"Die Firma geht an Erben über, die von den Geschäften nur wenig Ahnung haben"

Es ist wichtig, die Nachfolgefrage schon bei der Gründung eines Unternehmens im Blick zu haben. Erläuterungen der Rechtsanwältin Sandra Gerber.

Es ist nicht leicht für einen Unternehmer, den eigenen Tod ins Auge zu fassen. Dennoch sollte man sich frühzeitig mit dieser Frage beschäftigen. Gemäss dem Gesetz und dem Grundsatz des "Pflichtteils" erbt die Familie des Inhabers die Aktien. Sandra Gerber, Anwältin für Unternehmens- und Vertragsrecht bei der Kanzlei Wilhelm Gilliéron Avocats erklärt, wie wichtig die Planung ist und welche Möglichkeiten im Bereich der Nachfolge bestehen.

Warum ist es wichtig, die Nachfolge eines KMU zu planen?

Sandra Gerber: Die Übertragung eines Unternehmens ist ein breites Thema mit vielen Facetten (rechtliche, buchhalterische, finanzielle, aber auch psychologische und emotionale Aspekte), das sich nicht einfach spontan regeln lässt. Es ist ratsam, sich mehrere Jahre im Voraus damit zu beschäftigen, im Idealfall schon bei der Gründung des Unternehmens sowie im Fall einer Eheschliessung oder der Geburt eines Kindes. Entscheidend ist auch, dass man die Rechtsform wählt, die am besten zu dem KMU passt. Von einem Einzelunternehmen raten wir ab, da es nicht zwischen dem Privatvermögen des Unternehmers und dem seiner Firma trennt, was die Übertragung komplizierter macht. Wir empfehlen die Aktiengesellschaft (AG) oder die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Wer die Übertragung antizipiert, kann auch die Bewertung seiner Firma verbessern, denn dieser Wert gründet sich auf mehrere vergangene Geschäftsjahre und die Projektion in die Zukunft.

Welche Probleme können im Todesfall entstehen, wenn keine Vorkehrungen getroffen wurden?

Gerber: Ohne eine vorherige Regelung gelten die gesetzlichen Vorschriften. Das gesamte Vermögen, also auch das geschäftliche, geht in den privaten Nachlass des Unternehmers über. Die gesetzlichen Erben werden dann gemeinsame Inhaber. Das Risiko besteht darin, dass sich ein Unternehmen in den Händen einer nicht organisierten Erbengemeinschaft wiederfindet, die von den Firmengeschäften keine oder nur wenig Ahnung haben. Die Erben haben natürlich das Recht, das Erbe auszuschlagen oder vor der Entscheidung ein Inventar zu verlangen. Wird das Erbe angenommen, muss es auch noch aufgeteilt werden. Die Funktionsweise des Unternehmens und die operativen Entscheidungen können dadurch blockiert werden und das kann Monate oder sogar Jahre dauern.

Welche Möglichkeiten bieten sich einem KMU?

Gerber: Auf dem Gebiet des Eherechts kann ein Ehevertrag zwischen dem Geschäftsführer oder der Geschäftsführerin und dem Partner oder der Partnerin geschlossen werden. Ein Unternehmer kann seinen Willen auch in einem Testament kundtun. Ferner ist es möglich, einen Erbvertrag zwischen dem Firmenchef und seinen Erben zu schliessen. Man muss jedoch wissen, dass man zwar nach dem Gesetz über sein ganzes Erbe oder einen Teil verfügen kann, aber immer innerhalb der Grenzen des verfügbaren Anteils (der Teil des Erbes, der über die Pflichtteile hinausgeht und über den der Verfügende daher frei verfügen kann), sofern die Erben vorher einverstanden sind, sich das Erbe zu teilen.

Aufseiten der Firma und der anderen Aktionäre können die Modalitäten der Übertragung zum Beispiel in einer Aktionärsvereinbarung geregelt werden. Es ist möglich, den anderen Aktionären ein Vorrecht gegenüber den Erben einzuräumen, um sicherzustellen, dass die Übertragung nur im Kreis der Aktionäre erfolgt, und die Erben, die nicht beteiligt sind, zu entschädigen, ihnen also einen finanziellen Ausgleich zu gewähren.

Wie kann man Anteile an einen Dritten übertragen, der weder Gesellschafter noch gesetzlicher Erbe ist?

Gerber: Zu Lebzeiten kann ein Aktionär oder ein Gesellschafter grundsätzlich frei über seine Aktien oder Anteile verfügen, gemäss den gesetzlichen Bestimmungen für die GmbH oder die AG. Diese Entscheidung wird in Form eines Abtretungsvertrags getroffen. Die Satzung der Gesellschaft oder eine Aktionärsvereinbarung verhindern bestimmte Abtretungen, beispielsweise an Konkurrenten oder Personen ausserhalb des Familienkreises, ohne die Einwilligung der übrigen Aktionäre oder der Gesellschaft selbst. Der Aktionär muss die Satzung der Gesellschaft vorher prüfen und sie beim Aufsetzen der Vertragsbedingungen berücksichtigen. Im Rahmen einer GmbH muss sich der Firmenchef zudem absichern, dass die Abtretung seiner Anteile von der Gesellschafterversammlung genehmigt und die Änderung im Handelsregister eingetragen wird.

Was ist mit einem Trust?

Gerber: Durch einen Trust kann zwischen dem Inhaber eines Vermögens und diesem Vermögen selbst zu einem spezifischen Zweck ein "Abstand" hergestellt werden. Eine Person oder eine Firma kann das rechtliche Eigentum an ihrem Vermögen oder an bestimmten Gütern an eine andere Person oder Firma übertragen, die dieses im Interesse eines oder mehrerer Begünstigter verwaltet. Der Trust stammt aus dem angelsächsischen Recht und existiert im Schweizer Recht genau genommen nicht, auch wenn kürzlich ausländische Trusts anerkannt wurden und die Schweiz das Haager Trust-Übereinkommen ratifiziert hat. Für Schweizer KMU ist er aber nicht unbedingt passend, hauptsächlich aus steuerlichen Gründen. Er kann im Rahmen der Nachfolgeplanung von Inhabern ausländischer Unternehmen interessant sein, jedoch vor deren Niederlassung in der Schweiz.

Können diese Regelungen intern getroffen werden oder braucht man immer einen Rechtsanwalt?

Gerber: Da es häufig zu Streitigkeiten kommt, ermöglicht die Beratung durch eine Fachperson, einen langen und kostenintensiven Prozess zu antizipieren und zu verhindern, der andernfalls zwangsläufig einen Wertverlust bedeuten würde. Es wird dringend angeraten, die Dienste eines Fachanwalts, eines Unternehmens, das sich um Firmenübertragungen kümmert, oder eines spezialisierten Treuhänders in Anspruch zu nehmen. Man sollte sie idealerweise sogar gemeinsam zu Rate ziehen, denn jeder von ihnen deckt ein Gebiet dieses weiten Problemfelds ab. Auch die Bank spielt eine Schlüsselrolle für die Finanzierung der Übertragung oder der Entschädigung der anderen Erben, welche die Firma nicht übernehmen. Der Erbvertrag wiederum muss zwingend vor einem Notar unterzeichnet werden.


Informationen

Zur Person/Firma

Sandra Gerber, Rechtsanwältin in der Kanzlei Wilhelm Gilliéron Avocats

Sandra Gerber lebte in Basel und Hongkong und liess sich nach einem längeren Aufenthalt in Paris in Lausanne nieder, um Rechtswissenschaft zu studieren und ihr Anwaltspatent zu erlangen. Sie berät und vertritt ihre Mandanten seit mehr als 15 Jahren vor den gerichtlichen Instanzen, hauptsächlich auf den Gebieten Unternehmens- und Vertragsrecht, mit einer Vorliebe für Arbeits- und Mietrecht. Sie praktiziert seit mehreren Jahren in der Kanzlei Wilhelm Gilliéron Avocats, deren Mandanten zu einem Grossteil KMU sowie Unternehmerinnen und Unternehmer sind.

Letzte Änderung 16.12.2020

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