"Unsere Strategie entspricht der Zukunft des Bauens"

Wie kann sich der Bausektor an die Herausforderungen des Klimawandels anpassen? Ein Gespräch mit Gabriel Affentranger, Mitglied der Geschäftsleitung eines Unternehmens, das auf dem Gebiet Vorreiter ist.

Mit den explodierenden Rohstoffpreisen, den gestiegenen Energiekosten und den neuen Vorschriften im Zusammenhang mit dem Klimaschutz steht das Baugewerbe vor neuen Herausforderungen. Der Familienbetrieb Affentranger Bau AG mit Sitz in Altbüron (LU), der sich schon seit vielen Jahren für Nachhaltigkeit einsetzt, macht vor, wie es gehen kann. Das KMU mit seinen 80 Mitarbeitenden wurde ausserdem schon mehrfach für seine innovativen Lösungen ausgezeichnet.

Ihr Unternehmen hat sich die Klimaneutralität zum Ziel gesetzt. Warum?

Gabriel Affentranger: Wir sind in einer ländlichen Gegend ansässig und wissen, welchen Wert Grünflächen, Wälder und sauberes Wasser haben. Seit der Gründung 1978 war das Ziel in der Unternehmung verankert, mit diesen Ressourcen bewusst umzugehen und die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen in Einklang zu bringen. Hinzu kommt, dass es dank der erneuerbaren Energien nun möglich ist, eigenständig und nachhaltig Energie zu produzieren. So hat unser Betrieb heute eine positive Energiebilanz von 194%. Der Ausbau von Solardächern und die stetige Elektrifizierung unserer Fahrzeuge und Maschinen tragen massgebend zu diesem Ergebnis bei.

Können Sie einige der bisherigen Massnahmen vorstellen?

Affentranger: Wir haben unseren neuen Werkhof in Altbüron 2012 mit einer Solaranlage ausgestattet. Dadurch konnten wir einen grossen Schritt in Richtung Klimaneutralität gehen. Ein weiteres Beispiel: 2015 haben wir den Weltweit ersten akkubetriebenen 16 Tonnen Elektrobagger entwickelt, wofür wir den Europäischen Solarpreis erhalten haben. Heute verbrauchen wir, wenn wir unsere verschiedenen Fahrzeuge sowie elf Bagger und schweren Baumaschinen zusammenrechnen, rund 1,75 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr, während wir mit unseren Solaranlagen 3,41 GWh produzieren. Der Überschuss entspricht dem Äquivalent der Energie, die man für 1'120 Elektrofahrzeuge mit einer Fahrleistung von je 10'000 km pro Jahr bräuchte.

Handelt es sich nur um technische oder auch um organisatorische Massnahmen?

Affentranger: Es handelt sich immer um ein Zusammenspiel von beidem. Die technischen Massnahmen sind einfacher umzusetzen. Kaufe ich zum Beispiel ein dieselbetriebenes Fahrzeug oder gibt es ein ähnliches Angebot für ein Elektroauto? Nutze ich die volle Lebenszeit einer Maschine aus oder lease oder kaufe ich alle drei Jahre eine neue Maschine? Es ist möglich, einen vernünftigen Weg zu finden, wenn man bei jeder dieser Fragen, die im Unternehmen auftauchen, den ökologischen und wirtschaftlichen Aspekt gleichermassen berücksichtigt.

Die organisatorischen Massnahmen sind um einiges anspruchsvoller umzusetzen. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen muss bei seinen Entscheidungen den ökologischen und wirtschaftlichen Aspekt berücksichtigen. Diese Unternehmenskultur bedingt ein ständiges Vorleben, Schulen, Informieren und Sensibilisieren. Daher absolviert jede Abteilung einmal im Monat eine kurze Schulung zu einem Thema in Verbindung mit Qualität, Sicherheit oder Ökologie, beispielsweise zu den lebenswichtigen Regeln auf dem Bau oder zu Materialbestandteilen, die getrennt und recycelt werden müssen. Durch diesen Input wird jeder Mitarbeiter angeregt, selbst nachzudenken und Verbesserungsvorschläge für das Unternehmen zu machen.

Wie wird dieses Engagement von Ihren Kunden wahrgenommen?

Affentranger: In der Privatwirtschaft wird es eher wahrgenommen als im öffentlichen Bereich. Der Preis ist heute jedoch noch immer das Hauptkriterium. Und durch die gestiegenen Kosten wird das Bauen für einen grossen Teil der Bevölkerung fast unmöglich. Ausserdem wird das Kriterium der Energiebilanz bei öffentlichen Aufträgen bzw. Ausschreibungen gar nicht wahrgenommen oder zum Alibikriterium degradiert. Das ist aus meiner Sicht sinnbildlich für die immer grösser werdende Schere zwischen Politik und Gesellschaft. Die Gesellschaft ist bereit, den ökologischen Aspekt höher einzustufen, hat jedoch die nötigen Mittel nicht, wohingegen die Politik die Mittel hat, jedoch prioritär andere Ziele verfolgt. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass unsere Strategie wirtschaftlich, gesellschaftlich und ökologisch der Zukunft des Bauens entspricht.

Sie wurden mehrfach mit dem Schweizer und dem Europäischen Solarpreis ausgezeichnet. Was bedeuten diese Preise für das Unternehmen?

Affentranger: Sie sind eine Wertschätzung für viel Arbeit und Herzblut im Hintergrund von allen Mitarbeitenden und besonders von Firmengründer Markus Affentranger. Es sind viele Stunden, die neben dem Tagesgeschäft zusätzlich investiert wurden und sich in Form dieser Auszeichnungen auszahlen. Durch die Solarpreise konnten wir zudem unser Netzwerk erweitern und Kontakte mit Unternehmungen und Personen mit der gleichen Vision knüpfen.

Haben Sie Tipps für Unternehmerinnen und Unternehmer, die einen ähnlichen Weg einschlagen möchten?

Affentranger: Mein erster Rat ist, mit kleinen Schritten anzufangen und bei den Entscheidungen Wirtschaftlichkeit und Ökologie gleichermassen zu berücksichtigen. Dann ist es wichtig, die Mitarbeitenden zu sensibilisieren und schulen. Und schliesslich sollte man andere Meinungen wahrnehmen, aber am Ende immer selbst entscheiden, was das Beste für das Unternehmen ist.


Informationen

Zur Person/Firma

Gabriel Affentranger, Mitglied der Geschäftsleitung der Affentranger Bau AG

Gabriel Affentranger ist Mitglied der Geschäftsleitung des Familienbetriebs Affentranger Bau AG. Das KMU, das vor 45 Jahren in Altbüron (LU) gegründet wurde und heute 80 Personen beschäftigt, ist im Baugewerbe tätig (Hochbau, Tiefbau, Renovationen usw.) und wurde vor einigen Monaten mit dem Schweizer Solarpreis 2022 in der Kategorie "Institutionen" ausgezeichnet.

Letzte Änderung 17.05.2023

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