"Ab dem ersten Tag des Start-ups wusste jeder, was er zu tun hatte"

Melanie Gabriel ist Mitgründerin von Yokoy, einer Schweizer Firma, die künstliche Intelligenz nutzt, um das Spesen- und Kreditkartenmanagement von Unternehmen zu automatisieren. Mit nur 32 Jahren ist sie eine der wenigen Frauen in der FinTech-Branche. Sie spricht über ihren Werdegang und die rasante Expansion von Yokoy.

Die in Zürich ansässige Firma Yokoy wurde 2019 unter dem Namen "Expense Robot" von Devis Lussi, Lars Mangelsdorf, Melanie Gabriel, Philippe Sahli und Thomas Inhelder gegründet. Im März 2020 verkündeten sie eine erste Finanzierungsrunde über eine Summe von CHF 1,7 Millionen, die von Swisscom Ventures und SIX Group angeführt wurde und an der auch Doodle-Gründer Michael Näf beteiligt war. Im August 2020 benannte sich das Start-up von "Expense Robot" in "Yokoy" um und es wurde eine neue kostenlose Business Mastercard, die Yokoy-Karte, auf den Markt gebracht. Im Oktober 2020 kaufte das Unternehmen einen seiner Konkurrenten FlowExpense auf. Kürzlich begann es seine Expansion in den gesamten DACH-Markt (Deutschland, Österreich, Schweiz) mit der Eröffnung eines Büros in Wien im November 2020 und eines weiteren in München im Juni 2021. Mittlerweile hat die Firma mehr als 400 Kunden, darunter Stadler Rail, Swissquote, On Running Shoes und Planzer.

Bevor Sie 2019 Yokoy mitgründeten, hatten Sie schon während Ihres Studiums mehrere Projekte gestartet. Was konnten Sie aus diesen ersten Erfahrungen mitnehmen?

Melanie Gabriel: Während meines Studiums habe ich mehr Zeit mit Arbeiten als mit der Teilnahme an Kursen verbracht. 2012 habe ich während meines Bachelors in Betriebswirtschaft an der Universität Basel "Armoire Au Revoir" mitgegründet, die erste Schweizer Online-Plattform zum Tauschen von Kleidung. Das Ziel war, Kleidungsstücke wiederzuverwenden. Wir hatten 2'000 Nutzer auf der Website, was schon ein Erfolg war, schliesslich gab es damals noch nicht einmal Instagram. Danach hatten wir die Idee, aus dem Nichts ein Musical auf die Beine zu stellen. Wir haben dafür knapp 200 junge Menschen aus der Deutschschweiz zusammengebracht. Zwei Jahre später, also 2014, hatten mehr als 8'000 Menschen unser Stück Verona 3000 gesehen. Auch wenn es zwei völlig verschiedene Bereiche sind, haben mir beide Erfahrungen sehr geholfen. In einem Start-up wie Yokoy gibt es keinen vorgezeichneten Weg, man muss sehr kreativ sein.

Yokoy nutzt künstliche Intelligenz (KI), um die Spesen- und Kreditkartenprozesse von Unternehmen zu automatisieren. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Gabriel: Die Idee stammt von Devis Lussi, einem der Gründer. Er ist studierter Physiker und arbeitete damals in einer Beratungsfirma, wo er zahlreiche Projekte im Zusammenhang mit quantitativen Risiken und KI leitete. Jeden Freitag verbrachte er Stunden damit, seine Ausgaben per Hand zu verwalten. Da fragte sich Devis "Wie ist es möglich, dass wir so eine geniale Technologie haben und ich immer noch die ganzen Spesen per Hand eintragen muss?" Also hat er beschlossen, das Problem zu lösen, und mit dem Programmieren der Software begonnen, auf der Yokoy basiert.

Von einer persönlichen Challenge bis zu einer Firma mit 50 Beschäftigten ist es schon ein grosser Sprung ... Wie sind Sie das angegangen?

Gabriel: Philippe Sahli, unser aktueller Geschäftsführer, der damals CFO eines anderen Unternehmens war, hatte zum selben Zeitpunkt ebenfalls enorme Schwierigkeiten, das ganze Spesenmanagement zu bewältigen. So haben wir uns zu fünft zusammengetan und losgelegt. Wir fünf Gründer ergänzen uns extrem gut. Und obwohl wir noch ziemlich jung waren, hatte jeder von uns vor der Gründung von Yokoy schon fünf bis zehn Jahre gearbeitet. Also wusste jeder ab dem ersten Tag des Start-ups, was er zu tun hatte und wie man ein Team bildet.

Die ersten Kontakte zu Investoren waren allerdings nicht sehr erfolgreich. Wie haben Sie sie am Ende doch überzeugt?

Gabriel: Zuerst haben uns die Investoren geantwortet, Yokoy würde zu spät auf den Markt kommen. Die beiden Finanzchefs in unserem Team wussten aber, dass es einen realen Bedarf gab und es war sehr leicht, Unternehmen zu finden, die damit einverstanden waren, unsere Software so zu nutzen, wie sie war. Anschliessend haben wir sie gemeinsam verbessert. Und als wir uns Ende 2019 wieder mit Investoren trafen, hatten wir schon viele Kunden und wurden ernstgenommen. So konnten wir am 12. März 2020 unsere erste Finanzierungsrunde über einen Betrag von CHF 1,7 Millionen durchführen.

Am nächsten Tag, am 13. März, verkündete der Bundesrat die Massnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus in der Schweiz. Wie haben Sie die Monate nach dieser Meldung erlebt?

Gabriel: Ein deutsches Sprichwort sagt: "Wenn die Strasse leer ist, sollte sie geteert werden." Während dieser Zeit wurde vielen Unternehmen bewusst, wie sehr sie mit den Spesenabrechnungen und dem Kreditkartenmanagement im Rückstand waren. Wir hatten daher die Chance, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, zu denen wir sonst frühestens nach drei oder vier Jahren Zugang bekommen hätten.

Heute sind Sie ein Unternehmen mit 50 Beschäftigten. Ausserdem wird das Spektrum Ihrer Dienstleistungen immer breiter.

Gabriel: Ja, wir haben rasch erkannt, dass das Kreditkartenmanagement nur eines von vielen Elementen ist, daher haben wir unser Produktportfolio erweitert und bieten nun eine Komplettlösung für das Ausgabenmanagement an. Mit der Software von Yokoy wird die Verwaltung dieser Kosten automatisiert. Die Buchhaltung des Unternehmens muss dann am Ende des Monats nicht mehr Berge von Rechnungen und anderen Dokumenten abarbeiten. Während des Lockdowns stellten viele Unternehmen fest, dass sie lauter unterschiedliche Programme brauchten, aber keiner wirklich wusste, wer womit arbeitet und was das kostet. Wir arbeiten daher mit einem Abonnementmodell, bei dem man eine Übersicht über alle Programme und deren Nutzung hat.

Yokoy ist auch in Deutschland und Österreich vertreten. Was sind die nächsten Schritte?

Gabriel: Wir planen, unsere Expansion in Europa und auf anderen Kontinenten fortzusetzen. Naheliegend wäre eine Niederlassung in den USA oder Asien, denn unser Ziel ist, eine umfassende Lösung für das Ausgabenmanagement in mittleren und grossen Unternehmen anzubieten.


Informationen

Zur Person/Firma

Melanie Gabriel, CMO von Yokoy

Melanie Gabriel stammt aus dem Kanton Nidwalden und ist Chief marketing officer (CMO) und Mitgründerin von Yokoy. Zuvor war sie in einem auf B2B-Software (Business to Business) spezialisierten Software-Unternehmen für das Marketing verantwortlich. Während ihres Studiums, das einen Bachelor an der Universität Basel und einen Master in Business Management an der Universität St. Gallen umfasste, war Melanie Gabriel an der Gründung von Armoire Au Revoir und Verona 3000 beteiligt.

Letzte Änderung 03.11.2021

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