Ein KMU zu kaufen, hat viele Vorteile. Diese Erfahrung machte Bernard Fuhrer, der vor einem Jahr die Berner Brauerei Felsenau übernahm.
Im Jahr 1881, vor 138 Jahren, gründete Gustav Hemmann die Brauerei Felsenau am Aareufer. Das Berner Traditionsunternehmen blieb über fünf Generationen in Familienbesitz – bis vor einem Jahr. Im Januar 2018 übernahm Bernard Fuhrer (38) die Geschäftsführung des KMU mit 18 fest angestellten Mitarbeitern. Warum hat er eine Firma gekauft, anstatt eine neue zu gründen? Welche Lehren zieht er aus dieser Erfahrung? Ein Interview.
Warum haben Sie einen bestehenden Betrieb übernommen?
Bernard Fuhrer: Ein eigenes Unternehmen war schon immer mein Traum und ich habe mir gesagt, dass ich die Gelegenheit nutzen würde, wenn sie sich bietet. Im Sommer 2017 erfuhr ich zufällig, dass die Inhaber der Brauerei Felsenau einen Nachfolger suchten, da sie innerhalb der Familie keine Lösung gefunden hatten.
Brachten Sie ein besonderes Interesse für die Bierbranche mit?
Fuhrer: Bier ist ein emotionales Produkt. Der Markt befindet sich im Umbruch und die Branche streift das verstaubte Image ab. Früher gab es ein Bierkartell, heute haben wir in der Schweiz neben den etablierten Grossbrauereien über 1‘000 regionale Klein- und Nischenbrauereien, die mit ausgefallenen Bierspezialitäten neue Geschmacksgefühle wecken.
Bringt die Übernahme eines Familienbetriebs besondere Herausforderungen mit sich?
Fuhrer: Ja. Es ist natürlich eine Chance, ein gut etabliertes Unternehmen mit einer reichen Tradition übernehmen zu können. Sie wissen aber nicht, wie der Markt reagieren wird. Ich musste auch das Vertrauen der Angestellten gewinnen, ihnen Zukunftsperspektiven aufzeigen und ihnen erklären, wie das Unternehmen unter der neuen Führung laufen wird.
Wie ist die Brauerei in diesem immer härter umkämpften Markt positioniert?
Fuhrer: Wir sind eine regionale Berner Brauerei, die vor allem im Raum Bern, aber auch in den Kantonen Aargau, Solothurn, Freiburg und Oberwallis vertreten ist. Unser Ziel ist es, hochwertige Biere zu brauen, die den Erwartungen unserer Kunden gerecht werden. Unser Sortiment umfasst acht verschiedene Biere, darunter ein alkoholfreies. Abgesehen von einer Ausnahme handelt es sich um untergärige Biere, von denen wir jährlich ca. 2,5 Millionen Liter produzieren. Unsere Kunden sind hauptsächlich Restaurants der Region, aber auch grosse Detailhändler wie Coop, Denner oder Spar sowie kleine Verkaufsstände.
Wie lange hat die Übergabe gedauert?
Fuhrer: Zwischen der ersten Kontaktaufnahme und der Unterzeichnung des Vertrags vergingen sechs Monate. Es waren natürlich viele Dinge zu klären. Ich hatte vor der Übernahme insbesondere Gespräche mit den Braumeistern und dem Verkaufsleiter, um mich abzusichern, dass sie im Unternehmen bleiben und mein Projekt unterstützen würden. Auch das "Due Diligence"-Verfahren (A.d.R.: Audit bzw. alle Überprüfungen, die ein Käufer vor einer Übernahme durchführen muss) nahm einige Zeit in Anspruch.
Wie ging die Finanzierung des Geschäfts vonstatten?
Fuhrer: Das lief völlig reibungslos. Ich bekam finanzielle Unterstützung aus der Familie und habe ein Verkäuferdarlehen mit den ehemaligen Inhabern abgeschlossen (A.d.R.: die Bezahlung erfolgt gestaffelt und der frühere Inhaber beteiligt sich so an der Finanzierung der Transaktion). Von den Banken bekam ich ebenfalls Unterstützung. Wir haben das Glück, dass die Berner Kantonalbank lokale Unternehmen bei solchen Transaktionen unterstützt.
Haben Sie sich an Experten oder Fachstellen gewandt?
Fuhrer: Es ist extrem wichtig, dass man gut begleitet wird. Als Betriebswirt konnte ich mich um die finanziellen Aspekte selbst kümmern, aber für die juristischen und steuerlichen Fragen, die Prüfung der Verträge und die Due Diligence habe ich Experten zu Rate gezogen. Man braucht auch jemanden, der einen Überblick über das Projekt hat, also genau weiss, welche Dokumente noch eingereicht werden müssen. So kann man gewährleisten, dass der Nachfolgeprozess relativ rasch abläuft.
Wie waren Ihre ersten Schritte an der Spitze des Unternehmens?
Fuhrer: Der Übergang verlief problemlos, mit einer sechsmonatigen Phase, in der mich die früheren Geschäftsführer begleitet haben, um mir alle Dossiers zu übergeben und mich mit den Kunden bekannt zu machen. Auch die Kader und das Personal haben mir sehr geholfen, den Wechsel im ersten Jahr sanft zu gestalten.
Welche Bilanz ziehen Sie aus diesem ersten Jahr?
Fuhrer: Es war ein gutes Jahr mit steigenden Umsätzen, was wir hauptsächlich dem guten Wetter zu verdanken hatten, das für den Biermarkt eine entscheidende Rolle spielt. Der Frühling begann sehr früh, der Sommer war sehr schön und heiss und der Herbst dauerte fast bis Mitte November. Natürlich haben wir auch von der Fussball-WM profitiert.
Was würden Sie jemandem raten, der Unternehmer werden will, indem er eine Firma übernimmt?
Fuhrer: Als Erstes braucht man sehr gute Kenntnisse der Branche, in die man investieren will. Dann muss man intensive Gespräche mit den zentralen Personen im anvisierten Unternehmen führen, vor allem mit den Kadern, damit man sicher sein kann, dass sie nach der Übertragung in der Firma bleiben. Ausserdem sollte man sich an Experten wenden, die fundierte Ratschläge zu finanziellen und juristischen Fragen oder Steuerfragen geben können. So kann man während der Due Diligence umfassende Überprüfungen vornehmen. Übrigens ist es absolut notwendig, an diesem Schritt persönlich beteiligt zu sein.
Ein Wort zum Abschluss?
Fuhrer: Ich kann allen, die unternehmerisch tätig werden wollen, die Nachfolge nur empfehlen. Eine bestehende Firma zu übernehmen, ermöglicht einen guten Start, da man bereits einen gefestigten Markt und einen guten Ruf hat. In den kommenden Jahren werden immer mehr Unternehmen für eine Übernahme zur Verfügung stehen. Es ist wichtig, dass es junge Leute gibt, die ein unternehmerisches Risiko eingehen wollen, um das Wirtschaftsgeflecht der Schweizer KMU zu erhalten.