"Der B2C-Markt bietet attraktive Wachstumsmöglichkeiten"

Das Unternehmen Patiswiss aus Solothurn ist bei den Konsumenten kaum bekannt, obwohl seine Lebensmittel auf Basis von Mandeln und Nüssen in vielen Produkten grosser Handelsmarken enthalten sind. Diese Situation dürfte sich mit dem zunehmenden Ausbau seiner "Business to Consumer"-Aktivität (B2C) verändern.

Weihnachtsguetzli, Marzipan, Pralinen... Die Auslagen der Confiserien und Chocolaterien sind voll mit Leckereien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Halbfabrikate aus der fachmännischen Herstellung von Patiswiss enthalten. Seit mehr als einem Jahrhundert verkauft die Firma mit Sitz in Gunzgen (SO) ihre Produkte an die Lebensmittelindustrie, an Manufakturen oder Gastronomiebetriebe in der ganzen Schweiz.

Können Sie das Unternehmen in einigen Zahlen vorstellen?

Stefan Geller: Patiswiss verarbeitet jedes Jahr rund 2'000 Tonnen Rohstoffe auf der Basis von Nüssen und Mandeln. Die von uns angewandten Verfahren umfassen die Röstung, die Caramelisierung und die Granulierung. Wir arbeiten sowohl mit lokalen Handwerksbetrieben zusammen als auch mit grossen Industriekonzernen. Unsere Produkte finden sich zum Beispiel in Backwaren, Schokoladenerzeugnissen, Pralinen oder Eis. Was das Wachstum betrifft, dürften die Ergebnisse 2021 über denen von 2019 liegen, auch wenn wir noch keine endgültigen Zahlen haben. Trotz der Pandemie konnten wir auch neues Personal einstellen. Heute haben 43 Mitarbeitende.

Die Feiertage rücken näher. Spielt Saisonalität in Ihrem Geschäft eine Rolle?

Geller: Es stimmt zwar, dass wir in der zweiten Jahreshälfte in der Produktion einen Höhepunkt erreichen, aber es gibt keine richtigen Ruhephasen mehr. Das Wachstum, das wir bei den Erzeugnissen für die Weiterverarbeitung in diversen Eisspezialitäten verzeichnen, hat zu einer Glättung der Schwankungen im Jahresverlauf geführt.

Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen?

Geller: Nachhaltigkeit ist mittlerweile fester Bestandteil der Identität von Patiswiss. Konkrete Formen nimmt dieser Ansatz insbesondere durch die Auszeichnung mit verschiedenen Zertifikaten an, zum Beispiel die Garantie, keine Fette zu verwenden, die Palmöl enthalten. Wir sehen auch, dass die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten mit Labels wie "Fair Trade" oder "Bio" steigt. Wir bemühen uns zudem, unseren Energieverbrauch zu senken. Kürzlich haben wir 2000 Solarpanels auf den Dächern unserer Gebäude installiert und einige unserer Anlagen angepasst. So konnten wir unseren Erdgasverbrauch halbieren und heute stammen 40% des benötigten Stroms aus eigener Erzeugung. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir unseren Kunden greifbare Ergebnisse dieser Bemühungen zeigen können.

2020 hat Patiswiss von einem Berner Unternehmen die Anlagen für die Produktion und Verpackung von Dragées übernommen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Geller: Die Herstellung von dragierten und chocolierten Produkten bietet ein hohes Potenzial im Bereich "Business to Business" (B2B), ist aber auch von strategischem Wert im Hinblick auf die Erschliessung des Marktes für den Verkauf an die Endkunden. Als wir Anfang 2020 von der Schliessung des Gysi-Werks erfuhren, haben wir sehr schnell Kontakt zur Geschäftsführung aufgenommen und unseren Willen bekundet, die Produktionslinien und das Kundenportfolio zu übernehmen. Nach der Vertragsunterzeichnung im Frühjahr konnte im Sommer mit Unterstützung darauf spezialisierter Unternehmen der Umzug der Anlagen erfolgen. Bereits im Juli konnten wir die Produktion wieder aufnehmen. Und wir konnten auch drei ehemalige Mitarbeiter des Berner KMU einstellen.

Was sind Ihre anderen Entwicklungsachsen im B2C-Bereich?

Geller: Wir haben vor bald zwei Jahren einen pflanzlichen Streukäseersatz auf Basis von Mandeln und Cashewkernen auf den Markt gebracht. Im Moment wird das Produkt nur in der Schweiz verkauft, aber wir sehen auch im Ausland ein grosses Potenzial und planen in Kürze eine Lancierung in Deutschland. Unter derselben Marke, Neese, haben wir ausserdem ein veganes Fondue lanciert. Die ersten Rückmeldungen sind sehr positiv. Die Entwicklung dieser Produkte geht auf mehrere Faktoren zurück: einerseits die Nachfrage der Kunden nach Alternativen zu Käse, andererseits die Motivation der Mitarbeiter, unser Sortiment zu erweitern. So haben wir für die Produktentwicklung eine Person mit einer hohen Affinität zu solchen Produkten eingestellt.

Was würden Sie Unternehmerinnen und Unternehmern raten, die in den B2C-Markt einsteigen wollen?

Geller: Bevor man den Schritt wagt, sollte man sich darüber im Klaren sein, wie viele rechtliche Vorschriften damit verbunden sind. In unserem Fall betrifft das zum Beispiel Fragen zu Spezifizierungen, zur Lebensmittelsicherheit sowie zu Preisverhandlungen. Es sind viele Herausforderungen, die es erfordern, dass sich die Mitarbeiter engagiert einbringen und die Geschäftsführung eine einwandfreie Organisation gewährleistet. Unterm Strich ist es wichtig, dass das Unternehmen mit seinen Kernaktivitäten gut aufgestellt ist. Diese Weiterentwicklung bietet jedoch sehr gute Wachstumsmöglichkeiten und man sollte die Gelegenheit auf jeden Fall ergreifen, wenn sie sich bietet.


Informationen

Zur Person/Firma

Stefan Geller, CEO von Patiswiss

Stefan Geller ist CEO der Firma Patiswiss mit Sitz in Gunzgen (SO). Nach seinen Abschlüssen in Lebensmitteltechnologie (FH) und Industrial Engineering (postgradual) hatte er Führungspositionen als COO und Mitglied der Geschäftsführung bei Chocolats Halba, Delica AG, Läckerli Huus und Schulthess Maschinen AG inne, bevor er 2019 die Leitung von Patiswiss übernahm.

Letzte Änderung 15.12.2021

Zum Seitenanfang

News und nützliche Informationen für Gründer und Unternehmer
https://www.kmu.admin.ch/content/kmu/de/home/aktuell/interviews/2021/der-b2c-markt-bietet-attraktive-wachstumsmoeglichkeiten.html