"Weiterbildung erhöht die Zufriedenheit und die Bindung der Mitarbeitenden"

Unternehmen sehen sich in vielen Branchen mit einem steigenden Mangel an Arbeitskräften konfrontiert. Aus Sicht von Marcel Keller, Country President der Adecco-Gruppe Schweiz, spielt der Ausbau der Kompetenzen der Beschäftigten eine Schlüsselrolle für die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität der Unternehmen.

Trotz einer deutlichen Abschwächung durch den aktuellen Konjunkturrückgang bleibt der Arbeitskräftemangel in der Schweiz weiterhin auf einem hohen Niveau. Laut den Dachverbänden der Wirtschaft könnten bis 2040 auf dem Arbeitsmarkt rund 430'000 Arbeitskräfte fehlen. Besonders gefragt sind Fachleute im Gesundheitswesen, aber auch Bauführer, Elektriker sowie Expertinnen und Experten im Ingenieurwesen, im Finanzwesen und im Bereich mathematischer Verfahren. Als Reaktion auf diesen Mangel hat der Bund 2011 und 2019 zwei Massnahmenpakete auf den Weg gebracht. Unter anderem wurde ein Paket aus sieben Massnahmen erarbeitet, um die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitnehmenden ab einem gewissen Alter zu erhöhen, schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und in der Schweiz lebende Ausländerinnen und Ausländer beruflich zu integrieren. Marcel Keller, der Leiter von Adecco Schweiz, erklärt, wie sich die Unternehmen dem Mangel begegnen können.

Ihre jüngste Studie ergab, dass der Fachkräftemangel gesunken ist.  Wie sind die Aussichten für die kommenden Jahre?

Marcel Keller: Der Fachkräftemangel wird langfristig bestehen bleiben, hauptsächlich aufgrund des demografischen Wandels und der Digitalisierung. Um dem Problem nachhaltig zu begegnen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, müssen Unternehmen vermehrt in ihre Mitarbeitenden investieren und gezielte Um- und Weiterbildungsmassnahmen anbieten.

Müsste die Digitalisierung den Arbeitskräftemangel nicht eigentlich ausgleichen?

Keller: Bereits seit dem letzten Jahr lässt sich in einigen Bereichen der Entwicklung und Analyse von Software und IT-Anwendungen eine zunehmende Entspannung des Fachkräftemangels beobachten. Ein Faktor, der diese Entspannung teilweise erklären kann, ist der Einsatz von KI in der Softwareentwicklung.

Andererseits steigt durch den Einsatz von KI auch der Bedarf an Fachleuten, die diese Technologien entwickeln, pflegen und ethisch verantworten. Dies könnte den Fachkräftemangel kurzfristig verstärken. Langfristig wird es entscheidend sein, ob Unternehmen ihre bestehenden Mitarbeitenden in den neuen Technologien weiterbilden, um den Fachkräftemangel nachhaltig zu bekämpfen.

Welche Strategien sollten Schweizer Unternehmen entwickeln, um Talente zu gewinnen und zu halten?

Keller: Die Ergebnisse der "Global Workforce of the Future"-Studie der Adecco Group zeigen deutlich, dass neben einer besseren Gelegenheit in einem anderen Unternehmen, die mangelnde Investition in Weiterbildung der zweithäufigste Grund ist, warum Mitarbeitende in der Schweiz kündigen. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es für Unternehmen ist, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Dies schafft nicht nur Karrieremöglichkeiten und Perspektiven innerhalb des Unternehmens, sondern trägt auch dazu bei, die Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeitenden zu erhöhen. Die Einstellung von Personen, die einen Quereinstieg in neue Berufsfelder planen, kann ebenfalls helfen, Lücken im Arbeitsmarkt zu schliessen.

Wie wichtig ist die Aufrechterhaltung der Beschäftigungsfähigkeit von 55+, auch über das Rentenalter hinaus, für die Bewältigung des Fachkräftemangels?

Keller: Es ist ein zentraler Hebel gegen den Fachkräftemangel. Angesichts der demografischen Alterung der Schweiz und des wachsenden Ungleichgewichts zwischen nachrückenden und ausscheidenden Arbeitskräften ist es unerlässlich, erfahrene Fachkräfte länger im Arbeitsleben zu halten. Studien zeigen, dass viele ältere Erwerbstätige über das Rentenalter hinaus arbeiten würden, jedoch oft nicht die Möglichkeit dazu erhalten. Ohne ihre aktive Einbindung wird es für Unternehmen zunehmend schwierig, den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken. Flexible Arbeitsmodelle und eine wertschätzende Unternehmenskultur gegenüber allen Generationen sind daher essenziell, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wie wird sich das Thema Arbeitskräftemangel in den nächsten Jahren entwickeln?

Keller: Die demografische Entwicklung verschärft die Situation weiter, da immer mehr Fachkräfte in den Ruhestand gehen und nicht ausreichend Nachwuchs nachkommt. Unternehmen kämpfen jedoch nicht nur mit einem allgemeinen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, sondern auch mit ungeplanten Langzeitausfällen und einem schwankenden Personalbedarf – beides erschwert die Planung zusätzlich.

Zwar führt die wirtschaftliche Abkühlung kurzfristig zu einer leichten Entspannung in einigen Bereichen, doch die strukturellen Ursachen des Fachkräftemangels bleiben bestehen. Der demografische Wandel und die fortschreitende Digitalisierung werden den Arbeitsmarkt auch in den kommenden Jahren nachhaltig prägen. Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, sollten daher frühzeitig Strategien zur langfristigen Sicherung ihres Fachkräftebedarfs entwickeln.

Welche Ratschläge würden Sie Unternehmen geben, um ihre Rekrutierungspolitik zu optimieren?

Keller: Zum einen sollten Unternehmen ihre Personalbedarfe so früh wie möglich identifizieren und mehrere Jahre im Voraus planen. Dies ermöglicht eine bessere Vorbereitung auf zukünftige Marktveränderungen und hilft, Engpässe zu vermeiden. Ferner sollten Mitarbeitende von Anfang an umfassend geschult und in die Unternehmensprozesse eingebunden werden Dies fördert nicht nur ihre Produktivität, sondern auch ihre Bindung an das Unternehmen. Und nicht zuletzt tragen eine positive Arbeitsumgebung und die aktive Förderung von Inklusion wesentlich zur Mitarbeiterzufriedenheit bei. Unternehmen sollten Massnahmen ergreifen, um einerseits eine Kultur der Wertschätzung und des Respekts zu etablieren, andererseits um die nötige Flexibilität und eine gesunde Work-Life-Balance zu erreichen.


Zur Person/Firma

Marcel Keller, Leiter von Adecco Schweiz

Marcel Keller, geboren 1964, ist seit 2021 Country President der Adecco-Gruppe Schweiz. Er absolvierte nach einer Kochlehre zunächst die Hotelfachschule und bildete sich anschliessend am Management Zentrum St. Gallen weiter sowie über das Leadership Programm von Adecco am IMD Lausanne und danach am INSEAD. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.

Letzte Änderung 09.04.2025

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