Seit zehn Jahren wird der Handel zwischen der Schweiz und Panama durch ein Freihandelsabkommen erleichtert. Die Handelskammer vor Ort erklärt die Besonderheiten dieses Marktes und gibt Tipps, welche Vorkehrungen man treffen sollte, bevor man dort aktiv wird.
Trotz seiner relativ geringen Grösse und seiner Bevölkerung von nur vier Millionen Einwohnern ist Panama aufgrund seines berühmten Kanals auf der ganzen Welt bekannt. In dem strategisch zwischen Nord- und Südamerika gelegenen Land sind viele internationale Firmen ansässig, die dort ihren Sitz für die Region eröffnet haben. Seit der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens im Jahr 2014 unterhält die Schweiz mit dem mittelamerikanischen Land sowie mit seinem Nachbarn Costa Rica engere Handelsbeziehungen. 2022 beliefen sich die Schweizer Exporte (ohne Edelmetalle) nach Panama auf CHF 198 Millionen und diejenigen nach Costa Rica auf CHF 223 Millionen. Der Präsident der Handelskammer Schweiz-Panama, Stefan P. Zosso, sieht in der Region viele Geschäftsgelegenheiten.
Welche Branchen sind für die Schweizer KMU in Panama besonders attraktiv?
Stefan P. Zosso: Im Moment gibt es eine hohe Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen im Bereich Bauwesen und Infrastruktur. Es findet zum Beispiel ein Ausbau der Metro und der Autobahntrassen statt und es entsteht ein neuer Kreuzfahrtterminal. Auch die Sparte Logistik und Fracht ist omnipräsent und wird durch den Verkehr auf dem Kanal und auf dem Luftweg beflügelt. Der Tourismussektor ist noch im Aufbau und könnte von unserem Know-how in den Bereichen Hotelmanagement und Infrastruktur profitieren. Darüber hinaus könnten KMU oder Start-ups aus der CleanTech-Branche interessante Absatzmärkte finden, beispielsweise für Systeme zum Abwassermanagement und Abfallrecycling sowie bei erneuerbaren Energien. Ebenfalls wichtig sind Robotik und Telekommunikation sowie der private Bildungssektor und der Bereich duale Ausbildung. Und auch die Finanzdienstleistungsbranche ist für Schweizer Banken oder Finanzberater weiterhin attraktiv. Panama wurde 2023 von der Liste der FATF gestrichen und die Europäische Union nahm das Land im März von ihrer Liste der Risikoländer für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.
Ist die geringe Grösse des lokalen Marktes kein Hindernis für die Schweizer Firmen?
Zosso: Panama funktioniert sehr gut als Hub für die ganze Region. Man kann in wenigen Stunden mit dem Flugzeug in den USA oder auf einem grossen südamerikanischen Markt wie Brasilien sein. Es gibt dort beispielsweise freie Exportzonen, in denen ausländische Unternehmen Zwischenlager einrichten, wo sie ihre Produkte zusammensetzen und in andere Märkte exportieren.
Panama verfügt darüber hinaus über ein Dutzend Freihandelszonen. Neben dem Freihandelsabkommen mit dem EFTA-Raum (zu dem die Schweiz gehört) hat Panama rund zwanzig weitere solcher Abkommen ratifiziert. Das ist praktisch, wenn es um die Wiederausfuhr von Schweizer Produkten in andere Länder geht.
Mit welchen anderen Trümpfen kann Panama aufwarten? Warum haben Schweizer Firmen wie ABB oder Nestlé dort ein Regionalbüro aufgebaut?
Zosso: Der Panama-Kanal (rund 10% des BIP des Landes) und die politische und historische Nähe des Landes zu den USA bieten eine wirtschaftliche Stabilität. Die Verbreitung des US-Dollars in der Wirtschaft ist ein weiterer positiver Faktor für den internationalen Handel. Es gibt auch umfangreiche Steueranreize für multinationale Konzerne. Durch die Streichung des Landes von den Listen der Risikoländer, die von der FATF und der Europäischen Union geführt werden, konnte das Vertrauen in den Finanzplatz Panama zurückgewonnen werden.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Hauptstadt Panama City in den Bereichen Strasseninfrastruktur, Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen usw. gut entwickelt ist. Auch die Sicherheit der Menschen, die in Lateinamerika ein Problem sein kann, ist dort gewährleistet. In rechtlicher Hinsicht gibt es Schiedsgerichte, die für die Regelung allfälliger Handelsstreitigkeiten zuständig sind. Und was das Klima angeht, besteht im Gegensatz zu anderen Inselstaaten der Region keine Gefahr von Naturkatastrophen wie einem Hurrikan.
Auf welche Hindernisse kann ein Schweizer Unternehmer stossen, der in diesen Markt einsteigen will?
Zosso: Panama ist ein ziemlich bürokratisches Land und die Verfahren für die Anmeldung eines Unternehmens können sich in die Länge ziehen. Englisch ist in der Businesswelt und unter den Expats zwar verbreitet, aber um dort Geschäfte zu machen, ist es in der Regel unverzichtbar, Spanisch zu lernen. In mehreren Branchen herrscht auch eine Art Protektionismus, was den Verkauf von Gütern oder Dienstleistungen auf lokaler Ebene kompliziert machen kann. Das ist zum Beispiel im Bildungssektor der Fall. Die Korruption ist zwar rückläufig, bleibt aber noch eine Herausforderung. Ausserdem hat das Land insbesondere aufgrund der Covid-Pandemie viele Schulden angehäuft, was für die Stabilität der Wirtschaft ein gewisses Risiko darstellen kann. Die Lebenskosten in Panama City sind relativ hoch und die Suche nach guten Mitarbeitern ist nicht immer leicht. Insgesamt muss man geduldig sein und in Betracht ziehen, einen Schweizer Expat nach Panama zu schicken, der in der Lage ist, lokale Beschäftigte auszubilden und die Abläufe vor Ort zu verfolgen.
Gibt es kulturelle Besonderheiten, die man kennen sollte?
Zosso: Die Auffassung von Pünktlichkeit ist nicht dieselbe wie in der Schweiz, darüber sollte man sich nicht aufregen. Ich empfehle, dass man sich die Zeit nimmt, persönliche Beziehungen zu seinen Geschäftspartnern aufzubauen und Vertrauen zu bilden, bevor man irgendeinen Vertrag oder eine Partnerschaft abschliesst. Die Menschen in Panama sagen selten nein, also muss man lernen, die Zeichen für Ablehnung oder Begeisterung richtig zu deuten. Ausserdem spielt die Hierarchie eine grössere Rolle als in der Schweiz und die Einbeziehung der verschiedenen Interessengruppen kann lange dauern. Es braucht Geduld in den Verhandlungen.
Informationen
Biography
Stefan P. Zosso lebt seit 17 Jahren in Panama. Er ist Geschäftsführer eines lokalen Familienbetriebs im Detailhandel, der rund 400 Beschäftigte zählt. 2020 war er Gründungsmitglied der Handelskammer Schweiz-Panama und seit Oktober 2023 ist er deren Präsident.
Letzte Änderung 17.04.2024