"Ein Unternehmen muss für den Nachfolger attraktiv sein"

Ein Geschäftsführer, der am Fortbestehen seines Unternehmens interessiert ist, muss die eigene Nachfolge unbedingt rechtzeitig planen. Ratschläge von Cyril Schaer, Generalsekretär des Vereins Relève PME.

Jedes Jahr wechseln in der Schweiz rund 14'000 Firmen den Geschäftsführer, wie aus einer 2016 von der Credit Suisse und der Universität St. Gallen durchgeführten Studie hervorgeht. Durch den Renteneintritt der Babyboomer dürfte sich diese Zahl in den nächsten Jahren noch weiter erhöhen. Wenn die Übertragung eines Unternehmens schlecht vorbereitet ist, kann sie zu Entlassungen, dem Verlust von Know-how oder sogar zur Schliessung der Firma führen. Cyril Schaer, Generalsekretär des Vereins Relève PME und der Schweizerischen Kammer der Experten für Unternehmensübertragung (Chambre suisse des experts en transmission d’entreprises), gibt einen Überblick über die einzelnen Schritte, mit denen sich die Folgen einer chaotischen Nachfolge vermeiden lassen, sodass das unerlässliche Wirtschaftsgeflecht der Schweizer KMU erhalten bleibt.

Die Übertragung eines KMU kann problematisch sein. Woran liegt das?

Cyril Schaer: Ein Firmenchef ist häufig so auf die Arbeit fixiert, dass er einen gewissen Tunnelblick entwickelt, während er sein Unternehmen leitet. Aus Zeitmangel wartet er manchmal bis kurz vor der Rente, bevor er sich Gedanken um seine Nachfolge macht. Das konnte eventuell funktionieren, wenn der Nachfolger ein Familienmitglied war, aber heute wird eine familieninterne Firmenübertragung immer seltener. Ein CEO, der sich nicht frühzeitig darum kümmert, läuft Gefahr, bei der Übergabe seines Unternehmens grosse Schwierigkeiten zu bekommen.

Welche Schritte sollte man unternehmen, wenn man eine solche Übergabe plant?

Schaer: Man muss wissen, dass eine erfolgreiche Nachfolgeplanung in der Regel 24 bis 36 Monate in Anspruch nimmt. Hinzu kommt ein Jahr für die eigentliche Übertragung. Die Vorbereitung der eigenen Firmennachfolge beginnt mit einer Analyse der persönlichen Situation, seiner Wünsche und Ziele, sowie der Situation des KMU und des Marktes.

Mit dem Ziel einer Übergabe unter bestmöglichen Bedingungen muss ein Unternehmen für den Nachfolger attraktiv sein. Es sollte sich so vorbereiten wie eine künftige Braut auf ihre Hochzeit. Die Verkaufsdokumentation sollte fertig sein, der Finanzstatus klar, verfügbar und aktuell. Daher ist es wichtig, schon in einem frühen Stadium Experten beizuziehen, um die Risiken einzuschätzen, den Wert des Unternehmens zu berechnen und bei Bedarf eine Umstrukturierung vorzunehmen, bevor man die Firma zum Verkauf anbietet.

Inwiefern kann sich der Prozess der Übertragung von Fall zu Fall unterscheiden?

Schaer: Wenn der Nachfolger ein Familienmitglied ist oder ein Manager des Unternehmens, der die Firma gut kennt, ist der Prozess viel einfacher. Gilt es aber, den Nachfolger ausserhalb dieses Kreises zu finden, kann man mit dem Beizug einer auf Firmenübertragungen spezialisierten Organisation früh genug die richtigen Schritte unternehmen, um den idealen Kandidaten zu finden.

In der Schweiz ist es noch relativ stark tabuisiert zu sagen, dass man sein Unternehmen verkaufen will, aus Angst, seine Kunden oder besten Mitarbeiter zu verlieren. Diese Risiken bewirken häufig, dass der Geschäftsführer schweigt und bei der Vorbereitung seiner Nachfolge manchmal ganz allein bleibt. Es kann jedoch beruhigend sein, sich von anerkannten Experten helfen zu lassen.

Wie wird der Verkaufspreis eines Unternehmens bestimmt?

Schaer: Neben dem Umsatz und der Bilanz können weitere Parameter in die Berechnung des Firmenwertes einfliessen. Die Position auf dem Markt, der Besitz eines Patents oder ein sehr spezifisches Know-how haben Einfluss auf den Preis.

Man muss bedenken, dass der Übergeber und der Übernehmer nicht auf dieselben Dinge achten: Der eine stützt sich bei der Bewertung seines Unternehmens oft auf die Vergangenheit, während der andere in die Zukunft schaut und die notwendige Finanzierung bei einer akzeptablen Rentabilität berechnet. Alles, worum es in diesem Prozess geht, ist, sich auf einen Preis zu einigen, der für beide Parteien zufriedenstellend ist, und dabei in der Nähe des Marktüblichen zu bleiben.

Was ist zu tun, wenn man einen Nachfolger gefunden hat?

Cyril Schaer: Im Zuge der Verhandlungen wird ein Kaufvertrag unterzeichnet. In diesem Dokument werden grundsätzlich der Preis, die Zahlungsmodalitäten und die vom Nachfolger verlangten Garantien präzisiert sowie weitere Verkaufsbedingungen festgehalten. In der Regel muss der Übergeber eine Übergangszeit einplanen und dem Übernehmer Zeit einräumen. Um dem neuen Geschäftsführer den Einstieg zu erleichtern, stellt der alte ihm seine Kontakte und Kunden vor. Der Rentner in spe muss ausserdem an seine Zukunft denken und darauf achten, dass er Projekte hat, um die er sich kümmern kann, wenn er die Firma tatsächlich verlassen hat. Manchmal ist es nämlich gar nicht so leicht, seine Stelle als KMU-Chef aufzugeben.


Informationen

Zur Person/Firma

Cyril Schaer, Generalsekretär von Relève PME

Cyril Schaer ist Jurist mit Fachgebiet Steuerrecht und hat über 20 Jahre Erfahrung als Berater für schweizerisches und internationales Wirtschafts- und Steuerrecht. Nach langjähriger Tätigkeit für verschiedene Treuhandgesellschaften ist er heute Generalsekretär von zwei Vereinen, die sich mit der Übertragung von Unternehmen beschäftigen, nämlich von Relève PME und der Schweizerischen Kammer der Experten für Unternehmensübertragung (Chambre suisse des experts en transmission d’entreprises).

Letzte Änderung 16.10.2019

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