 77 kB, 17.05.2022)).

Das KMU kann nicht nur das Marktpotenzial, sondern auch Marktbarrieren bewerten. Die angezeigten Kosten reichen von sichtbaren Massnahmen wie Zolltarifen bis hin zu weniger offensichtlichen für diese Kosmetikprodukte geltenden gesetzlichen Anforderungen "hinter der Grenze", einschliesslich der jüngsten Gesetzesänderungen. Die in der Schweiz geltenden Regelungen lassen sich in verschiedenen Kategorien mit denen im Zielmarkt vergleichen (s. Screenshot 3, auf Englisch (JPG, 50 kB, 17.05.2022)).

Das Beste am GTH ist, dass es nicht nur eine Informationsquelle ist, sondern eine Plattform, die den Handel in Gang bringt. Es hilft KMU dabei, sich mit geeigneten Partnern in der Industrie zu vernetzen, die zum Beispiel Handelsfinanzierung oder potenzielle Unterstützung für Dienstleistungen im Bereich der Exportförderung anbieten (s. Screenshot 4, auf Englisch (PNG, 80 kB, 17.05.2022)). Mit nur einem Klick kann eine Schweizer Firma schnell und leicht einen einzelnen relevanten Datenpunkt in verschiedenen vielversprechenden Märkten vergleichen (s. Screenshot 5, auf Englisch (JPG, 30 kB, 17.05.2022)).

Unternehmertum und innovative KMU in der globalen Wirtschaft zu fördern, ist wichtig. Aber was bedeutet eine verantwortungsvollere und inklusivere Globalisierung für sie?

Coke-Hamilton: Das ITC sorgt dafür, dass das GTH für die neue inklusive und nachhaltige Welt, in der wir leben, gerüstet ist. In den kommenden Monaten wird die Plattform einen Bereich zum Thema Sustainable Sourcing bereitstellen, der Firmen mit einem Angebot an potenziellen Produktionsfaktoren präsentiert, welche schon für die Einhaltung global anerkannter ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsnormen zertifiziert wurden. Auch frauengeführte Zulieferbetriebe werden besonders hervorgehoben.

Das GTH will global agierenden KMU und Entwicklungsländern bei der Bewältigung diverser Herausforderungen helfen. Was sind dabei Ihrer Meinung nach die grössten Hürden und wie geht das GTH damit um?

Coke-Hamilton: In einigen Ländern haben KMU sehr zu kämpfen, besonders in diesen Zeiten. Sie stehen vor unterbrochenen Lieferketten, Inflation und steigenden Transport- und Betriebskosten sowie Verschiebungen in der Nachfrage nach bestimmten Produkten. Um sich vor dem Hintergrund dieser unsicheren Marktbedingungen anzupassen und umzudenken, brauchen sie entsprechende Werkzeuge – am wichtigsten sind aber aktuelle und belastbare Handels- und Marktinformationen.

Die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Probleme haben viele KMU stark beeinträchtigt. Kann ihnen das GTH mit Vorschlägen für Wiederaufbaupläne und bei der Anpassung an die neuen wirtschaftlichen Realitäten der Post-Covid-Ära helfen?

Coke-Hamilton: Die Pandemie hat uns gelehrt, dass wir unsere Verwundbarkeit verringern können, indem wir unsere Risiken auf verschiedene Märkte verteilen und nicht aufhören, uns im sich wandelnden globalen Umfeld stetig anzupassen. Das GTH hilft KMU dabei, potenzielle Gelegenheiten für ihre Produkte zu identifizieren und zu vergleichen, neue Wachstumschancen zu ergreifen und ihre Resilienz für die Zukunft zu stärken. Über 100'000 Firmen in 200 Volkswirtschaften haben von den Informationen dieses Portals profitiert, und dieses Engagement wird in den kommenden Jahren mit neuen, für alle zugänglichen Webinaren und zusätzlichen Verbreitungskanälen weiter zunehmen. Die Plattform wird zudem ihre Expansion fortsetzen, indem sie Informationen über Logistikanbieter sowie über Plattformen und Ressourcen für den E-Commerce liefert.


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Pamela Coke-Hamilton, Exekutiv-Direktorin des Internationalen Handelszentrums

Pamela Coke-Hamilton ist seit dem 1. Oktober 2020 Exekutiv-Direktorin des ITC. Zuvor war sie Leiterin der Abteilung International Trade and Commodities bei der UNCTAD. Sie war für die Regierung von Jamaika beim Caribbean Forum und in internationalen Wirtschaftsverhandlungen sowie bei multilateralen Institutionen wie der Organization of American States und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) tätig. Sie promovierte an der Georgetown University School of Law in Washington, DC (USA) in Rechtswissenschaften und absolvierte einen Bachelor in International Relations and Economics an der University of the West Indies, Kingston (Jamaika).

Letzte Änderung 18.05.2022

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