Neue Arbeitsmodelle für mehr Flexibilität

Alternative Arbeitsweisen, die seit knapp 30 Jahren entwickelt werden, finden unter dem Einfluss der Covid-19-Pandemie rasche Verbreitung. Einblicke in diese Entwicklung, die viele Vorteile, aber auch Nachteile mit sich bringt.

Eine Person arbeitet in ihrem Heimbüro mit ihrem Personal Computer.

Seit Beginn der Gesundheitskrise hat Telearbeit im Leben vieler Schweizer Beschäftigter einen grossen Platz eingenommen. Laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) haben knapp 35% der Erwerbstätigen in der Schweiz 2020 regelmässig oder gelegentlich von zu Hause gearbeitet, während es ein Jahr zuvor etwas weniger als 25% waren. Und eine grosse Mehrheit der Mitarbeitenden sieht das positiv: "Laut einer von uns durchgeführten Umfrage sagt eine überwältigende Mehrheit der Befragten (96%), dass sie gut im Homeoffice arbeiten können", erklärt Ursula Häfliger, Verantwortliche Politik beim Kaufmännischen Verband Schweiz und Geschäftsführerin der plattform (politische Allianz unabhängiger und Angestellten- und Berufsverbände).

Gute und schlechte Seiten der Digitalisierung

Telearbeit bringt viele Vorteile mit sich, Sie bietet mehr Flexibilität und ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Der Weg zum Büro fällt ebenso weg wie das Arbeiten im Open Space. Wer in seinem eigenen Rhythmus arbeiten kann, ist zudem weniger gestresst. Dazu müssen aber bestimmte Bedingungen erfüllt sein. "Die Tage waren für viele deutlich intensiver" weiss Kirsten Bourcoud, Arbeitspsychologin und Beraterin bei Vicario in Lausanne. "Die Aneinanderreihung von Videokonferenzen ist auch eine zusätzliche mentale Belastung." Wenn die Technologie fester Bestandteil unseres Lebens wird, ist es daher wichtig, abschalten zu können. "Das Phänomen der ständigen Erreichbarkeit gibt es seit mehreren Jahren, mit E-Mails, die ausserhalb der Arbeitszeiten auf dem Smartphone eintreffen", so Bourcoud weiter. "Es ist schwieriger geworden, mental abzuschalten."

Die neuen Arbeitsmodelle konnten sich vor allem dank des technologischen Fortschritts und der Digitalisierung entwickeln. "Einige Modelle gehen auf die 1990er Jahre zurück und beruhen auf einer von den Call Centern genutzten Technologie namens Voice over internet protocol (Übertragung der Stimme über kompatible Netze)", erklärt Kirsten Bourcoud. "Ein Kunde konnte so zum Beispiel bei einem Angestellten landen, der von Mumbai aus antwortete." Seitdem hat sich auch in anderen Berufen die Ortsgebundenheit verringert. "In den Bereichen Wissenschaft, Kommunikation oder in den IT-Berufen gab es schon länger sehr flexible Arbeitsbedingungen", macht Ursula Häfliger deutlich. Die Gesundheitskrise hatte auch auf eher zögerliche Sektoren erhebliche Auswirkungen. "Am Ende hat man auch bei den Banken und Versicherungen gemerkt, dass die Arbeit zu einem grossen Teil aus der Ferne erledigt werden kann, solange die Datensicherheit gewährleistet ist", sagt die Verantwortliche Politik des Kaufmännischen Verbands.

Klarer Rahmen erforderlich

Doch wie wird es nach der Krise sein? Aus Sicht der Expertinnen und Experten sollten diese Arbeitsweisen langfristig ihren Platz haben, besonders Hybrid-Modelle, also beispielsweise eine Mischung aus Arbeit im Homeoffice, im Büro oder sogar noch an einem dritten Ort. Claudia Giorgetti Del Monte ist Co-Präsidentin der Work Smart Initiative, die sich für flexible Arbeitsformen einsetzt, und Leiterin Unternehmenskultur bei der Mobiliar. Ihrer Meinung nach ist es auch für die Unternehmen gut, in diese Richtung zu gehen. "Die neue Ära hat begonnen und wenn ein Arbeitgeber attraktiv bleiben will, muss er zukunftsorientiert denken. Sein Unternehmen wird damit Talente aus der jungen Generation anziehen, die andere Einstellungen und Erwartungen hat."

Die Gesundheit der Mitarbeiter ist dabei ebenfalls ein zentrales Thema. "Das Arbeitsgesetz stammt aus dem Industriezeitalter und passt nicht mehr zu den neuen Bedürfnissen unserer Gesellschaft", erklärt Ursula Häfliger. "Deshalb fordert die plattform eine Modernisierung dieses Gesetzes, die an Präventionsmassnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes gekoppelt ist, die psychosoziale Risiken angemessen berücksichtigen."

Die Arbeitspsychologin Kirsten Bourcoud findet darüber hinaus, dass es äusserst wichtig ist, den Dialog zu fördern: "Alles hängt von der individuellen Wahrnehmung ab. Die Leute auf irgendeine Art zu zwingen, wäre kontraproduktiv." Damit diese Modelle funktionieren, ist eine klare Organisation aus ihrer Sicht unerlässlich: "Mit genau definierten Rollen und Zuständigkeiten kann sich die Delokalisierung geschmeidig und erfolgreich gestalten." Ähnlich sieht es auch Claudia Giorgetti Del Monte: "Je mehr Vertrauen und Autonomie man gewährt, desto wichtiger ist es, eine gemeinsame Struktur und ein gemeinsames Verständnis zu haben, damit man den Zusammenhalt und die Effizienz bewahrt."


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Zum Thema

Eine Mehrheit der Büroangestellten für Telearbeit

Im Februar 2021 haben 52% der Schweizer Erwerbstätigen ganz oder teilweise im Homeoffice gearbeitet, wie aus einer Studie der Wirtschaftsprüfung und -beratung Deloitte hervorgeht.  

Darin zeigt sich, dass die grosse Mehrheit der Büroangestellten sich künftig nicht mehr jeden Tag zu ihrem Arbeitsplatz begeben will. 62% der Befragten möchten weiterhin die Möglichkeit zur Telearbeit haben. 26% befürworten eine vollständige Beibehaltung der Arbeit im Homeoffice und 12% würden gern wieder jeden Tag ins Büro kommen.

Es gibt zudem Unterschiede zwischen den Generationen. Von den jungen Beschäftigten wollen 31% auch nach der Pandemie gern zu 100 Prozent von zu Hause arbeiten, während das bei den über 50-Jährigen nur auf 22% zutrifft. Und schliesslich sagen 47%, dass sie im Homeoffice produktiver seien.

Letzte Änderung 07.07.2021

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