"Die KMU sollten das Potenzial der digitalen Technologien stärker nutzen"

Wie wird die digitale Transformation eines KMU zum Erfolg? Tipps von Marc K. Peter, Autor eines kürzlich erschienenen Handbuchs zum Thema.

Prozessoptimierung, bessere Entscheidungsfindung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dank der Implementierung digitaler Technologien: Das sind die Grundsätze der digitalen Transformation. Für die kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz kommt dieser technologischen Wende eine entscheidende Bedeutung zu, denn sie bietet ihnen die Möglichkeit, als relevante Akteure wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was versteht man unter digitaler Transformation? Worin unterscheidet sich dieser Begriff von der Digitalisierung?

Marc K. Peter: Die digitale Transformation bezeichnet einen ganzheitlichen Veränderungsprozess mit dem Ziel, ein KMU für das digitale Zeitalter fit zu machen. Anschliessend geht es darum, die neuen Modelle, Produkte und Dienstleistungen mit Hilfe von IT-Tools und digitalem Marketing im Markt zu platzieren. Die Digitalisierung wiederum zielt darauf ab, die Geschäftsprozesse zu optimieren und zu automatisieren. Sie ist also ein Teil der ganzheitlichen digitalen Transformation.

Wo stehen die Schweizer KMU heute in Bezug auf dieses Thema?

Peter: Unsere Studien zeigen, dass nur 50% der Schweizer KMU mindestens einmal im Jahr eine Marktanalyse durchführen, welche auch neue Technologien identifiziert. Nur knapp die Hälfte der Schweizer KMU haben eine Digitalstrategie beziehungsweise einen digitalen Masterplan. Dabei können KMU viel schneller als Grossunternehmen beispielsweise Cloud-basierte Technologien testen und sich so auf dem Markt behaupten. Die KMU müssten das Potenzial digitaler Technologien stärker ausschöpfen und sich Gedanken machen, wie sie Daten strategisch für den zukünftigen Einsatz von künstlicher Intelligenz nutzen können.

Was ist das Ziel des Handbuchs "Digitaler Masterplan für KMU", das Sie vor Kurzem herausgegeben haben?

Peter: Das Praxishandbuch fasst alle wichtigen KMU-Forschungsergebnisse der letzten Jahre zusammen und bietet eine Methode in fünf Schritten sowie ein Workshop-Canvas zum Thema "Digitale Transformation". Im Fokus stehen die sieben Handlungsfelder der digitalen Transformation, beispielsweise die konstante Kundenorientierung oder die Nutzung von Daten und neuen Technologien, die mit vielen Beispielen und anhand von zwei KMU-Fallstudien erklärt werden. Checklisten und Workshop-Vorlagen erlauben dem KMU anschliessend, aus eigener Kraft einen Masterplan und eine digitale Strategie zu entwickeln und so seine digitale Transformation selbst zu planen und umzusetzen.

Was sind die wichtigsten Vorteile für ein KMU, wenn es eine digitale Transformation durchführt? Ist dieser Prozess für jedes Unternehmen geeignet?

Peter: Ja, jedes Unternehmen, unabhängig von der Grösse und der Branche, kann die digitale Transformation in Angriff nehmen, zum Beispiel mit dem im Handbuch vorgestellten Workshop-Canvas. Damit kann es sich Gedanken über neue digitale Kanäle für Kundenanfragen machen, aber auch über die Nutzung von Daten für die Digitalisierung und die Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen sowie über die Marketing-Automatisierung für eine effizientere Kommunikation im Markt.

Was sind die grössten Herausforderungen in diesem Bereich?

Peter: Gemäss unseren Studien sind die grössten Herausforderungen für KMU die fehlende Zeit, um an einer Strategie zu arbeiten, sowie das fehlende Fachwissen. Das Praxishandbuch versucht unter anderem, diese Lücken zu füllen und den KMU einfach und verständlich die wichtigsten Werkzeuge in die Hand zu geben. Das Buch zeigt auch, wie mit dem kollektiven Wissen und den Erfahrungen der Mitarbeitenden die Potenziale für neue digitale Projekte identifiziert werden können. In vielen Fällen wissen die Mitarbeitenden genau, was das KMU machen könnte, um besser zu werden.

Wo sollte ein Unternehmen beginnen?

Peter: Zunächst sollten in einem oder mehreren Workshops anhand der Checklisten im Buch die sieben Handlungsfelder der digitalen Transformation besprochen werden. Die Projektideen und -vorschläge, die dabei entstehen, werden anschliessend strukturiert und in einem zweiten Workshop mit der Geschäftsleitung besprochen und priorisiert. Hierbei besteht das Ziel darin zu beurteilen, ob das KMU das Marktpotenzial sieht und die nötigen Ressourcen (Zeit, Mitarbeitende und Geld) hat, um die digitalen Projekte umzusetzen. Diejenigen Projekte, welche die Geschäftsleitung auswählt, werden dann im digitalen Masterplan dokumentiert, der so zur digitalen Strategie und zu einem wichtigen Planungs- und Kommunikationsinstrument für die nächsten zwei bis drei Jahre wird.

Haben Sie Tipps für Unternehmerinnen und Unternehmer, die den Weg der digitalen Transformation einschlagen oder vertiefen möchten?

Peter: Die digitale Transformation sollte unbedingt zusammen mit den Mitarbeitenden und im besten Fall zusammen mit der Kundschaft geplant werden. Ausserdem muss man einen starken Technologiepartner finden, welcher Erfahrung und Wissen mit dem eigenen Unternehmen teilen kann. Und nicht zuletzt lohnt es sich, in die Weiterbildung der Mitarbeitenden zu investieren, um digitale Fähigkeiten im Unternehmen zu verankern, damit die Transformation erfolgreich umgesetzt werden kann.


Informationen

Zur Person/Firma

Marc K. Peter, Leiter des Kompetenzzentrums "Digitale Transformation" der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW)

Marc K. Peter ist Professor für Digital Business und Leiter des Kompetenzzentrums "Digitale Transformation" an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Olten. Er hat in Schweizer KMU und in Grossunternehmen wie PostFinance, eBay, E*TRADE und LexisNexis in den Bereichen Strategie, Technologie, Vertrieb und Marketing gearbeitet. Zudem ist er im Rahmen der Rochester-Bern Executive Programs und an der Universität Basel als Dozent tätig. Sein neues Praxishandbuch "Digitaler Masterplan für KMU" ist im Verlag Beobachter-Edition und Handelszeitung erschienen. Ergänzt wird es durch eine Reihe von YouTube-Videos.

Letzte Änderung 03.01.2024

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