"Man darf sich von den makroökonomischen Bedingungen nicht abschrecken lassen"

Südafrika bietet in mehreren Branchen wie Medtech, Fintech und Cleantech gute Geschäftsgelegenheiten für Schweizer KMU. Vorausgesetzt man kennt den Markt, wählt seine Partner sorgfältig aus und ist geduldig.

Auf dem afrikanischen Kontinent, unter anderem in Südafrika, bildet sich eine immer stärkere Mittelschicht heraus. Dadurch steigt bei Privatpersonen auch die Nachfrage nach hochwertigen Produkten und Dienstleistungen. Die Unternehmen vor Ort sind eifrig dabei: Zum Beispiel steigt im Bergbau der Bedarf an innovativen und sauberen Lösungen, insbesondere für die Prozessautomatisierung und mehr Sicherheit.

So bietet sich ein gutes Umfeld für die Schweizer KMU, zumal die Konkurrenz in einigen Wirtschaftszweigen schwach bleibt. Entscheidend ist jedoch, dass man die richtigen Partner findet, sich von den rechtlichen Hürden nicht abschrecken lässt und sich aktiv reinhängt. Tipps dazu gibt es von Daniel Schneider, Leiter des von Switzerland Global Enterprise und dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten geführten Swiss Business Hub Southern Africa, der die Exportförderungsstrategien der Schweiz in Süd- und Ostafrika, also in insgesamt 18 Märkten, umsetzt.

Können Sie uns einige Zahlen zum Handel zwischen der Schweiz und Südafrika nennen?

Daniel Schneider: Das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und Südafrika belief sich 2019 auf CHF 3,5 Milliarden. Südafrika macht etwas mehr als einen Fünftel des Handels der Schweiz mit Afrika aus. Trotz dieser Zahlen bleibt Afrika ein Handelspartner mit einem hohen Wachstumspotenzial, da nur 1,5% des Schweizer Aussenhandels auf diesen Kontinent entfallen. Ausserdem ist es interessant zu sehen, dass sich die Aktivitäten der Schweizer Unternehmen geographisch allmählich diversifizieren und sich nicht mehr nur auf Südafrika konzentrieren.

Was kann es den Schweizer KMU bringen, sich für Südafrika zu interessieren?

Schneider: Es gibt noch nicht allzu viel Konkurrenz. Die Schweizer KMU haben also die Möglichkeit, als Pioniere aufzutreten. Allerdings muss man manchmal bereit sein, die Preise für die Produkte und Dienstleistungen an den lokalen Markt anzupassen. Umgekehrt muss vor Ort das Bewusstsein der Käufer – seien es Privatpersonen, lokale Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen – für die Bedeutung der Qualität geschärft werden, dafür dass man langfristig häufig weniger bezahlt, wenn der Preis höher ist. Diese Sensibilisierungsarbeit ist eine der Aufgaben des Swiss Business Hub.

Welche Art des Exports ist für Südafrika am besten geeignet?

Schneider: Im Moment betreibt die grosse Mehrheit der KMU dort ein reines Exportgeschäft. Mittelfristig kann es aber interessant sein, einen Partner vor Ort zu finden und eine Mischform anzustreben, indem man zum Beispiel die Fertigstellung der Produkte in das Land verlagert. Südafrika verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur, politische Stabilität, eine diversifizierte Unternehmenslandschaft und einen gut entwickelten Finanzsektor. Man muss aber bereit sein, sich offen und flexibel zu zeigen, und darf keine Angst haben, sich an den Markt anzupassen, beispielsweise durch die Nutzung von Online-Plattformen usw.

Mit welchen Herausforderungen sind die exportorientierten KMU hauptsächlich konfrontiert?

Schneider: Die KMU, die wir beraten, zeigen sich besorgt im Hinblick auf den Schutz der Investitionen, die Verfahren zur Eintragung ihres geistigen Eigentums oder in einigen Fällen die Pflicht, mit lokalen Stakeholdern zusammenzuarbeiten oder an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen. Wir versuchen, ihnen zu zeigen, dass die makroökonomischen Bedingungen nicht zwangsläufig die Realität vor Ort widerspiegeln und dass man sich nicht entmutigen lassen darf. Wir raten dazu, ins Land zu kommen, ein Gefühl für den Markt zu bekommen und sich auszuprobieren. Und eher mittelfristig als kurzfristig an den Ertrag zu denken.

Welche Rolle spielt der Swiss Business Hub dabei?

Schneider: Wir bearbeiten pro Jahr rund 50 bis 100 Anfragen von Schweizer Unternehmen zu Projekten in unserem Gebiet. Davon gehen 20 bis 30 in die Umsetzung.

Was würden Sie einem KMU raten, das nach Süd- oder Ostafrika exportieren will?

Schneider: Mein erster Tipp ist, nicht zu vergessen, dass Afrika kein Land ist, sondern ein Kontinent. Hier ist jeder Markt unterschiedlich. Man muss sich also informieren und potenzielle Nischen finden. Es ist zum Beispiel gut, wenn man überlegt, wo man schon etabliert ist und ob man von da aus seine Aktivitäten ausweiten kann. Man sollte auch über eine mögliche Partnerschaft vor Ort nachdenken und sich ein Netzwerk aufbauen. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage nach den verfügbaren Ressourcen: Reichen sie aus, um auf mittlere Sicht durchzuhalten und nicht zu schnell schlapp zu machen?

Sie sprechen potenzielle Nischen an. Welche Branchen bieten den Schweizer KMU am meisten Gelegenheiten?

Schneider: In Südafrika sind die Bereiche Medtech, Blockchain und personalisierte Gesundheit zu nennen. Nicht zu vergessen Fintech: Viele haben ein Mobiltelefon, aber kein Bankkonto. Auch der Energiesektor bietet gute Chancen, denn die Produzenten vor Ort schaffen es nicht, den wachsenden Bedarf zu decken. Dazu gehören auch Cleantech (Solar- und Windenergie, Energiespeicherung usw.).

Und in Ihrem übrigen Tätigkeitsgebiet?

Schneider: In Kenia und anderen ostafrikanischen Ländern sind Agritech im Aufwind. Der Hauptgrund dafür ist, dass viele Städter, die aufgrund der Pandemie ihren Job verloren haben, wieder aufs Land ziehen und sich der kleinbäuerlichen Landwirtschaft widmen. Sie haben einen hohen Bedarf an Logistik, vor allem im Bereich Wasserversorgung. Ähnlich sieht es mit Messinstrumenten aus, die Energieverluste verhindern sollen. In Mozambik und Angola sind die Inhaber der Minen gierig nach Hightech- und Cleantech-Lösungen, mit denen sich die Sicherheit der Arbeitnehmer erhöhen lässt. Also, am besten sollte man die Spitzensegmente ins Visier nehmen, dann ergeben sich die besten Gelegenheiten.


Informationen

Zur Person/Firma

Daniel Schneider, Leiter des Swiss Business Hub Southern Africa

Daniel Schneider leitet den Swiss Business Hub Southern Africa, der an die Schweizer Botschaft in Pretoria angegliedert ist. Nach verschiedenen Posten im Eidgenössischen Departement für Finanzen wechselte er 2013 in das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten. Er war unter anderem in Burkina Faso im Rahmen eines Auftrags für die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit tätig. Seit 2016 ist er in Pretoria.

Letzte Änderung 07.04.2021

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