Chancen des Mentorings

Die Idee des Mentorings im Business-Bereich stammt aus Kanada, hat sich mittlerweile aber auch in der Schweiz verbreitet. Ein Mentorenprogramm beruht auf dem Austausch zwischen einer jungen und einer erfahreneren Person, wodurch die begleitete Nachwuchskraft ihr Projekt dank der Erfahrungen des Mentors oder der Mentorin verbessern kann.

Ein älterer und ein jüngerer Mann unterhalten sich, während sie Dokumente anschauen.

Mentoring, das nicht mit Beratung oder Coaching verwechselt werden sollte, dient dazu, noch unerfahrene Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Es geht um die Befähigung einer Person, die sich auf diesem Weg ihrer Talente und Stärken, aber auch ihrer verzerrten Wahrnehmungen oder Blockaden bewusst wird. Ohne jemals anstelle der begleiteten Person eine Entscheidung zu treffen, bringt der Mentor oder die Mentorin doch die eigene Erfahrung und eine Aussenperspektive ein. "Die Erfahrung ist wichtiger als das Alter, aber die Rolle setzt voraus, dass der Mentor oder die Mentorin gewisse Praxiserfahrungen gesammelt hat", erklärt Emile Dupont, Leiter des Teams Technologietransfer und des Mentoringprogramms von Innosuisse, in dem jedes Jahr mehr als 600 Projektträger begleitet werden.

Der ehemalige Wissenschafter José Achache, der im Rahmen des Lausanner Inkubators AP-Swiss seit Jahren den unternehmerischen Nachwuchs im Bereich Raumfahrt und Satelliten begleitet, fasst seine Rolle als Mentor wie folgt zusammen: "Jede Beziehung ist anders, aber es geht jedes Mal darum, sie in dem, was sie gut machen, zu fördern, und in dem, was sie nicht so gut machen, zu bremsen."

Fallstricke vermeiden

Sébastien Meunier, Leiter der industriellen Transformation bei Basel Area Business and Innovation, betont die sehr pragmatische Natur dieser besonderen Form der Begleitung. Mentoring ist eine der Säulen der i4Challenge "Neue Ideen", die von der Agentur entwickelt wurde, um Projektträger im Bereich der industriellen Transformation 4.0 durch intelligente Lösungen zu unterstützen. Die Preisträger, in der Regel junge Absolventinnen und Absolventen, erhalten sechs Monate lang für drei Stunden pro Woche eine kostenlose Begleitung durch einen Mentor oder eine Mentorin.

Das Entscheidende ist eine businessorientierte Begleitung, damit diese jungen Firmen den passenden Markt finden können. "Unsere Nachwuchskräfte kennen sich mit den wissenschaftlichen und technischen Aspekten ihrer Projekte oft bestens aus.   Eine schöne Idee oder selbst ein gutes Produkt reichen aber nicht", weiss Sébastien Meunier. "Unsere Mentorinnen und Mentoren haben ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt und gezeigt, dass sie wissen, wie sie ihre Dienstleistungen oder Lösungen an ihre Kunden verkaufen können. Sie kennen sich mit Geschäftsbeziehungen aus und wissen, wie sich Kunden verhalten und wie man mit ihnen umgehen muss. Sie sind da, um unseren "Mentees" bei der Strukturierung der nächsten Schritte zu helfen, damit sie sich nicht irgendwo festbeissen und verrennen. Man hat das Recht, sich zu irren, muss aber auch den klaren Blick dafür haben, sich dessen bewusst zu werden."

Eine Verbindung finden

Gutes Mentoring bedeutet, dass man einem jungen CEO hilft, seine Erwartungen oder Ambitionen im Zaum zu halten, mehr Klarheit zu erlangen und zwischen Begeisterung und Realität zu trennen. "Die Arbeit besteht auch darin, deutlich zu machen, dass er oder sie nicht allein am Steuer sitzt, vor allem nach der ersten Finanzierungsrunde oder den ersten Subventionen", stellt José Achache fest. "Investoren für sich zu gewinnen, ist eine Sache, aber dann muss man gegenüber den Geldgebern und den Verwaltungsräten auch Rechenschaft ablegen, was manchmal schwer zu akzeptieren ist."

Die Aufgabe kann durchaus heikel werden, sodass sowohl fachliche als auch menschliche Qualitäten erforderlich sind", betont Emile Dupont. "Die rund zwanzig Mentorinnen und Mentoren, die mit uns arbeiten, kennen sich hervorragend mit Technologietransfer und den Verbindungen zwischen der akademischen und der Wirtschaftssphäre aus. Aber es sind auch Menschen, die sich durch bestimmte persönliche Eigenschaften auszeichnen: durch den Willen, etwas zu vermitteln, Offenheit, die Fähigkeit, die Dinge beim Namen zu nennen ... Einem jungen CEO zu sagen, dass er auf dem falschen Weg ist oder seine Idee weniger revolutionär ist, als er denkt, ist nicht leicht. Aber genau darüber kann eine vertrauensvolle, wirkungsvolle und gewinnbringende Beziehung entstehen." Ob ein gemeinsames technisches Know-how die Basis bildet oder eine gemeinsame Begeisterung für ein bestimmtes Hobby – es geht auch darum, eine Verbindung zu finden, um dem jungen Menschen, den man begleitet, dabei zu helfen, an den Start zu gehen und schliesslich unabhängig zu werden.


Informationen

Zum Thema

Reverse mentoring: Mentoring mit umgekehrter Logik

José Achache, ehemaliger Wissenschafter am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Frankreich, leitete früher ein grosses Programm der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) sowie die staatenübergreifende GEO Group. Seit 2012 begleitet er in Lausanne Start-ups wie Geosatis, Altyn und Astrocast im Rahmen der Plattform AP-Swiss, die Jungunternehmen im Raumfahrtsektor dabei helfen soll, die richtigen institutionellen Partner in der Schweiz zu finden und Finanzierungen der ESA zu erhalten. Als langjähriger Mentor hat er gelernt, im Rahmen eines "Reverse Mentoring" eine neue Rolle einzunehmen, denn dabei bringt der Jüngere den Älteren dazu, neue Perspektiven auszuloten.

"Durch die Begleitung junger Firmengründer und -gründerinnen habe ich eine neue Welt entdeckt und ich habe zwar einerseits meine Erfahrung eingebracht, aber andererseits auch selbst viel gelernt", erklärt der ehemalige Wissenschafter. Es ist eine Möglichkeit, um mit Innovationen in den Bereichen Satelliten und Internet der Dinge (IoT) in Kontakt zu bleiben, aber es geht auch um das Erlernen einer neuen Rolle: "Mit der Zeit haben mich einige von denen, die ich begleitet hatte, gefragt, ob ich als Verwaltungsratspräsident bei ihnen einsteigen würde, obwohl ich von meiner Erfahrung her eher als technischer Berater prädestiniert gewesen wäre. Dank ihnen und mit ihnen habe ich Kompetenzen erworben, von denen ich vor fünf Jahren noch keine Ahnung hatte", erklärt José Achache, der heute in einem halben Dutzend Verwaltungsräten von Start-ups aus der Raumfahrtbranche den Vorsitz hat. So kommt die Beziehung zwischen Mentor und Mentee beiden Seiten zugute.

Letzte Änderung 02.02.2022

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