Start-ups spielen für den Erhalt und die Zunahme von Innovationen in der Schweiz eine wesentliche Rolle. Unterliegen sie daher einer besonderen Besteuerung? Mélanie Erb-Zimet, diplomierte Steuerexpertin, beantwortet Fragen zu diesem Thema.
Die Schweiz gehört zu den TOP 5 der Länder, in denen am meisten in Start-ups investiert wird, wie der Swiss Venture Capital Report 2019 offenlegte. Im letzten Jahr wurde bei den Investitionen in Schweizer Jungunternehmen erstmals die Grenze von CHF 1 Milliarde überschritten, was ebenfalls aus dem Report hervorgeht. Wie sieht es nun mit der Besteuerung aus – bei Unternehmern wie Investoren? Welche steuerlichen Besonderheiten gelten für Start-ups? Und welche Neuerungen wird das Gesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) bringen, das per 1. Januar 2020 in Kraft treten wird? Mélanie Erb-Zimet, diplomierte Steuerexpertin bei Bonhôte Services in Neuenburg, erklärt die wichtigsten Punkte.
Wie ist ein Start-up in der Schweiz definiert?
Mélanie Erb-Zimet: Es gibt im schweizerischen Zivil- oder Steuerrecht keine formelle Definition eines Start-ups. Zwar wurden in den letzten Jahren einige parlamentarische Entwürfe eingereicht, um dies zu beheben, doch die in diesen Texten vorgeschlagenen Definitionen sind oft zu restriktiv. Kennzeichnend für diesen Firmentyp sind jedoch ein innovationsbasiertes Geschäftsmodell und häufig die Entwicklung einer neuen Technologie, die mitunter auch patentiert ist.
In juristischer und steuerlicher Hinsicht wird ein Start-up also genauso betrachtet wie ein anderes Unternehmen, selbst ein multinationaler Konzern?
Erb-Zimet: Ganz genau.
Welche Arten von Steuern muss ein Start-up dann zahlen?
Erb-Zimet: Schon bei seiner Gründung hat ein Start-up in einigen Kantonen die Möglichkeit, für einige Jahre von der Gewinn- und der Kapitalsteuer befreit zu werden, sofern es spezielle Kriterien im Zusammenhang mit Innovationen erfüllt (z.B. eine Partnerschaft mit einer Hochschule, die Notwendigkeit einer Patentierung usw.). Allerdings kann man nur in den Genuss einer Befreiung kommen, wenn das Unternehmen überhaupt Gewinn macht. Doch das Besondere bei einem Start-up ist, dass es in den ersten Jahren nach seiner Gründung, also in der Entwicklungsphase, meistens Verluste verbucht.
Eine Firma, die keinen Gewinn macht, unterliegt weiterhin der Kapitalsteuer, die auf ihr Eigenkapital erhoben wird. Diese Steuer kann für ein Start-up hohe Kosten bedeuten, da es ja im Wesentlichen auf der Suche nach Finanzierungen durch Eigenkapitalerhöhung ist.
Bringt die STAF besondere Massnahmen zum Thema Innovation mit sich?
Erb-Zimet: Ja, die STAF bietet zwei attraktive Instrumente an: zum einen die obligatorische Einführung einer "Patentbox" durch die Kantone und zum anderen eine fakultative Massnahme, den zusätzlichen Abzug für Forschungs- und Entwicklungskosten.
Die Patentbox schafft eine Steuerentlastung für Einnahmen aus Patenten, die das Unternehmen besitzt. Dieses Instrument ist jedoch in der Umsetzung relativ komplex für ein Start-up, besonders da es eine analytische Buchführung braucht, um die Kosten und Einnahmen in Verbindung mit Patenten zu ermitteln. Es ist eine Massnahme, die vor allem für Grossunternehmen interessant ist, die üblicherweise in der Pharmaindustrie tätig sind.
Das zweite Instrument scheint für Start-ups mehr Vorteile zu bringen: Es erlaubt den Abzug der mit F&E verbundenen Personalkosten vom Gewinn – in Höhe von maximal 150%. Das können die Löhne für die Ingenieure sein (im Fall firmeninterner F&E), aber auch externe Kosten für Aufträge, die an eine Hochschule vergeben werden. Bis heute haben viele Kantone erklärt, dass sie diese Massnahme vollumfänglich (erhöhter Abzug von 150%) in ihre Gesetzgebung aufnehmen wollen.
Wie sieht es mit der Steuer auf das Vermögen der Investoren aus?
Erb-Zimet: Wenn es nicht an der Börse kotiert ist, muss der Wert eines Start-ups für die Vermögenssteuer des Aktionärs (egal ob es der Gründer des Start-ups oder ein externer Investor ist) von der Steuerverwaltung geschätzt werden. Nach der Methode, welche die Steuerbehörden zur Bewertung verwenden, führen die verschiedenen Finanzierungsrunden des Start-ups zu einer Erhöhung dieses Wertes. Daher kommt es zu folgendem Problem: Das steuerbare Vermögen des Unternehmers, der ursprünglich in sein Start-up investiert hat, steigt stark an und führt zu einer erheblichen Steuerbelastung, obwohl vielleicht gar keine Einnahmen erzielt werden. Dieses Problem der Bewertung der Aktien wird im Parlament regelmässig diskutiert.
Wie können Schweizer Start-ups so attraktiv bleiben, dass sie die besten Ingenieure anwerben?
Erb-Zimet: Da Start-ups keine hohen Löhne bieten können, vergeben sie häufig Mitarbeiteraktien. Das ist für den Mitarbeiter interessant, da er einen steuerbefreiten Kapitalzuwachs erhalten kann, indem er die Aktien einige Jahre später wieder verkauft, wenn das Unternehmen an Wert gewonnen hat. Allerdings unterliegen diese Aktien zum Zeitpunkt ihrer Abgabe der Einkommensteuer, wobei die Differenz zwischen dem Abgabepreis und dem Verkehrswert das steuerbare Einkommen darstellt. Die Einführung eines Plans zur Mitarbeiterbeteiligung muss in jedem Fall vorher mit der Steuerbehörde abgestimmt werden.