Was tun bei Zahlungsverzug und Zahlungsausfällen?

Verspätet oder nicht bezahlte Rechnungen bereiten allen Unternehmen Sorgen, in der Regel belasten sie die Finanzen der KMU aber stärker als die der Grossunternehmen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Schritte im Umgang mit unredlichen Kunden.

Ein Mann leert seine Hosentaschen.

Probleme mit Zahlungsverzug sind für 83% der Schweizer Unternehmen, die 2021 von der Inkassogesellschaft Intrum befragt wurden, Realität (s. Infokasten). Das liegt jedoch nicht unbedingt an den pandemiebedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten, betont Jürg Rösti, Professor an der Hochschule für Wirtschaft Freiburg. "Die auf Bundesebene unternommenen Anstrengungen bewirken, dass es die meisten Unternehmen geschafft haben, ihre Lieferanten zu bezahlen, und die Zahl der Konkurse war zumindest im Jahr 2020 und im ersten Halbjahr 2021 eher rückläufig."

KMU seien zu Recht besorgt, meint Eric Muster, Rechtsanwalt in der Kanzlei Rusconi&Associés in Lausanne und Experte für Betreibungsrecht. "Bei KMU ist der Cashflow geringer und ihr Geschäft hängt häufig von einem oder zwei Grossaufträgen ab. Tritt bei einem davon ein Zahlungsproblem auf, kann ihre Situation sehr schnell kompliziert werden." Laut Jürg Rösti haben nicht allein die KMU mit säumigen Zahlern zu kämpfen, aber aufgrund der Art ihrer Geschäfte trifft es sie härter. "Besonders deutlich wird das in bestimmen Bereichen wie beim Online- oder Versandhandel, wo man nur wenige Informationen über die Käufer hat. Bei Kunden aus dem lokalen oder regionalen Umfeld, über deren Ruf man leichter etwas in Erfahrung bringen kann, ist das Risiko geringer."

Womit fängt man an, wenn es ein Problem gibt?

Wie reagiert man auf einen Kunden, der nicht pünktlich zahlt? "Es empfiehlt sich, mit einer schlichten Nachfrage zu beginnen", meint Jürg Rösti. "Vielleicht ist die Erklärung ganz einfach. Ein Anruf kostet fast nichts und danach weiss man mehr." Wenn das zu nichts führt, besteht ein weiterer kostengünstiger Schritt darin, ein bis drei Mahnschreiben zu verschicken. "Es ist üblich, mit einem Schreiben zu beginnen, das den Schuldner offiziell in Verzug setzt", erklärt Eric Muster. "Wenn die Zahlung dann nicht eingeht, kann man ein Betreibungsbegehren beim zuständigen Betreibungsamt einreichen." Das ist auch digital über den Online-Schalter für Unternehmen EasyGov.swiss möglich.

Das Betreibungsamt lässt dem Schuldner einen Zahlungsbefehl zukommen, den dieser innert zehn Tagen bestreiten kann. Ist dies nicht der Fall oder wird der Schuldner durch ein Gerichtsurteil per Rechtsöffnung zur Begleichung der Forderung gezwungen,  kann der Gläubiger ein Begehren auf Fortsetzung der Betreibung einreichen und so das eigentliche Inkassoverfahren einleiten. Ein komplexer Prozess, warnt Eric Muster: "Das Ganze kann Monate oder gar Jahre dauern, vor allem wenn Sie nicht im Besitz einer Schuldanerkennung des Schuldners sind."

Ist der säumige Zahler nicht in der Schweiz ansässig, so ist das Verfahren natürlich viel komplexer. "Wenn Ihr Schuldner zum Beispiel in Paris sitzt, muss das Verfahren, von Ausnahmen abgesehen, vor einem französischen Gericht geführt werden", erklärt der Rechtsanwalt. "Wenn es um grosse Geldsummen geht, wird es lange dauern, aber in Ländern wie Frankreich funktionieren Pfändungsverfahren relativ gut." Bei kleinen Forderungen in einem Land, das weit entfernt ist oder sich in einer Krise befindet, lohne sich der Aufwand oft nicht, meint Eric Muster, der regelmässig einigen Kunden rät, von ihrer Forderung abzulassen, und zu einem gewissen Pragmatismus aufruft. "Wenn das Verfahren, das Sie einleiten, teurer ist als die Forderung, die Sie einholen wollen, ist es meist der Mühe nicht wert."

Vorbeugend handeln

Um sich vor einem Zahlungsverzug oder, schlimmer noch, einem Zahlungsausfall zu schützen, sollte man vorbeugend handeln, erklärt Jürg Rösti. "Wichtig ist, dass man seine Kunden gut kennt. Man hat auch weniger Probleme mit Firmen, für die man schon seit langer Zeit arbeitet. Bei einem neuen Partner ist das Risiko deutlich höher."

Eric Muster weist auf einige gute Angewohnheiten hin: Es ist leicht und nicht teuer zu prüfen, ob es den Kunden wirklich gibt oder ob er beispielsweise im Schweizer Handelsregister eingetragen ist. Handelt es sich um einen Schweizer Kunden, kann man mit einem Auszug aus dem Betreibungsregister in Erfahrung bringen, ob der künftige Vertragspartner schon in eine Rechtsstreitigkeit verwickelt war. Das ist anonym und kostet nur 18 Franken. Allerdings ist diese Datenbank nicht öffentlich und man muss ein berechtigtes Interesse vorweisen, um die Auskunft zu erhalten, zum Beispiel durch vorvertragliche Verhandlungen. Auch wenn es ein wirksames Mittel ist, hat es doch seine Schwächen, denn das Register wird auf Bezirksebene geführt. Verlagert eine unredliche Firma ihren Sitz in einen anderen Kanton, ziehen die sie betreffenden Informationen nicht mit. Eine weitere Einschränkung: Es nimmt Zeit in Anspruch und ein Unternehmen, das seine Produkte an sehr viele Kunden verkauft, wird niemals alle überprüfen können. Am einfachsten ist es dann, ein auf Analyse und Inkasso spezialisiertes Unternehmen zu beauftragen.

Noch ein hilfreicher Reflex: "Um eine Anzahlung bitten und vereinbaren, dass erst nach deren Eingang geliefert wird", schlägt Jürg Rösti vor. Das ist insofern ein zweischneidiges Schwert, als ein potenzieller Neukunde dies ablehnen und sich an einen anderen Lieferanten wenden könnte. Wie so oft, geht es vor allem um eine Risikoabwägung.


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83% der Schweizer Firmen haben Probleme, weil Rechnungen zu spät beglichen werden.

Jede zweite Firma wurde schon um eine Verlängerung der Zahlungsfristen gebeten.

64% der Befragten fürchten, dass das Risiko zunehmen wird.

Quelle: Ausgabe 2021 des European Payment Report, der von der auf Credit Management und Finanzdienstleistungen spezialisierten Gesellschaft Intrum publiziert wird.

Letzte Änderung 06.04.2022

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