Wie lässt sich der digitale Stress im Unternehmen reduzieren?

Indem die digitalen Tools die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben auflösen, können sie schädliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Beschäftigten haben, was bis zum Burnout führen kann. Zwei Expertinnen geben Tipps, wie man diese Auswirkungen begrenzen kann.

Eine Frau stützt ihren Kopf in die Hände mit E-Mail-Piktogrammen

Wer wurde nicht schon mal bei der Arbeit von E-Mails oder Textnachrichten überflutet? Im Alltag reihen sich die Mitteilungen manchmal nahtlos aneinander. Laut einer Studie aus Frankreich erhalten Angestellte durchschnittlich 144 E-Mails pro Woche und 31% von ihnen beantworten diese auch ausserhalb der Bürozeiten. Fachleute sprechen von "digitalem Stress" oder "Techno-Stress", um die ständige Beanspruchung zu beschreiben, die bei den Beschäftigten zu Erschöpfung und mitunter sogar zum Burnout führt.

"Erst seit Kurzem wird das Thema unter dem Aspekt der Arbeitsgesundheit betrachtet", stellt Justine Dima, Assistenzprofessorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Waadt in Yverdon-les-Bains (HEIG-VD), fest. Wie lässt sich der digitale Stress in Unternehmen reduzieren? Welche Strategien sollte man einführen? Fünf Ratschläge.

1. Eine Diagnose stellen

"Digitaler Stress kann verschiedene Ursachen haben", erklärt Justine Dima. "Er kann entstehen, wenn die Digitaltechnik auf das Privatleben eines Mitarbeitenden übergreift oder wenn sich jemand von der Komplexität der Technologien überfordert fühlt oder nicht sicher ist, wie diese zu nutzen sind. Die Digitaltechnik kann zu einer Arbeitsüberlastung führen und sogar die Angst vor Arbeitsplatzverlust schüren, wenn sie als berufliche Grundvoraussetzung gilt."

Um den Stress wirksam zu reduzieren, rät die Expertin dazu, mit einer Diagnose des Techno-Stress im eigenen Unternehmen zu beginnen, indem zunächst festgestellt wird, welche Aspekte Probleme bereiten. Online-Barometer oder der von der Fachhochschule ARC angebotene Service zur Analyse psychosozialer Risiken können den Unternehmen bei diesem ersten Schritt als Unterstützung dienen.

2. Zeiten der Nichterreichbarkeit respektieren

Häufig wird die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben durch die Digitalisierung verwischt. Laut Travail.Suisse wird die Tatsache, ständig erreichbar zu sein, oft als einer der Nachteile der Digitalisierung genannt.

Nach Meinung der Arbeitspsychologin Catherine Buchet "müssten die Unternehmen eine klare Politik einführen, um E-Mails und Anrufe ausserhalb der gesetzlichen Arbeitszeiten zu beschränken, und auf der Trennung zwischen Berufs- und Privatleben bestehen".

Justine Dima fügt hinzu: "Als CEO sollte man ein Vorbild sein, indem man davon absieht, die Mitarbeitenden ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten und vor allem über deren private Nummer zu kontaktieren, auch wenn man selbst zu diesen Zeiten noch arbeitet."

3. Die Nutzung jeder einzelnen Anwendung klarstellen

Die steigende Zahl der Kommunikationskanäle, auch digitale Überlastung genannt, ist nach den Eingriffen in das Privatleben der zweithäufigste Faktor für Techno-Stress. Catherine Buchet: "Ständig zwischen Teams, WhatsApp, dem Intranet und den persönlichen Dateien zu switchen, erhöht die mentale Belastung der Beschäftigten. Studien zeigen, dass sich diese digitale Überlastung negativ auf das Gehirn auswirkt. Sie beeinträchtigt unsere Fähigkeit zu lernen, uns etwas zu merken und uns zu konzentrieren."

Diese Überlastung lässt sich mit einfachen Verfahren reduzieren. Man kann zum Beispiel die Anzahl der Kommunikationskanäle begrenzen oder "ein Gespräch innerhalb des Teams führen, um die spezifische Nutzung jeder einzelnen Anwendung klarzustellen".

Zum digitalen Stressmanagement gehört auch das Hinterfragen des Einzelnen. "Viele Menschen fühlen sich mit Informationen überflutet, haben aber bei ihren Benachrichtigungen auch noch überhaupt keine Einstellungen vorgenommen. Das ist ein sehr einfacher Schritt, durch den sich die digitale Beanspruchung erheblich verringern lässt", erklärt Justine Dima.

4. Die Einführung neuer Tools begleiten

"Wenn die Karriere voranschreitet, ist es manchmal schwierig, in digitalen Fragen immer auf dem neusten Stand zu sein. Mit zunehmendem Tempo des Berufsalltags und wachsender Verantwortung bleibt oft weniger Zeit für Weiterbildung. Das verstärkt die Angst, den Anschluss zu verlieren und auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht zu werden", erklärt Catherine Buchet. "Es ist unerlässlich, dass die Unternehmen Arbeitszeit einplanen, in der die Mitarbeitenden die digitalen Entwicklungen verfolgen und ihre Kompetenzen aktuell halten."

Für Justine Dima liegt der Schlüssel darin, die Beschäftigten in den Prozess der Implementierung neuer Tools einzubinden: "Drei Viertel aller technologischen Veränderungen scheitern daran, dass Mitarbeiter nicht einbezogen werden. Ein Tool muss zunächst einem echten Bedarf entsprechen. Danach empfiehlt es sich, schrittweise vorzugehen: Pilotprojekte starten, Anpassungen vornehmen und Erfolge sichtbar machen."

Anders als man denken würde, liegt das Problem nicht bei den Beschäftigten, die besonders vehement gegen die Einführung einer neuen Technologie sind. "Es sind die überzogenen Erwartungen, die häufig zu Enttäuschungen führen."

5. Weiterbildungen ins Auge fassen

Die Hochschulen bieten Fortbildungen für Unternehmen an, in denen sich ein guter Umgang mit Digitaltechnik erlernen lässt. Es gibt auch Online-Kurse (MOOCs) über Plattformen wie Coursera. "Die Managerinnen und Manager müssen dabei den Anstoss geben, passende Schulungen zu finden, sie intern anzubieten und auf den E-Learning-Plattformen des Unternehmens zu teilen", fasst die Professorin zusammen.


Informationen

Zum Tema

In Zürich entwickelt die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Chatbots, welche die Mitarbeitenden bei ihrem Stressmanagement unterstützen sollen. Das Tool, das auf einer Open-Source-Technologie für künstliche Intelligenz basiert, enthält Techniken der kognitiven Therapie und Achtsamkeitsübungen. Es kann selbstständig genutzt werden oder mit der Unterstützung durch einen menschlichen Coach.

Letzte Änderung 07.01.2025

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