Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und Kanada feiert sein sechsjähriges Bestehen. Eros Robbiani, Leiter des Swiss Business Hub in Montréal, gibt Ratschläge für Schweizer KMU, die in das Land exportieren wollen.
Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und Kanada, das am 1. Juli 2009 im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) unterzeichnet wurde, brachte viele neue Geschäftsgelegenheiten für Schweizer Unternehmen mit sich. Wie kann man erfolgreich exportieren? Welche Industrien boomen und welche Fehler sollte man nicht begehen? Antworten gibt der Leiter des Swiss Business Hub (SBH) Canada, Eros Robbiani.
Welche Auswirkungen konnten Sie seit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens beobachten?
Eros Robbiani: Die Schweizer Exporte haben sich zwischen 2009 und 2018 von CHF 1'484 Millionen auf CHF 3'181 Millionen mehr als verdoppelt. Ich mag den Gedanken, dass die Arbeit des SBH zu diesem Ergebnis beigetragen hat, aber wir haben den Anstieg vor allem der Exportkultur der Schweizer Wirtschaft sowie der Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen zu verdanken.
Welche Aufgabe hat der Swiss Business Hub Canada?
Robbiani: Der SBH Business Hub Canada vertritt Switzerland Global Enterprise (S-GE). einen nicht gewinnorientierten Verein im Auftrag des SECO, der die Begleitung der Unternehmen auf neuen Märkten zum Ziel hat. Der SBH hat die Funktion eines besonderen Ansprechpartners für die KMU aus der Schweiz und Liechtenstein, die ihre Produkte und Dienstleistungen nach Kanada exportieren wollen. Wir finden ausserdem heraus, welche wachstumsstarken kanadischen Firmen bereit für eine Expansion sind, und schlagen diesen die Schweiz als neue Business Location vor.
Welche Dienstleistungen bieten Sie an?
Robbiani: Wir stützen uns auf ein Netzwerk von Experten, die in der Lage sind, den besonderen Bedürfnissen eines KMU in Abhängigkeit von seinen Produkten gerecht zu werden. Wir bieten unter anderem die Durchführung von Marktanalysen an, die Beurteilung von Projekten, die Suche nach Vertriebs- und Geschäftspartnern oder auch die Organisation von Begegnungen im Bereich "Business to Business" und "Business to Consumer".
In welchen Industrien haben die Schweizer Unternehmen die besten Chancen, erfolgreich nach Kanada zu exportieren?
Robbiani: Der Technologiesektor erfährt in Kanada ein enormes Wachstum. Es gibt einen Boom in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Fintech, womit in den verschiedenen Branchen alle möglichen Auswirkungen verbunden sind. Aussichtsreich sind auch nachhaltiges Bauen und die Suche nach Lösungen, um dem Klimawandel zu begegnen. Über das Thema wird gegenwärtig sehr viel in der kanadischen Öffentlichkeit diskutiert. Die Massnahmen, welche die Regierungen der Bundesstaaten und der Provinzen gerade auf die Beine stellen, sollten dazu führen, dass sich die Gewohnheiten und die Erwartungen der Konsumenten verändern.
In welchem Sektor gibt es momentan besonders wenig Konkurrenz für die Schweizer KMU?
Robbiani: Ich glaube nicht, dass es in einem Sektor leichter ist als in einem anderen. Die Schweizer KMU bieten sehr oft Nischenprodukte an, die so innovativ sind, dass der Bedarf danach noch gar nicht besteht. Aufgrund der Grösse und der Zusammensetzung gibt es in Kanada weniger Konkurrenz als in anderen Ländern, die als reife Märkte gelten. Die Chancen sind dort also höher.
Welche Städte bieten die meisten Gelegenheiten?
Robbiani: Montréal, Vancouver und Toronto, das allein 30% bis 50% der gesamten Wirtschaftsleistung erbringt, sind die drei grössten Ballungsräume in Kanada. Für einen Schweizer Exporteur ist es also relativ leicht, den richtigen Zielmarkt zu finden. Die Tatsache, dass das Land zweisprachig ist, macht den Austausch leichter, insbesondere zwischen Québec und den Westschweizer Firmen.
Wie müssen die Schweizer KMU vorgehen, wenn sie in den kanadischen Markt exportieren wollen?
Robbiani: Der erste Schritt besteht darin, sich zu versichern, dass man hierzulande über die nötigen Ressourcen verfügt, bevor man sich internationalisiert, Es kommt oft vor, dass sich ein Unternehmen für den kanadischen Markt interessiert und nach einer ersten Einschätzung wieder Abstand nimmt, weil es an Ressourcen fehlt. Dann ist es ganz entscheidend, dass man seinen Wettbewerbsvorteil kennt, um sich von anderen abzuheben. Es kann ja sein, dass unsere Schweizer KMU Produkte haben, die so ähnlich sind wie Lösungen, die es in Kanada schon gibt, die sich aber durch einen innovativen Ansatz oder eine bessere Qualität auszeichnen. Anschliessend muss man sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Zertifizierung der Produkte, die Importvorschriften, die Logistik und die Wahl seines Vertriebspartners informieren.
Was würden Sie einem Schweizer KMU raten, das nach Kanada exportieren will?
Robbiani: Ihr potenzieller Partner wird sich schon vor dem ersten Kontakt über sie informieren. Es ist absolut notwendig, dass Ihre Website aktuell ist und die Informationen auf Englisch und nach Möglichkeit auf Französisch zur Verfügung stehen. Zudem hat die Zeitverschiebung zwischen der Schweiz und den wichtigsten kanadischen Städten Auswirkungen auf die Geschäftsabläufe, mit denen man im Alltag zurechtkommen muss. Und die Geschäfte laufen im nordamerikanischen Stil. Man muss schnell reagieren und im richtigen Moment zuschlagen. Daher ist es so wichtig, sehr gut vorbereitet zu sein, bevor man loslegt. Der Service ist ebenfalls ein Schlüsselelement und genauso wichtig wie die Qualität oder die Technologie eines Produktes. Und schliesslich darf man die regionalen Unterschiede innerhalb des kanadischen Marktes nicht vergessen, sowohl was die Sprache angeht als auch mit Blick auf die Gesetze.