Die Zahl der Unternehmerinnen ist in den letzten Jahren gestiegen, bleibt jedoch geringer als die ihrer männlichen Kollegen. Die Präsidentin des Verbands Frauenunternehmen Riccarda Mecklenburg nimmt Stellung dazu, dass Frauen unter anderem weniger risikofreudig sind als Männer.
Laut dem Global Entrepreneurship Monitor haben Frauen weniger Vertrauen in ihre Fähigkeit, ein Unternehmen zu gründen, als Männer (38,9% gegenüber 59,9%). Diese Kluft ist paradox, da viele Studien belegen, dass frauengeführte Unternehmen bessere Ergebnisse und eine höhere Überlebensrate aufweisen. Aus Sicht von Riccarda Mecklenburg, Präsidentin des Verbands Frauenunternehmen, der grössten Vereinigung von Unternehmerinnen in der Schweiz, geht es darum, Frauen besser zu informieren, um sie zur Gründung zu ermutigen, besonders über die finanziellen Vorteile, die ein eigenes Unternehmen mit sich bringen kann, aber auch über das Thema Altersvorsorge.
Warum gibt es heute nicht mehr Unternehmerinnen in der Schweiz?
Riccarda Mecklenburg: Vor 27 Jahren, also vor der Gründung des Verband Frauenunternehmen, gab es tatsächlich noch weniger Unternehmerinnen. Seitdem ist die Zahl der Unternehmerinnen gestiegen. Heute liegen wir bei fast 40 Prozent. Wir blicken also auf eine erfolgreiche Entwicklung zurück.
Natürlich ist es unser Ziel, noch mehr Frauen davon zu überzeugen, ihren beruflichen und persönlichen Erfolg im eigenen Unternehmertum zu finden. Deshalb helfen wir als Verband, junge Unternehmerinnen beim Gründen und Wachsen zu unterstützen. Dies tun wir in Form von Mentoring-Programmen aus unserem Verband heraus und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Jungunternehmer (IFJ). Diese Mentoring-Programme liefern zum Beispiel Antworten und Hilfen bei administrativen und rechtlichen Fragen der Unternehmensgründung.
Was sind die grössten Hindernisse, auf die sie stossen oder von denen sie glauben, dass sie sie nicht überwinden können?
Mecklenburg: Es ist der eigene Mut. Das Vertrauen: "Ich schaffe das. Ich bin gut genug. Ich habe so viel Erfahrung und Erfolg gesammelt, dass ich damit selbst Geld verdienen kann". Und insbesondere die Zuversicht, dass man mit der Selbständigkeit mehr verdient als im Angestelltenverhältnis. Dieser Prozess dauert lang und braucht auch emotionale Unterstützung. Sehr viele Unternehmerinnen werden von ihren Lebenspartnern ermutigt, ihren unternehmerischen Ambitionen zu folgen. Andere werden durch ihre Familie gefördert in die unternehmerische Nachfolge einzusteigen. Und natürlich gibt es auch eine grosse Zahl von Frauen, die sich einfach aus eigenem Antrieb für die Selbstständigkeit entscheiden.
Wie erklärt man diesen Unterschied im Empfinden im Vergleich zu den Männern?
Mecklenburg: Fehlende Rollenmodelle sind sicherlich ein Faktor. Erlebt ein Mädchen ihre Mutter als Unternehmerin, kann sie viel eher abwägen, ob sie ihr nacheifern oder einen anderen Weg einschlagen will. Hat sie in ihrem Umfeld keine Unternehmerin, fällt es ihr viel schwerer, sich die Vor- und Nachteile des Unternehmertums vorzustellen.
Hinzu kommt, dass Frauen häufig risikoaverser sind und daher eher zögern, sich selbstständig zu machen. Das ist aber auch eine Stärke von Frauen: Sie gehen nicht das volle Risiko ein, sondern entscheiden vorsichtiger. Das schlägt sich wiederum in den Erfolgszahlen der Gründerinnen nieder. Ihre Unternehmen bestehen länger.
Ihre Qualitäten als Unternehmerinnen müssen aber nicht mehr bewiesen werden?
Mecklenburg: Es bringt nichts, über typisch weibliche unternehmerische Qualitäten nachzudenken. Was wirklich zählt, ist die eigene Einstellung zum Unternehmertum. Wie gehe ich mit Rückschlägen um? Wie agil bin ich mit meiner Unternehmensidee? Wie steht es um mein Fachwissen, mein Unternehmen zu führen und zu entwickeln? Wir als Verband Frauenunternehmen bieten unseren Unternehmerinnen deshalb regelmässig regionale Treffen an. Dort können sie sich austauschen, inspirieren lassen und stärken. Gerade in der Anfangsphase ist man sehr einsam und hat gleichzeitig hundert Fragen.
Wie kann man Frauen dazu ermutigen, sich in die Unternehmensgründung zu wagen?
Mecklenburg: Am besten spricht man mit Unternehmerinnen, wenn man sich mit dem Gedanken trägt, sich selbstständig zu machen. Zum Beispiel kann man an unseren Business Lunches sich anmelden und teilnehmen. Diese Anlässe werden auf LinkedIn und unserer Homepage ausgeschrieben. Dort erfährt man vor Ort, wie sich das Leben als Gründerin und Unternehmerin anfühlt, welche Schwierigkeiten es gibt, wie man sie lösen kann und warum es sich lohnt, in die eigene Geschäftsidee zu investieren.
Das erste Rüstzeug kann man sich dann zum Beispiel kostenlos beim IFJ holen. Das Programm "Mut zur Chefin" läuft erfolgreich. Ist der Entscheid für die Selbständigkeit gefallen, sollte auch an die Pensionierung gedacht werden. Als Verband bieten wir unseren Mitgliedern bedürfnisgerechte BVG-Lösungen an, so dass auch das Thema Pensionskasse für unsere Unternehmerinnen gelöst ist.
Wie kann sich das Arbeitgeberumfeld anpassen, um den Frauen zu helfen, sich sicherer zu fühlen?
Mecklenburg: Etliche Unternehmerinnen starten mit einer Teilselbständigkeit. Arbeitgeber können dies natürlich fördern und damit Frauen den Weg in die Selbständigkeit erleichtern. So werden Risiken minimiert und gleichzeitig erste Erfahrungen gesammelt. Ich halte dieses Modell für zukunftsträchtig, denn mit dem zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz wird sich vieles grundlegend ändern. Es wird viel mehr erfolgreiche Solopreneure geben. Beispielsweise wird die Standardisierung von Prozessen vieles für Kanzleien und Unternehmensberatung vereinfachen und günstiger machen. Die tagelangen Rechercheprozesse schrumpfen durch AI auf Minuten zusammen. Ebenso verändert sich gerade die Kreativbranche. Durch AI-Image-und Video-Generatoren werden neue Dienstleistungen angeboten, die man vorher extern einkaufen musste. Es wird eine ganz neue Generation von Solopreneure entstehen und da sehe ich viel Potenzial für mutige Unternehmerinnen.