"Der Übergang zu einer industriellen Produktion ist ein Risiko"

Das Start-up HiLyte in Neuenburg fertigt umweltfreundliche Batterien für die Bevölkerung im subsaharischen Afrika.

Das Unternehmen HiLyte wurde 2018 von David Lambelet, Briac Barthes und Jonathan Fiorentini gegründet. Ihr Produkt ist ein umweltfreundliches System mit Batterien, die durch Solarenergie wieder aufgeladen werden können. Das Magazin Forbes zählte das Start-up 2019 zu den 30 vielversprechendsten Firmen. Mittlerweile sind sie in Tansania präsent, wo mehrere erfolgreiche Tests durchgeführt wurden. Nächster Schritt: Mit Hilfe einer Reihe von Anschubfinanzierungen die erste industrielle Produktion beginnen. Welche Vorteile und Herausforderungen bringt die Produktion im grösseren Massstab für ein Start-up mit sich? Antworten von David Lambelet, Mitgründer und Chief Technical Officer.

An welche Art von Konsumenten richtet sich Ihr Produkt?

Lambelet: Am Ende meines Studiums habe ich mich dafür interessiert, wie die ländliche Bevölkerung im subsaharischen Afrika Zugang zu Elektrizität erhalten kann und ich merkte, wie schwierig das Thema ist. Zwischen 500 und 600 Millionen von ihnen, also etwa die Hälfte der Bevölkerung, hatten keinen Strom. Aber 90% haben ein Mobiltelefon, das sie am Kiosk ihres Dorfes für einen horrenden Preis aufladen müssen. Wenn man die Preise pro Kilowattstunde vergleicht, ist diese Energie 100 Mal teurer als bei uns in der Schweiz. Wir haben deshalb ein tragbares und wiederaufladbares Batteriesystem entwickelt, das mit Solarenergie funktioniert. Es hat die Form eines Würfels, der bis zu 14 Stunden Strom liefert und mit dem man ein Mobiltelefon dreimal vollständig aufladen kann.

Welche Vorteile hat die Umstellung auf eine industrielle Produktion?

Lambelet: Die drastische Senkung der Kosten und die schnellere Produktion. Nehmen wir das Beispiel der Kunststoffgehäuse unserer Würfel: Im Moment fertigen wir sie in unseren Räumen in Tansania mit 3D-Druckern, was mehrere Stunden dauert, wenn man eine ganze Serie produzieren will. Mit der Technologie, die wir später nutzen wollen, braucht es nur ein paar Sekunden und die Teile kosten nicht mehr als 50 Rappen. Ausserdem ist es auch möglich, das Ganze in Tansania und Kenia zu machen, indem man vor Ort recyceltes Plastik verwendet.

Und die Herausforderungen?

Lambelet: Der Übergang zu einer industriellen Produktion erfordert eine gewisse finanzielle Investition, das ist also ein Risiko, vor allem für ein kleines Start-up wie unseres. Darüber hinaus ist die Massenproduktion ein Schlüsselmoment, denn da können gewisse Mängel in der Fertigung in Erscheinung treten. Wenn sich diese korrigieren lassen, ist es ok, aber wenn nicht, ist die Produktion verloren.

Wie muss man vorgehen, damit das erfolgreich verläuft?

Lambelet: Erstens braucht man einen guten Prototyp, der die Erwartungen der Konsumenten erfüllt. Dafür ist ein 3D-Drucker perfekt, denn damit lassen sich rasch einige Versuche mit geringen Kosten umsetzen. Bei der Entwicklung dieser Prototypen muss man sich schon in die Phase der industriellen Fertigung hineinversetzen und ein einfaches Modell mit möglichst wenigen Einzelteilen entwerfen. Auf diese Weise kann man Zeit und Geld sparen. Und schliesslich scheint es mir umsichtiger, die Produktion schrittweise zu erhöhen und die Grundsätze der kontinuierlichen Verbesserung in Abhängigkeit vom Feedback der Nutzer anzuwenden.

Wie ist Ihr Geschäftsmodell gestaltet?

Lambelet: Wir arbeiten mit den Betreibern kleiner Geschäfte in Dörfern in Tansania zusammen. Das sind unsere Agenten. Wir installieren bei ihnen eine Solaranlage zum Aufladen der Würfel, sodass die Dorfbewohner diese mieten und mit nach Hause nehmen können. Die Agenten zahlen uns die Miete für die Anlage, wodurch wir die Installationskosten decken können, und sie erhalten eine Provision, mit der sie zusätzliche Einnahmen erwirtschaften. Durch diesen Ansatz haben die ärmsten Dorfbewohner eine Basis-Stromversorgung, ohne dafür die Installation einer eigenen Solaranlage bezahlen zu müssen, was für einen Grossteil der Bevölkerung nach wie vor finanziell undenkbar wäre.

Auf welche Finanzierungsquellen greifen Sie zurück?

Lambelet: Seit wir die Firma 2018 lanciert haben, haben wir knapp CHF 150’000 Kapital beschafft, aus Eigenmitteln, einer Crowdfunding-Kampagne und der Förderung durch den Kanton Neuenburg. Hinzu kommt eine geplante Finanzierung von insgesamt CHF 200’000 durch Privatinvestoren. Mit dieser Entwicklung dürfte das Projekt wirtschaftlich tragfähig sein. 2021 werden wir dann zusätzliches Kapital in Höhe von CHF 2’000’000 benötigen, um den Vertrieb im grösseren Umfang voranzubringen.

Was würden Sie jungen Unternehmerinnen und Unternehmern raten, die mit der industriellen Produktion beginnen wollen?

Lambelet: Das ist für ein Start-up ein Schlüsselmoment, man muss sich also hervorragende Partner suchen. Wichtig ist auch, sich zu vergewissern, dass das Produkt in der Industrialisierungsphase wirklich zu den Bedürfnissen der Nutzer passt und nicht zu denen, die sich die verantwortlichen Ingenieure während der Entwicklung vorgestellt haben. Schrecken Sie also nicht vor der Investition in einen 3D-Drucker oder andere Instrumente zur Herstellung von Prototypen zurück. Damit können Sie rasch mehrere Durchläufe machen, wertvolles Feedback ihrer künftigen Nutzer erhalten und sich so an ein Endprodukt herantasten, ohne grosse Investitionen tätigen zu müssen.


Informationen

Zur Person/Firma

David Lambelet, Mitgründer von HiLyte

Nach dem Abschluss eines EFZ in Elektrotechnik und einer Berufsmatura studiert David Lambelet an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) Mikrotechnik. Mit 29 Jahren beginnt der wissbegierige Ingenieur aus Neuenburg während seiner Praktika in Indien und China, sich mit der Energiefrage zu beschäftigen. Im Rahmen seiner Masterarbeit, die er in einem Labor zu Energieumwandlung an der University of Berkeley (USA) schreibt, unternimmt er erste Forschungen zu den Technologien, aus denen später HiLyte hervorgehen wird. Das 2018 gegründete Start-up ist heute auf dem Gelände des Neuenburger Start-up-Inkubators Microcity ansässig.

Letzte Änderung 15.07.2020

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