ERP-Systeme – ein Vorteil für KMU?

Die grossen Konzerne nutzen schon lange IT-Programme, die das Management ihrer Geschäftsabläufe zentralisieren. Doch bisher hat nur eines von fünf Schweizer KMU diesen Schritt unternommen. Lohnt sich eine solche Lösung? Ein Überblick.

Eine Person fügt das letzte Teil in ein Holzpuzzle ein, auf dem Zahnräder und das Kürzel ERP, ein Synonym für Integriertes-Management-System, abgebildet sind.

Buchhaltung, Rechnungslegung, Auftrags- und Lagerverwaltung, Erstellung der Lohnausweise… Viele KMU regeln diese Aufgaben, indem sie sich auf klassische Bürosoftware stützen. Dagegen versprechen ERP-Programme ("Enterprise Resource Planning"), diese zu automatisieren und die Abläufe zu vereinfachen.

Ein ERP-System wird anhand einer Reihe von Modulen entwickelt, die mit einer gemeinsamen Datenbank verknüpft sind, und bündelt verschiedene Management-Funktionen, von ganz einfachen (Zahlungen, Kalender, Fakturierung, Urlaubsverwaltung) bis hin zu komplexeren (Logistikkette, Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, Qualität, Besteuerung…). Jeder neue Eintrag füttert die gemeinsame Datenbank und erleichtert so eine übergreifende Steuerung der Tätigkeiten. "Die Bedürfnisse der KMU sind zwar unterschiedlich, abhängig von ihrer Branche, ihrer Grösse oder ihren internationalen Prozessen, doch 80% ihrer Verfahren funktionieren auf die gleiche Art und Weise", erklärt Tobias Ackermann, Country Manager Schweiz für den Hersteller Sage.

Zunächst wurde ERP im Industriesektor eingesetzt, doch heute können diese Lösungen auch den Alltag von Händlern und Gewerbetreibenden immer wirksamer entlasten, indem mobile Versionen sogar die Nutzung über ein einfaches Smartphone ermöglichen. Effektiveres Management, Zeitersparnis: Ein gutes ERP-System kann es Führungskräften und Mitarbeitern erlauben, sich auf den eigentlichen Kern ihrer Tätigkeit zu konzentrieren.

Grosse Auswahl

Allerdings zeigen mehrere Studien, dass weniger als 20% der KMU gegenwärtig eine ERP-Software nutzen. Um besser auf ihre Bedürfnisse einzugehen, sind viele neue Angebote entstanden. Neue Akteure streben auf den Markt und machen den lange etablierten Anbietern wie SAP, Oracle, Sage, Abacus usw. Konkurrenz. Einige kommen aus dem Ausland, wie die belgische Firma Odoo oder die französische Divalto, andere aus der Schweiz, beispielsweise Accounto, Klara oder Bexio. Letztere wurde speziell auf den Markt der KMU zugeschnitten, so Firmengründer Jeremias Meier: "Unser Standardkunde hat weniger als zehn Beschäftigte und in der Regel wird unsere ERP-Software vom Geschäftsführer selbst genutzt, um Rechnungen zu erstellen oder für die Buchhaltung. Unsere Kunden brauchen umso mehr eine einfache Lösung, als sie im Allgemeinen nur geringe Informatik-Kenntnisse haben. Die Hälfte von ihnen hatte vor der Entscheidung für unser System noch gar keine spezielle Software eingesetzt."

Vielfältige Funktionen

Diese Zunahme an Angeboten geht mit einer breiten Palette an Leistungen einher, die mehr oder weniger umfangreich und komplex sind und den Besonderheiten einzelner KMU Rechnung tragen sollen: Ein Coiffeur hat andere Bedürfnisse als ein Landwirt oder ein Gastronom. Für die Hersteller besteht die Herausforderung darin, ein Gleichgewicht zu finden zwischen einerseits einer ausreichend standardisierten Lösung, damit die meisten Bedürfnisse kostengünstig abgedeckt werden können, und andererseits genügend Flexibilität, um jeden Einzelnen zufriedenzustellen. Damit dies gelingt, bieten einige Hersteller eine Basis-Lösung an, die mit zusätzlichen Bausteinen für einzelne Sektoren wie Industrie, Immobilien, Logistik usw. ergänzt werden kann. Andere, wie zum Beispiel Klara oder Bexio, setzen auf Kooperationen: "Unsere 600 Partner entwickeln spezifische Lösungen, die mit unserem System verknüpft werden können", erklärt Jeremias Maier. "So können unsere Kunden Module hinzufügen, die an ihr Geschäftsmodell angepasst sind."

Benutzerfreundlichkeit

Neben der Anpassungsfähigkeit spielt auch die Frage der Bedienung derartiger Software eine Rolle, die lange wegen ihrer Komplexität gefürchtet wurde, aber mittlerweile immer einfacher zu nutzen ist. Die Programme sind user friendly konzipiert und die Hersteller achten darauf, dass sie im Zweifelsfall passende Antworten parat haben: Im Abonnement ist häufig ein Telefon-Support enthalten, ein Techniker kann bei Bedarf aus der Ferne auf das Programm zugreifen, Dialogfelder sind in die Software integriert, es gibt Schulungen, Partnerschaften usw. "Wir arbeiten eng mit Treuhändern zusammen, die unseren Kunden dabei helfen können, die ERP korrekt einzurichten, was die Buchhaltungsfunktionen anbelangt", führt Jeremias Meier weiter aus.

Kosten

Die Kosten hängen natürlich vom Funktionsumfang der Lösung und von der Anzahl der Nutzer ab. Kostenlose ERP-Systeme sollten nach Möglichkeit vermieden werden: Die Funktionen sind häufig eingeschränkt und sie werden über Werbung finanziert oder erheben Gebühren für jede noch so kleine Zusatzleistung. Die grossen Hersteller bieten Tarife an, die in der Regel mit denen der neuen Akteure vergleichbar sind: etwa CHF 30 pro Monat für ein Programm, mit dem Angebote, Rechnungen, die Finanzbuchhaltung, die Lohnabrechnung und die Datensicherung abgewickelt werden können. Für komplexere Bedürfnisse "müssen die höheren Kosten im Verhältnis zu einem Return on Investment bewertet werden, der nicht auf die rein wirtschaftlichen Kriterien beschränkt ist". Zu den erwarteten Steigerungen beim Wachstum oder bei der Produktivität komme noch die Zufriedenheit der Kunden und Mitarbeiter hinzu, macht Tobias Ackermann geltend.


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"Wir können unseren Mitarbeitern viel Flexibilität bieten"

Bertrand Carcel, Geschäftsführer der Genfer Firma Infologo, die auf die Wartung von IT-Systemen spezialisiert ist, hatte viele Jahre lang ein ERP-System genutzt, bevor er sich Ende 2017 für eine neue Lösung entschied. "Die Entwicklungsdynamik unseres ehemaligen Partners liess zu einem Zeitpunkt stark nach, als wir auf neue Bedürfnisse reagieren mussten. Daraufhin suchten wir einen Anbieter, der für uns eine Komplettlösung entwickeln konnte, welche die klassischen Tools eines ERP enthält, aber zusätzlich noch unser Programm zur Pflege der Kundenbeziehungen und unser Ticketsystem, mit dem wir auf technische Probleme unserer Kunden reagieren können."

Infologo entschied sich für den französischen Hersteller Sellsy, da dieser in der Lage war, eine offene Lösung anzubieten: "Sellsy bietet zahlreiche Möglichkeiten der Vernetzung mit externen Elementen, seien es Programme wie WordPress oder Plattformen wie LinkedIn. Dank dieser Eigenschaft können wir Zeit sparen und unseren Mitarbeitern viel Flexibilität bieten. Heute wird bei uns nur noch die Buchführung separat verwaltet." Das ERP, das von den fünfzehn Infologo-Mitarbeitern täglich genutzt wird, kostet das Unternehmen CHF 600 pro Monat. 

Letzte Änderung 05.02.2020

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