"Das Netzwerk ist die Hauptzutat zum erfolgreichen KMU"

In einer ehemaligen Spinnerei in Luzern Nord entsteht ein Netzwerk aus KMU der Kreativwirtschaft. Sie wollen gegenseitig von ihrem Wissen und ihren Erfahrungen profitieren. Albi Christen ist einer der Initianten und gibt einen Einblick in das Projekt.

Die Spinnerei AG in Luzern will eine neue Arbeitswelt, ein "New Working Space" schaffen. Dabei vereinen sich Zentralschweizer Unternehmen aus den Bereichen Marketing und Kommunikation, Design, Technologie sowie Organisation und Beratung unter einem Dach. Entstehen soll ein Ökosystem zum Vorteil aller Beteiligten, in dem die Firmen ihre Teams, Produkte und Projekte in einer inspirierenden Umgebung weiterentwickeln können. Zurzeit befindet sich die ehemalige Spinnerei im Umbau. Das Zentrum soll Ende 2023 eröffnet werden.

Wie ist das Projekt der Spinnerei entstanden?

Albi Christen: Die Idee für unser "New Work Ecosystem" hat ihren Ursprung in einem simplen, aber grundlegenden Bedürfnis: Bereits 2017 wünschte sich Co-Initiator Sacha Willemsen, selbständiger Strategie- und Markenberater mit Büro in Luzern, sein Netzwerk näher um sich, am liebsten in denselben Räumlichkeiten. Mit der Vorstellung einer eigenen Arbeitswelt mit verschiedenen Netzwerkpartnern, kam er auf mich zu. Wir beschlossen, Co-Working auf ein neues Level zu bringen. Bei der Suche nach neuen Formen der Zusammenarbeit stiessen wir nach und nach auf die "New Work"-Bewegung, bei welcher der Mensch und seine Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Die ehemalige Spinnerei in der Viscosistadt bot uns die passende Location. Die Viscosistadt hat etwa die Grösse der Luzerner Altstadt und befindet sich im künftigen wirtschaftlichen Zentrum Luzern Nord, das sich als Smart City entwickeln soll.

Was macht die Spinnerei einzigartig?

Christen: Das Netzwerk in der Spinnerei ist im Gegensatz zu einem üblichen Co-Working kuratiert. Die Firmen werden aufeinander abgestimmt und kommen dadurch nicht nur aus einer Berufsgattung, sondern verfügen über komplementäre Kompetenzen. Der Kern der Gruppe stammt aus der Kreativwirtschaft. Zu den Partnern zählen künftig rund 30 Kleinstunternehmen, vom Texter über Data-Scientists, App-Entwicklerinnen, Interaction Designer bis hin zu Unternehmensberaterinnen und Change Managern. Dienstleistungspartner und Teams von grösseren Unternehmen ergänzen das Netzwerk. Untereinander ist Zusammenarbeit und Austausch angesagt, kein Konkurrenzdenken. Hinzu kommen Räumlichkeiten, die weit über eine Kaffeemaschine und einen Meetingraum hinausgehen.

Welche Bedeutung hat der Austausch von Wissen und Erfahrung für KMU?

Christen: Mit gezieltem Austausch werden Projekte durch die vielseitigen Erfahrungen im Ökosystem verbessert. Ein KMU präsentiert beispielsweise die Entwürfe einer neuen Kampagne oder eine Herausforderung im Bereich Digitalisierung und erhält unmittelbares Feedback verschiedenster Spezialistinnen und Spezialisten aus dem Netzwerk. Die Teilnehmer können sich vor den anderen Unternehmen präsentieren und bestenfalls entsteht eine Zusammenarbeit.

Wie trägt die Spinnerei zur Kreativität ihrer Mitglieder bei?

Christen: In der Spinnerei entsteht eine inspirierende Arbeitswelt, ein "New Working Space", mit hoher Aufenthaltsqualität, Ermöglichungsräumen, Begegnungszonen und einem Campus. Die Spinnerei bietet auf rund 4’000 m2 alles, was es zum Leben und Arbeiten braucht: vom Workshop-Raum über ein Yoga- und Mediastudio, einer Bibliothek bis hin zur Eventarena. Mit Veranstaltungen und einem Bildungsangebot fördern wir die persönliche Weiterentwicklung der einzelnen Personen im Netzwerk sowie die nachhaltige Implementierung neuer Arbeitsmodelle.

Welche Rezepte können KMU stärken?

Christen: Wenn ich auf die elf Jahre Erfahrung mit meiner Werbeagentur zurückblicke, ist das Netzwerk ganz klar die Hauptzutat zum erfolgreichen KMU. Sei es zur Gewinnung neuer Kunden, Partner oder Mitarbeitenden, das Netzwerk und dessen Pflege spielen meist mit. Durch den offenen Austausch, die gegenseitige Unterstützung, das Teilen von Wissen und Erfahrungen – ohne gleich eine Gegenleistung zu erwarten – entstehen immer wieder neue Kooperationen. Für unser erweitertes Netzwerk planen wir darum ein E-Ecosystem, in dem sich unsere "Friends of Spinnerei", die nicht vor Ort arbeiten, digital vernetzen und austauschen können. Zudem haben die "Friends of Spinnerei" Zugang zu Events und Bildungsformaten. 

Hat die Spinnerei finanzielle Unterstützung erhalten und wie wird die Entwicklung des Projekts gefördert?

Christen: Das aktuelle Investitionsvolumen bis zur Eröffnung beträgt CHF 14 Millionen. Davon sind rund CHF 13 Millionen für die Umsetzung unseres baulichen Konzeptes budgetiert. Für die Entwicklung des Angebotes, den Aufbau sowie das Einspielen des Netzwerks ist eine weitere Million vorgesehen. Von privater Seite, mittels Eigenkapital, Darlehen und einer Beteiligung der künftigen Vermieterin Viscosistadt AG, welche sich an den Investitionen in ihre Immobilie beteiligt, konnten bis heute gut CHF 10 Millionen beschafft werden. Bis Ende Jahr wollen wir mit weiteren Investoren sowie einer Hausbank die Finanzierung der Spinnerei sicherstellen. Wir wurden zudem von der Stadt Luzern mit CHF 20'000 zur Aktivierung und Erweiterung des Netzwerks unterstützt. Der Kanton Luzern und der Bund tragen im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) CHF 170'000 über zwei Jahre bei.

Wie wird die Spinnerei AG ihren Betrieb finanzieren?

Christen: Ab Inbetriebnahme generiert die Spinnerei Einnahmen durch die Vermietung von Arbeitsplätzen und Räumlichkeiten sowie Mitgliedschaften der "Friends of Spinnerei". Mit verschiedenen Dienstleistungen wie Bildungsangeboten und Change Projekten oder der Durchführung von Events wie etwa eines "New Work-Festivals" werden weitere Einnahmen erzielt, um den Betrieb sicherzustellen und die Angebote laufend zu erweitern. Unser Ziel als Betreiberin der Räumlichkeiten und Initiantin des Ökosystems ist nicht die Profitmaximierung, sondern die positive Wirkung auf den Menschen, die Wirtschaft und die Umwelt.


Informationen

Zur Person/Firma

Albi Christen, Mitgründer der Spinnerei

Albi Christen wurde 1980 geboren. Nach seiner Ausbildung zum Primarlehrer hat er kurz unterrichtet, nebenbei Festivals organisiert, weiter studiert und Künstler gemanagt. Nach der Tätigkeit im Marketing bei Red Bull gründete er seine eigene Agentur für Grafik und Werbung. Als Mitgründer des ersten Co-Working Space in Luzern war er schon früh auf der Suche nach unkonventionellen Arbeitsmodellen. Nebenberuflich leitet er das Stans Lacht Humorfestival und steht als Moderator auf der Bühne. Die Spinnerei ist sein bislang grösstes Projekt.

Letzte Änderung 01.12.2021

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